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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Böttcher, F.: Etwas von der Möbel-Fabrikation
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Werner, H.: Die Gewebe und deren Verzierung, [3]
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Die Teppich-Ausstellung im Kunstgewerbe-Museum zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0053

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Nr. 6.

Seite 45.

„Fachblatt für Innen-Dekoration".

und Gewohnheiten unserer Tage sich vertraut machend, für Menschen
von heute Möbel bauen, welche den Bedürfnissen derselben entsprechen.
Nur von einer schleunigen Umkehr verspricht Fourdinois Besserung der
herrschenden Uebelftände. —

Dieses bittere Urtheil, das hier über Frankreichs Möbelfabrikation
gefällt wird, gilt auch in den meisten Fällen für Deutschland und wohl
auch für Oesterreich. Da einestheils die gute, solide und schöne Arbeit
durch Vergebung derselben an den Mindestfordernden (sogar an den
Hofverwaltungen wird diese das Gewerbe schädigende Praxis geübt)
herabgekommen ist, anderntheils durch die Errichtung von Möbellagern
durch Händler, die den Gewerbetreibenden, welche die Arbeiten wirklich
ausführen, viel zu geringe Löhne bieten.

Doch noch eines Uebelstandes sei hier gedacht! Es gibt einen
Theil des vermögenden Publikums, welcher sich gern als Kunstfreund
und Kunstkenner ansehen läßt, seine Zimmer mit Möbel ausstattet,
welche als „alt" gekauft wurden und auch ein altes Ansehen haben,
vielleicht auch wurmstichig sind. In Wirklichkeit ist entweder das ganze
Möbel neu oder nur die Füllungen, die Polster oder der Aufsatz alt;
das Möbel ist eigentlich vollständig stil- und werthlos, ein zusammen-
genagelter alter Kasten, inwendig mit Papier, auswendig mit schlecht
geschnitzten Pylastern, Säulen, Füllungen beklebt. Das Ganze wird
dann mit Scheidewasser und Kasselerbraun behandelt und mit Draht-
bürsten abgebürstet, die Wurmlöcher werden mit Schrot (Vogeldunst)
hineingeschossen. Dann wird das Möbel vielleicht auch noch an einen
feuchten Ort gesetzt, um die „Patina" zu erlangen, und das „antike"
Möbel ist nun fertig, welches als „wirklich schön, echt und stilvoll" oft
zu kolossalen Preisen an Unkundige und Eingebildete abgegeben wird.

Es würde besser, viel besser sein, wollten alle Diejenigen, welche
die Mittel und die Lust besitze», sich schöne Möbel anzuschaffen, sich an
einen guten Tischler oder Bildhauer wenden, deren es doch genug gibt.
Hier würden sie besser und billiger bedient, und unterstützten zugleich
auch den strebsamen Geschäftsmann, den fleißigen und guten Arbeiter,
überhaupt das deutsche Kunsthandwerk!

Nie Uezipich-MussLellung
im Kunstgeweröe^ Museum M Berlin.

Lichthofe des Kunstgewerbe-Museums in Berlin sind gegenwärtig Teppiche
aus den letzten fünf, sechs Jahrhunderten ausgestellt, welche ein gutes Bild
dessen geben, was der unerschöpfliche Orient in dieser Zeit an mustergültigem Flächen-

(1679—1726) errichtete in München eine Seidenmanufaktur. Krefeld
und Elberfeld mit Barmen, welche ihre Seidenindustrien zur hohen
Entwickelung brachten, genießen auch heute noch den Ruhm, die Seiden-
stapelplätze Deutschlands zu sein. Der Absatz dieser Städte betrug 1872
200 Millionen Mark.

