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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Wie bilden wir unsere Fachleute?
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Werner, H.: Die Gewebe und deren Verzierung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0036

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Seite 28.

Fachblatt für ^nnen-Dekoration".

Nr. 4.

unfern Nachkommen nicht jeder Charakter, nicht jeder Stil abge-
sprochen würde.

Sehen wir uns jetzt einmal in einer Fabrik der hier in Betracht
kommenden Zweige um, wie es heute da aussieht. Vielleicht wundern
wir uns dann nicht mehr so sehr, daß die Leistungen einen gewissen
Höhepunkt erreicht zu haben scheinen. Ich nehme als Beispiel eine
Tapetenfabrik, und zwar deshalb, weil die künstlerische Leistung hier
die bedeutendste Nolle spielt, indem es hier darauf ankommt, aus den
für Dekorationszwecke allergewöhnlichsten Stoffen etwas Künstlerisches
zu schaffen. Hier besticht nicht der Glanz der Seide, nicht der Werth
der Stoffe: hier ist es nur Papier — gewöhnliches Papier — und an und
für sich meist unansehnliche billige Erdfarben. Aus diesen soll Etwas
gemacht werden! Der Ruf einer Tapetenfabrik richtet sich daher beinahe
ausschließlich nach ihren künstlerischen Leistungen. Sonderbarer Weise
scheint man dessen nicht mehr eingedenk zu fein, sonst würde man die
wichtigste Arbeit, das Koloriren der Karte, nicht jedem beliebigen Werk-
meister überlassen.

Oder ahnt inan wirklich nicht, welche Gefahr gerade für eine
angesehene Fabrik darin liegt, wenn sie in ihren künstlerischen Leistungen
nachläßt? Wie ungemein schwer ist es, den einmal gemerkten Rückgang
in den Augen Anderer wieder zu beseitigen? Es mag ja erklärlich sein,
daß die auf's Aeußerste gedrückten Preise wiederholt mit Opfern
gebrachte und nicht eiiMschlagene Sachen den Fabrikaiüen zaghaft
machen und ihn in dieser Stimmung zu der Ansicht kommen lassen: „für
die Kunst kannst du keine Opfer mehr bringen, auch du mußt dich der
heutigen Strömung anschließen: nur billig zu sein!" Verstehen
mag man es, aber richtig ist es wohl kaum; denn es wäre gleichbe-
deutend mit einem Stillstand, wenn nicht mit einem allmäligen Rückgang.
Es ist ja richtig, die Kunst ist zu anderen Zeiten mehr gewürdigt worden,
als jetzt. Aber zu bedauern wäre es, wenn augenblichliche Krisen einige
erst kaum erblühte Industriezweige zur Bedeutungslosigkeit Herabdrücken
sollten.

Erlauben die heutigen Preise nicht, Künstler von Fach zu bezahlen,
so ist es umsomehr Pflicht, begabte junge Kräfte speziell für seine Zwecke
ausbilden zu lassen, aber nicht jedem Beliebigen den Ruf seiner Fabrik
anzuvertraüen. Nach welchen Gesetzen stellen sie eine Farbenkomposition
zusammen? Haben sie eine Ahnung von irgend einem Stil? Man
muß Stilmuster aus einer Fabrik verlangen, oder die Reisenden, welche
die Kollektionen vorlegen, nach solchen fragen, um zu erfahren, wie weit
die Kenntnisse in dieser Hinsicht reichen. Der Chef des Hauses kann nicht
überall fein, aber man könnte es erleben, unter allen Angestellten kaum

einen Eistzigen zu finden, der wenigstens auf diesem Gebiete eine gründ-
liche Kenntniß hätte. Damit soll aber den Leuten kein Vorwurf gemacht
werden; denn wo sollten sie es lernen? Es fehlt vollständig an jeder
Gelegenheit, sie plaudern nur das nach, was sie ab und zu hören, ohne
je eine gründliche Kenntniß zu erlangen.

Nun erst das Koloriren! Takt und Zartgefühl ist nicht Jedem
eigen: Das Sehen schöner Kompositionen genügt noch lange nicht, um
selbst solche zu schaffen. Von der Farbenlehre, von der Wirkung der
Farben, von den Helligkeitsgraden derselben und den vielerlei anderen
Gesetzen der Farbenstellung und Farbcnharmonie haben sie keine blasse
Ahnung. Was können da für Leistungen erwartet werden! Der eigne
Takt verläßt sie gar bald, dann ist's ein Tappen im Dunklen. Wie
groß mag da die Verführung sein, nach fremden Ideen zu arbeiten?
Und wenn die letztere in Gestalt eines ausländischen Musters zu haben
ist, ist es ja keine Sünde — höchstens Patriotismus.

Sonderbarer Weise findet man selbst bei jungen Zeichnern mit-
unter eine auffallend genüge Kenntniß auf diesem Gebiete; denn auch
diese streifen dasselbe auf der Kunstakademie nur flüchtig. Es ist ein
besonderes Fach — das Zusammenstellen der Farben. Für sie ist die
Hauptsache das Zeichnen.

Wie segenbringend müßte es nun für die Tapeten-Jndustrie sein,
wenn man mit Kunstsinn begabte junge Leute eine Zeit lang auf eine
Anstalt schicken könnte, wo sie sich eine gründliche Kenntniß dieser Zweige
aneignen könnten. Ganz besonders würden ja solche in Betracht kommen,
die berufen sind, derartigen Fabriken einmal vorzustehen. Haben sie
die praktische Lehre durchgemacht, so folgte diese Ausbildung.

