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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Hofmann, Albert: Der "Saal" im romanischen Mittelalter, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0079

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Dummer 9.

Das „^achblatt für Dnnen-Dekoration" ist
bei der deutschen Reichs-Post unter Nr.
2V22 der Post-Zeitungsliste eingetragen.

Verbreitet in Deutschland, Gesterreich-Ungarn und der Schweiz.

' Vertrieb f. Befter.-Ungarn: Spirlhsgen H Schuvlch, AVieit U Rnmpfg. 7.
Bezugspreis des Blattes s'Jährl. öst. jl. 1.50. Erhältlich durch jede Buchhandlung.

Kleinere Beträge sind stets vorauszube-
zahlen. Einzelne Nummern kosten so Pf.
Telegramm-Adr.: verlagkoch, Darmstadt.

Nachdruck unserer Original-Artikel ist nur mit unserer Erlaubniß gestaltet.

^Wev „Waal" im vomam l cheu Wil! el al l er.

Von Albert H o sm an n-R ei ch en b er g.

kMin seltener Hauch duftiger Poesie schwebt sür uns über den Burgen
des romanischen Mittelalters. Die mittelhochdeutsche Dichtung hat
sie uns beschrieben und in, farbenglühenden Farben geschildert. Nach
diesen Schilderungen, dem Ausflusse einer poetischen Empfindung, be-
urtheilen wir, was romanische Baukunst auf zugiger Höhe oder in tückischem
Sumpfe, als Höhen- oder Wasserburg geschaffen. Doch das wirkliche
Bild entspricht nicht dem Bilde, das uns die Poesie vorgezaubert. Oft
recht einsam und verlassen ist das Leben aus der kleineren Ritterburg.
Die Wohnräume kalt und unbehaglich; der Fensterverschlnß schlecht, der
Kamin rauchend und das ganze Gemach mit erstickendem Rauche erfüllend.
Das wenige Mobiliar ist schlicht, schwer und plump, in seltenen Fällen
mit einfachem Schmuck versehen. So lebt die weibliche Burgbevölkerung
im Winter, wenn die rauhe Witterung das Verweilen im Freien nicht
gestattet. Dann blickt das Auge der Burgfrau wehmuthsvoll in die
erstarrte leblose Natur, deren Todtenstille nur unterbrochen wird von
dem heiseren Gekrächze eines scheu auffliegenden Raben.

Zu solchen Zeiten vertreibt sich die männliche Bevölkerung die Zeit
mit Fehden oder auf der Jagd oder auch aus Besuchen in befreundeten
Klöstern. In solchen Zeiten und in diesen Burgen hört man nicht den
Burghof erdröhnen von dem Hufschlage der Streitrosse, man sieht nicht
den Burghof bedeckt mit den Splittern gebrochener Lanzen; diesesSchau-
spiel erlebten nur die größeren Ritterburgen, die Burgen der Pfalzgrafen
und Fürsten, der großen Barone, mächtiger Ritter, der Fürstbischöfe
und Fürstäbte. Hier gestaltet sich das Leben reicher und üppiger, hier
entwickelt sich das gesellschaftliche und festliche Treiben, besonders wenn
der Frühling in's Land gezogen. Ritterturniere und Sängerwettkämpfe
versammeln dann eine auserlesene Ritterschaar auf der reichen Burg.
Die Halle oder der Saal öffnet sich der Ritterschaft und hier ist es, wo
der Burgherr seine ganze Pracht ausbietet, um seine edlen Gäste würdig
zu empfangen. Der Festraum, die Halle, der Saal liegt gewöhnlich im Haupt-

geschosse des Herrenhauses und nimmt mit dem „Laube" genannten
Korridor fast die ganze Tiefe des Gebäudes ein Zahlreiche gekuppelte
Rundbogenfenster, deren Säulen und Archivolten auf das Reichste mit
plastischen Ornamenten geschmückt sind, spenden genügende Helle. Eine
mächtige breite Freitreppe führt zu diesem Geschosse aus dem Ehrenhof
empor. Der große Festsaal des Herrenhauses übertraf an Pracht und
Reichthum sämmtliche anderen Räume der Burg. In ihm versammelte
sich die edle Ritterschaft zu Gastmahl, Gelage, Tanz und Spiel. Sein
Boden bestand aus farbigen Steinfließen, die in einfachem, geometrischem
Muster aneinandergereiht waren. Oester noch wurden Fließen aus ge-
branntem Thon verwendet, die in nicht seltenen Fällen neben einer farbigen
Glasur ein eingegrabenes Ornament von Blumen, Thieren, Reitern, oder
auch stylisirten Pflanzenformen zeigten. Diese Glasur verlieh den Fließen
Eisesglätte, wodurch die Bewegung sehr gehindert wurde. Es kam
deshalb immer mehr der Gebrauch auf, den Boden mit reichen Teppichen
zu bedecken, die entweder orientalischer oder byzantinischer Provenienz
waren, oder deren Anfertigung der holden Weiblichkeit oblag. Unzählige
Male erwähnen die Dichter des Mittelalters der Teppiche, die dem Fuß-
boden das fröstelnde Aussehen und die Leere nahmen und ihm dafür
Behaglichkeit und Anmuth verliehen. Zahlreiche Citate der Dichter der
großen deutschen Literaturepochen, des Nibelungenliedes, des Parcival
und Titurel und anderer Dichtungen erwähnen des ausgiebigsten Gebrauchs
der Teppiche. So Parcival 627. 22:

„Im Saal wird nicht gegangen
„Als auf Teppichen heut."

Wo sich ein Sitz befand, war davor ein Teppich ausgebreitet:
„Je ein Gesellen trug ein Sitz,

„Die Plätze unterschied ein Schlitz.

„Davor ein Teppich silberhell." (Parcival 230.1)
Wird der Platz des Sitzes verändert, so macht diese Ortsveränderung
der Teppich mit:

„Des Wirthes Sohn, ein Knappe trug,

„Weiche Betten genug

„An die Wand, der Thür entgegen,

„Und ging dann einen Teppich legen:

„Da sollte sitzen Gawan." (Parcival 549. 23)
 
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