Zur gleichen Zeit wie in Deutschland begann auch die Seiden-
Jndustrie Oesterreichs sich zu entfalten. Von jeher hatte dieses
eine ganz erhebliche Textilindustrie, welche unter der Regierung Maria
Theresias und deren glücklichen Wirthschaftspolitik sich noch inehr zur
großen Bedeutung erhob. Italienische und französische Auswanderer
siedelten sich hier an und förderten die einheimische Industrie. In
späterer Zeit entstanden Niederlassungen in Wien und den Provinzen,
welche mächtige Einwirkung auf die Kultur der Seidenindustrie ausübten.
Die Firma PH. Haas L Söhne, welche schon seit Ende des vorigen
Jahrhunderts besteht, dürfte wohl den Ruhm genießen, die österreichische
Textilkunst außerordentlich gefördert zu haben. Die Firmen Giani,
Jsbarp, Ginzkey, Backhausen waren unermüdlich thätig, in ihren Er-
zeugnissen nur Vorzügliches zu schaffen, und somit beizutragen, der
Industrie Oesterreichs einen Weltruf zu verschaffen. Mächtigen Einfluß
übte das Museum für Kunst und Industrie seit seinem Bestände auf
die Gewebeerzeugung durch seine reichen Textilsammlungen aus. Die
Gründung der Kunstgewerbeschule in Wien, nebst der Errichtung von
Fachwebeschulen in den Provinzen waren mächtige Hebel zur Hebung
der österreichischen Webekunst. Großen Antheil an den Fortschritten
hat jedoch auch die in Wien bestehende Lehranstalt für Textilindustrie,
One Fachschule größten Umfanges, welche vom niederösterreichischen
Gewerbeverein als „Manufakturzeichnen- und Webeschule" gegründet,
durch umsichtige Leitung ihres jetzigen Direktors und erhebliche materielle

schmuck für Fiißbodenbclag und Wandbehang hcrvorgebracht hat. Die Leistungen
der europäischen Teppichmanufaktnr treten zu allen Zeiten so weit gegen den Orient
zurück, daß sie kaum in Betracht kommen. Wenn wir jetzt in Deutschland an einer
ganzen Anzahl von Orten die Teppichknüpserei blühen und mit den Produkten der
kleinasiatischen und persischen Hausarbeit erfolgreich wetteifern sehen, so befinden wir
uns doch noch immer in völliger Abhängigkeit von den orientalischen Mustern, an
denen wir uns bilden, die wir uns aber nicht einfach oder wenigstens nicht ohne
Wahl aneignen sollten. Wenn wir in unseren heutigen Wohnungen, deren Einrich-
tung wir für sehr „stilgemäß" halten, auf Teppichen, Thürvorhäng^!, Tisch- und
Sophadecken jene bunten zackigen Schnitzel mosaikartig ansgestreut finden, die, aus
ursprünglich sinnvollen Formen entwickelt, die Elemente der Musterung in vielen
orientalischen Teppichen bilden, so stellt dies unserem eigenen dekorativen Vermögen
ein wenig erfreuliches Armnthszeugniß ans, auch wenn die Gesammtwirknng dieser
Decken eine so volle, harmonische ist, wie man sie an einzelnen der ausgestellten
modernen deutschen Arbeiten anerkennen und bewundern muß. Ein Glück ist es,
daß wir noch davon abgekommen sind, selbst das Verschossene, Abgelaufene der alten
Teppiche als wahrhaft stilvoll nachzuahmcn. Es fehlt aber dem Orient keineswegs
an Mnsterlypen, deren Formgebung unserem Stilempfinden völlig angemessen ist; so
die wunderbar farbenprächtigen und ruhige» geometrischen Muster und diejenigen,
welche, bei feinerer Textur, ein zartes, flächenhaft stilisirtes Ranken-, Blatt- und
Blumenwerk vor uns ausbreiten. Diese schönen Teppiche stammen, wie das „B. T."
uns in einem vorliegenden Bericht über die Berliner Teppichausstcllnng ausführk, meist
aus dem 16. Jahrhundert, in welchen! sich Persien das mit Recht als der haupt-
sächliche, wenn auch keineswegs einzige Ilrsprnngsort jener kostbaren Arbeiten be-
zeichnet wird - wohl unter indischen! Einfluß im Flächenornamente einer freien
Stilisirnng voll zarten Schwunges und schönsten Gleichgewichtes znwandte. Aeltcre,
groß und prächtig angelegte persische Muster, deren Herstellung inan bis in das
14. Jahrhundert zurückverlegt, deuten noch auf eine Anlehnung an chinesische Vor-
bilder. Zwei Beispiele dieser Art finden wir in der Ausstellung; unverkennbar ist
der ostasiatischc Einfluß namentlich in dem einen dieser Muster, das gerade Linien
der schematischen Darstellung eines Baumes ähnlich anfbant und auf allen Zweigen
einen Pavillon in beständiger Wiederholung zeigt. In anderen Fällen begegnen
wir Anklängcn an bizarre Menschen- oder Thiergestalten, die ans den gleichen Ur-
sprung Hinweisen. Tie zeitliche Bestimmung der schönen Teppiche jener jüngeren
Periode, die in die abendländische Renaissance fällt, ist dadurch erleichtert, daß die
Maler des Cinquecento diese damals, wie zu allen Zeiten, ans dem Orient über
das ganze Abendland verbreiteten Prachtstücke als Beiwerk in ihren Gemälden be-
nutzt, insbesondere der Himmelskönigin als würdigste und kostbarste Bvdcndecke unter
die Füße gebreitet haben. So finden wir diese Teppiche bei Italienern, wie Raphael
und Ghirlandajo, bei Jan van Eyck und bei unserem Holbcin, der ein schönes Bei-
spiel in seiner Darmstädter Madonna und mit einer kleinen Abweichung in der
Dresdener Wiederholung des Bildes gibt.

