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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Böttcher, F.: Der Empire-Stil
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0168

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Nr. 17.

Fachblatt für ^nnen-Dekoration".

Seite 143.

smzilve

Von F. Böttcher.

fie alten Möbel, Porzellan- und sonstige Kunstgegenstände, welche in unseren
Museen und Privathäusern aufbewahrt, sind auch größtentheils getreue Zeugen
Von den Sitten und Gebräuchen unserer Vorfahren und als solche sind sie von großem
Werth, so gut für den Geschichtsschreiber, den Antiquar, als wie auch für den
Zeichner. Dieselben zeigen uns, wie das Große zur Zeit Ludwig XIV. allmählig in
die meinungslose und extravagante Frivolität, welche die Herrschaft seines Nach-
folgers karakterisirte,
überging und wie treu
gab der Kunststil die
schüchterne Zeit Lud-
wig XVI. wieder.

Wäre es nöthig, die
Karakterverschieden-
heiten der Zeiten dieser
3 Regenten in der-
selben Zahl von Wor-
ten auszudrücken, so
könnten sie korrekter,
als mit Größe, Fri-
volität und Niedlichkeit
nicht bezeichnet wer-
den. Wir kommen
.jetzt zu diesem von
allen andern verschie-
denenStile. Der selbst-
süchtige Luxus des
Adels von Frankreich
zu Ende des 18. Jahr-
hunderts, welcher sich
viele Jahre lang hin-
durch auf Kosten der
arbeitenden Klassen
^ erhielt, gebar schließ-
lich den Schrecken der
Revolution. Zu An-
fang dieser schrecklichen
Jahre entflieht der
Genius der Kunst und
^ kehrt erst dann wieder,
als das Blut in Paris
zu fließen aufhört.

Aber welche Veränder-
ung hatte während
jener kurzen Wwesen-
. heit stattgefunden!

Wohingegen früher
alles Luxus und Ver-
gnügen -war, wenn
auch nur in seinen
hohen und polirten
Kreisen, so war jetzt
alles streng, be-
wegungslos, hart und
unnatürlich- — Es
war jetzt die Kaiser-
zeit herangekommen.

— Die Reaktion trat
ein und, das Ucber-
maß des Erlaubten,

Ueberladenen, Prunk-
losen machte dem
Uebermaße des Nüch-
ternen, Einfachen, Be-
scheidenen Platz. Eine
ungesundeErscheinung
auf jeden Fall. Es
war auf beiden Seiten
übertrieben worden.

Weder die Tollheiten
des Regimes Ludwig XV., noch die Strenge, des Kaisers stellte in Wahrheit die
Natur des französischen Volkes dar; sie strahlten nur das volksthümliche Gefühl zu
zwei merkwürdigen Perioden der Vaterlandsgeschichte wieder. Aehnliche Wogen des
Volksgefühles gingen über dieses Land Karls II., nur befand sich hier der Volks-
reichthum und die Reaktion in entgegengesetzter Richtung.

Aber zurück zu unser« Gegenstände, nämlich zu den Holzarbeiten des Empire-
Stiles. Dieser, gleich wie die Kunst und die Sitten der Zeit, war unnatürlich, da
die Entwürfe, die Ideen hierzu erst von anderen Völkern und Zeiten angeeignet
waren, denn sie wurden Hunderte von Jahren vorher von den Griechen und Römern

Abbildung Nr. 81. Dekovslionsstulrte. Erker-Sitz im Renaissancestil.
Entworfen und gezeichnet von Franz Behrens jun.

unter gänzlich verschiedenen gesellschaftlichen Zuständen erfunden. Stühle, Tische,
Betten und Kanapees waren meistens Nachbildungen von den alten griechischen Vasen
und Wanddekorationen; und eben das Aeußere dieser Periode hat ein streng klassisches
Ansehen. Die Möbel werden nun höchst steif und nüchtern, die Profile und Gesimse
verschwinden fast vollständig, an deren Stelle wird nur ein Blatt mit einer Hohl-
kehle oder Stab gesetzt, die Füße werden nicht mehr gedreht oder geschweift, sondern
viereckig und nach unten spitz zulaufend gebildet, Bilder- und Spiegelrahmen ent-
behren jeder Profilirung. Große Pfeilerspiegel (trnmsaux) erhalten zuweilen riesige
Säulen mit Kapitälen und einen Aufsatz, welche erkennen lassen, daß die
griechischen Tempel ihre Vorbilder waren. Zumeist wurde Mahagoni, was damals

eine Neuheit war, be-
nutzt; die steif und
streng griechisch ge-
schnitzten Kapitäle und
Konsolen wurden ver-
goldet, hier und da
wurde etwas Braun
angewandt, um die
Füllungen, nament-
lich aber um das
Spiegelglas lief als
einziges Profil ein
glattes Messingstäb-
chen. Doch wurde
auf die Ausführung
der Möbel viel Fleiß
und Sorgfalt ver-
wandt und in tech-
nischer Beziehung hat
es wohl keine Zeit
gegeben, in welcher so
gut ausgeführte Möbel
hergestellt wurden als
in dieser. Meist
wurde „aufrecht fonr-
nirt", d.h.dasFournir
bedeckte von unten
nach oben gehend alle
.Kasten, Plättchen,
Kehlen, Stäbchen usw.
welche Art von Fvur-
nirung dem Tischler
ungemein Schwierig-
keiten bot, dies um so
mehr, als damals die
Schneidemühlen noch
nicht in der Lage
waren, Fournire
schneiden zu können
und wenn es hie und
da dennoch geschah, so
waren dieselben ziem-
lich stark und mußten
vom Tischler für ge-
krümmte Flächen erst
schwach gezahnt wer-
den. Das Aeußere
der „Sekretäre", die
damals Mode wurden,
war meist einfach, doch
das Innere wurde
reicher und farbiger
gestaltet, theils durch
Federfrieß, theils
durch Benutzung ver-
schiedener Heller sund
dunkler Hölzer, na-
mentlich aber durch
Ausschneiden von Or-
namenten (Intarsien)
welche in griechischer
Manier gehalten
waren und zu welchen
meist Ahorn und Mahagoni verwandt wurde. Um die hauptsächlichen „Pendants"
aus der Zeit der klassischen Formen zu vermehren, trat Davit auf, ein Künstler von
beträchtlichem Talent und Einfluß. Er zeichnete Gemälde in moderner und antiker
Gestalt. Ferner förderten Percier, Fontane, Franzionard und Anderes den Ge-
schmack der Zeit, indem sie zu den bestehenden, überkommenden Formen noch einige
andere, sowie auch ornamentale Details hinzufügten. In Folge dessen entstand ein
Stil, welcher ausschließlich nur in Europa angewandt und erfunden war. In Frank-
reich wurde das Beste geliefert; doch war der Stil nur ein von den untergegangenen
Griechen nachgeahmter, daher derselbe, da er nicht aus dem Gefühl und dem Be-
 
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