Aber auch mancher Andere würde mit Freuden eine solche Gelegen-
heit benutzen, um sich später eine bessere Stellung zu erringen. Und
zweifellos würden diese überall gerne ausgenommen werden. In sechs
bis zwölf Monaten könnte ein fleißiger Mensch Manches lernen. Aber
auch manche ältere Leute würden die Gelegenheit vielleicht nicht ver-
schmähen.

Selbstredend wäre eine solche Schule nicht nur für Angehörige
des Tapetenfaches, nein, sie müßte möglichst sämmtliche Fächer
der Jnnen-Dekoration umfassen. Jedem aber Gelegenheit
geben, sich in künstlerischer Hinsicht noch besonders für sein Fach
auszubilden. Es müßte eben eine Schule sein, auf welcher der praktisch
Thätige in leicht faßlicher Weise nun das aus den verschiedenen Kunst-
epochen vorgetragen bekäme, was er für das praktische Leben zu wissen
braucht, ohne unnöthigen Ballast aufzunehmen. Ganz eingehend aber
dürfte die Harmonielehre der Farben behandelt werden.

Nie und Keren Merfievung.

Von H. Werner.

AMie spärlichen Reste, welche sich von der textilen Kunst des Alter-

thums auf unsere Zeit erhalten haben, zeigen uns, daß die
Verzierung der Gewebe damals in ebenso reichem Maaße schon gebräuchlich
war, als im Mittelalter, der Renaissance und der Neuzeit. Obwohl die
technischen Hilfsmittel äußerst geringe waren, so beweisen jedoch die
Ueberreste das Vorhandensein von ganz bedeutendem Kunstverständniß
und richtiger Anwendung des stilistischen Ornamentes. Man ersieht
daraus, daß die außerordentlichen Fortschritte in der Technik, welche
man im Laufe der Jahrhunderte machte, gerade nicht immer auch einen
Fortschritt in der richtigen Art und Weise bezüglich Anwendung der
Verzierung mit sich brachte, besonders, wenn man die Erzeugnisse der
Gegenwart in Betracht zieht.

Noch heute werden im Oriente mit ganz primitiven Hilfsmitteln
Prachtstoffe hergestellt, welche unserer europäischen Webeindustrie als die
besten Vorbilder dienen können, und welche in Museen zur Aufnahme
gelangen. Mit dem einfachsten vertikalen Webstuhl haben die orien-
talischen Völker die mannigfaltigsten ein- und mehrfarbigen, glatten und
gemusterten Zeuge, auch sogar figurenreiche Buntwebereien schwierigster
Art zu Stande gebracht.

Die Materiale, welche man im Alterthume benützte, waren dieselben,
welche man auch heute noch verwendet; zur Schafwolle kamen später
Baumwolle, Leinen und Seide, und die Letztere ist auch dasjenige
Material, welches sich für verzierte Stoffe jederzeit am meisten im Ge-
Gebrauche erhielt.

Die Wichtigkeit eines jeden dieser Materiale kommt aber besonders

in Bezug auf den kunstästhetischen Werthe des damit angefertigten Ge-
webes in Betracht. Die Baumwolle saugt das strahlende Licht ein, ihr
Glanz ist unbedeutend, während die Schaafwolle, die Leinen einen ver-
schieden starken Reflex des Lichtes ausstrahlen. Auf diese verschieden-
artige Wirkung der einzelnen Materiale basirt nicht nur der Effekt des
Gewebes in Bezug auf seine Fläche, welcher durch Verbindung mehrerer
Materiale zn einem Gewebe noch mannigfaltiger gestaltet werden kann,
sondern es beruht darauf auch der mehr oder weniger sich schmiegende
Faltenwurf, welcher wesentlich zur guten Wirkung eines Gewebes beitrügt.

Die Reihenfolge, innerhalb welcher die Materiale bezüglich des
Glanzes sich aneinander reihen, ist folgende: Die Baumwolle, welche an
sich eine krause Textur hat, besitzt äußerst wenig Glanz, d. h. sie strahlt
das auffallende Licht in keinem oder nur ganz geringem Maße zurück,
daher ihre Verwendung dort am ersten stattfindet, wo Glanz vermieden
werden soll; und ist ein solcher erforderlich, so wird er durch technische
Mittel zu erreichen gesucht. Der Leinen kommt in zweiter Reihe, da
er schon einen schwachen Glanz besitzt, welcher durch seine technische Ver-
arbeitung, wie z. B. beim Dammast, noch erhöht werden kann. Einen
ungleich kräftigeren Glanzeffekt besitzt die Schafwolle und lassen sich in
derselben viele Abstufungen bei ihrer Verarbeitung erzielen, je nachdem
es das Gewebe erfordert und inan dem der Seide ähnlichen Effekt er-
reichen will. Das effektvollste Material in der Weberei ist jedoch die
Seide. Diese besitzt schon als Faden die Eigenschaft durch Glanz zu
wirken und steigert sich diese je nach Art des Gewebes, welches äußerst
mannigfaltig gestaltet werden kann. Dammast, Atlas, Tastet, Satin,
Sammt und Brokate sind nebst anderen, die Webarten der Seide, in
welchen sein Glanzeffekt zur verschiedensten Geltung gelangen kann.
Kommt nun zur Seide noch die Anwendung des Goldfadens, so ge-
 
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