Mit der charakteristischen Borde, die, ans knfsichen Schriftzeichcn entwickelt, eine
mäandrisch wirkende gebrochene Linienverschlingnng bildet, mit der geometrischen Theilung
der Fläche in Felder, die mit schönen Rosetten gefüllt sind, kennzeichnen sich die meisten
persischen Teppiche jener Periode. Unter den ausgestellten Arbeiten, welche den anderen
Typus der stilisirten Ranken und Blumen vertreten, ist das Schönste und Wirkungsvollste
ein auf seidene Kette geknüpfter Gebetteppich, der die Gebetsnische, ein wichtiges
Symbol des mohamcdanischen .Kultus, in einer Umrahmung überaus feinen und

Unterstützung dieses Vereins und des Staates sich zu jener Bedeutung
emporarbeitete, welche sie heute besitzt und woraus sie als die erste
Lehranstalt des Reiches in dieser Art gelten kann. Aehnliche Anstalten
besitzt Oesterreich noch in Reichenberg und Brünn, nebst vielen Fach-
webeschulen in den kleineren Jndustrieorten der Provinzen. — Deutsch-
lands größte Lehranstalt für die Textilkunst ist die Schule in Krefeld.
— Lyon in Frankreich ist wohl mit seiner Ecole de St. Pierre für
das Ausland an erster Stelle zu nennen; dieselbe besuchen jährlich bei-
läufig 1200 Schüler.

Lenken wir unsere Aufmerksamkeit nun auf die Gewebeverzierung
und verfolgen die Fortentwickelung derselben durch Jahrhunderte, so
gelangen wir zu der Ueberzeugung, daß sie im Laufe der Zeit mancherlei
Wandlungen unterworfen war.

Der Uebergang der Gothik in die Renaissance läßt sich darin
wahrnehmbar verfolgen. Die schon erwähnte Granatapfel-Verzierung
und damit geschaffene Flächenmuster in all' den Hunderten von Ver-
änderungen verlor am Beginne des 16. Jahrhunderts seine ausdrucksvolle
selbstänoige Form und die edle Wirkung, welche das damit verzierte
Gewebe erzielte, ging verloren. Die Pslanzenverzierung begann in
größerem Maße die Gewebe zu beherrschen, bis es sich um die Mitte
des 16. Jahrhunderts zu dem sogenannten Streublumenmuster
der Renaissance entwickelte, welches aus verschiedenen Blumen, Blättern
und Früchtenformen bestand und sich durch nahezu ein halbes Jahr-
hundert in der Hebung erhielt. (Fortsetzung folgt.)
 
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