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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Böttcher, F.: Die Dekoration der Fenster
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0124

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Teile 108.

Fachblatt für Innen-Dekoration".

Nr. 13.

dw ^MekLwation Lev Denfter.


Von F. Böttcher.

DMisher und so lange die jetzt lebende Generation zurückzudenken
vermag, wurden die Fenster nicht anders als mit weißen Vorhängen
dekorirt, welche mit geringen Abweichungen in zwei Streifen herunter
hingen und unten an den Seiten durch Schnüren festgehalten und auf-
gehoben wurden; nur dann und wann sah man bei sehr vermögenden
Leuten in deren Prunk- oder Paradezimmern noch Seide über Gardinen.
Die Schlafzimmer waren noch einfacher, schmuck- und geschmackloser be-
handelt, indem zur Dekorirung dieser Fenster, wenn nicht die alten ab-
gelegten Gardinen der Wohn-
zimmer verwendet wurden, ein
sehr minderwerthiger, billiger,
bunter, dünner Stoff genommen
wurde, welcher, statt das Schlaf-
zimmer nett und anheimelnd zu
gestalten, dasselbe zu einem un-
freundlichen Ort stempelte.

Seit der Wiederbelebung und
Hebung der deutschen Industrie,
insbesondere seit der Münchener
Kunstgewerbe - Ausstellung 1876
und den nachfolgenden Düsseldor-
fer, Leipziger, Berliner, Görlitzer,

Breslauer und Hamburger Aus-
stellungen, ist dies bedeutend besser
geworden, indem die Möbelfabri-
kanten oder auch Tischler, vereint
mit den Architekten und Tapezirern,
dem Stofffabrikanten, Glaser usw.,

Musterzimmer (Bade-, Speise-,

Schlaf-, Herren-, Damen-, Ar-
beite, Rauch-, Trink- und Wohn-
zimmer mit anstoßendem Erker)
ausstellten, an denen zu ersehen
war, wie der Mensch sein Heim
einrichten, bezw. seine Fenster de-
koriren soll. In den meisten Fällen
waren dunkle (manchmal zu dun-
kel) und mehrfarbige, auch zu-
weilen mit viel Glück orientalische
Stoffe benutzt worden, welche an
Ringen und an Querstangen in
natürlicher einfachster Weise auf-
gehängt waren, welche das ein-
dringende, zu grelle Sonnenlicht
dämpften, und dem Wohnraum ein
anheimelndes Ansehen verliehen.

Doch manchmal ging man zu weit,
indem auch Zimmer, die zur Ar-
beit bestimmt waren, oder solche,
deren Fenster nach engen Straßen
oder kleinen Höfen zu gelegen,
mit dicken und dunklen Vorhängen
versehen wurden.

Zuweilen werden mit viel Geschick, für einfach gehaltene Zimmer
auch einfarbige Stoffe gewählt, die mit selbstgehäkelten weißen Kanten
versehen, einen recht netten Eindruck machen, oder auch es werden zweier-
lei Stoffe benutzt, welche, wenn dieselben mit Geschmack gewählt,
ebenfalls gut wirken, ebenso, wenn, wie dies in neuerer Zeit geschieht,
oben ein breiter gestickter Streifen herübergeht, unter dem alsdann die
beiden Shawls herunterhängen und unten geschmackvoll geordnet aufgehoben
und von Schnüren gehalten werden. Als geschmacklos sind jedoch die
sogenannten Lambrequins zu verwerfen, wenn nicht die Vorhänge (wie
unsere Abbildung Nr. 55 zeigt) hübsch nnd gefällig angeordnet sind,
da dieselben, glatt ausgespannt, durch die ewig gleich bleibende
Form langweilig wirken würden. Noch geschmackloser sind die soge-
nannten, von manchem Dekorateur ausposaunten Neuheiten, zu denen

drei, vier, ja zuweilen fünferlei Stoffe benutzt und alsdann über- unb
untereinander gewürgt werden, sogar viele Meter hohe Stangen da-
hinter gesteckt oder darüber gelegt, an denen Hellebarden von versilberter
Pappe angenagelt und die Shawls von einem gräulichen Mordwerkzeug
des Mittelalters, einer Anzahl Morgensternen oder mit Hufnägeln be-
schlagenen Holzkugeln oder auch dicken Ketten und was des Unsinnes
und Geschmacklosen mehr ist, gehalten werden. Ja, ich habe sogar
einmal Menschenschädel und in einem andern Fall Hörner als Gardinen-
halter gesehen; selbstverständlich
wirkten diese grinsenden Schädeb
ganz abscheulich, während die ge-
bogenen Hörner zu den auf denr
Fußboden ausgebreiteten Fellen
schon besser passen.

Das Einfachste ist doch auch
in diesem Falle das Schönste und>
Beste, und wenn man keine weißen
Vorhänge benutzen will, so wähle
man z. B. orientalischen Stoff,
der zu allen Möbeln, allen Ta-
peten, Teppichen und Bezügen
paßt, hänge denselben an Ringen'
und Stangen, die mit Zügen ver-
sehen sind, auf, und als Halter
benutze man dazu passende, dicke
Kordeln sowie schön geformte
Quasten und Fransen.

Da werden nun in neuerer
Zeit die von England aus einge-
führten „Stores" vielfach benutzt,
welche sich trefflich bewähren und-
namentlich die schöne Zeichnung
der Ornamente, da sie in ganzer
Größe von dem Fenster herunter
hängen und nicht zusammen ge-
faltet werden, voll und ganz zur
Geltung kommt, auch verhindern,
dieselben das Hineinsehen von-
Außen in wirksamster Weise.

Namentlich diejenigen, welche-
theils in Paris, theils in Plauen
i. V. bunt bemalt, gestickt, benäht
und gefärbt werden, verdienen
die vollste Anerkennung und sind»
besonders, wenn auch etwas theu-
rer, zur Anschaffung empfohlen.

Mit der Einführung der deut-
schen Renaissance-Möbel, der Erker,,
kamen auch die gemalten Fenster
und die Butzenscheiben wiederauf,
welche in wirksamer Weise gar-
trefflich sich für Speisezimmer^
Erker, Trink- und Rauchzimmer,
Vorplätze, Schlaf- und Badezimmer und solche Räume, die nach-
hinten oder nach engen Straßen gelegen sind, eignen. Jeder, der
ein eignes Haus oder eine Villa besitzt, sollte sich sein Heim mit Erker,
durch bunte, mit Figuren, Wappen und Butzenscheiben versehene Fenster
verschönern.

Für Diejenigen indeß, welche zur Miethe wohnen und aus diesem..
Grunde sich ächte Glasmalerei-Fenster nicht zulegen können, aber dennoch:
diesen wohlthuenden Fensterschmuck nicht gerne entbehren möchten, sind-
in den letzten Jahren vorzügliche Nachahmungen (Diaphanien usw.)-
entstanden, welche der ächten Glasmalerei in der Wirkung keineswegs
nachstehen. Es ist eine bekannte Thatsache, daß durch bunte Glas-
scheiben die ganze Zimmer-Einrichtung viel schöner erscheint, ja selbst:
alte Möbel im Aussehen bedeutend gewinnen.
 
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