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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Billige Möbel
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Seite 110.

Fachblatt für Innen-Dekoration".

Nr. 13.

Lllige

nter diesem Titel machte Hans Schliepmannn auf Veranlassung einer An-
frage aus dem Leserkreise der „Täglichen Rundschau" folgende beachtenswerthe
Mittheilungen, die vielleicht auch für unsere Leser von Interesse sein dürften:

Auf keinem Gebiete unseres Kunstgewerbes liegt die gesunde Entwickelung so
im Argen, wie bei der Möbelindustrie. Es ist ja anzuerkennen, daß LuxuShausrath
Preiswerth in der denkbar vorzüglichsten Ausführung zu haben ist und daß hier der
freilich sehr fragwürdige Modegeschmack des durch Reichthum Gelangweilten nach
jeder Richtung Befriedigung findet, daß die feinsten Ausschläge des Modezüngleins
genügen, um statt deutscher Renaissance Barock, statt dessen Rokoko, dann wieder
Empire und wer weiß, was noch kommen soll, hübsch und „stilecht" in die Markt-
schale zu werfen. Aber um den bürgerlichen Hausrath ist es spottschlecht bestellt und
nirgends trifft Reuleaux' Geißelhieb „Billig und schlecht" noch jetzt mehr zu, als
hier. Es muß Alles „nach was aussehen", und so werden die Luxusformen in
widerwärtigster Weise für Fabrikwaare zurechtgestutzt, die grünes Holz, versackte
Schubladen und Thüren, reißende und sich blähende Furnire, aber natürlich auch
karikirtes Schnitzwerk und Profile über Profile haben. Der tüchtige Tischler klagt
Jedem, der es hören will, daß solch'Schund verlangt würde, es müsse eben Alles
„modern" sein, die Konkurrenz drücke die Preise — kurz, das alte eckle Jammerlied!
Natürlich wohnt, wer solchen Hausrath erstehen muß, nach vier Jahren unter Ruinen,
und mit der schönen Modernität ist's obenein vorbei, denn man leimt und drechselt
und schnitzt schon wieder nach einer neuen Narrenschablone!

Der minder Bemittelte, das heißt die keimfähige Kraft der Nation, steht daher
bei der Errichtung eines Hausstandes von vornherein der Frage gegenüber, die nur
ein sehr günstiger Zufall lösen kann, wenn er bei der Auswahl einfacher gestalteter
Sachen bei guten Preisen wirklich an einen der wenigen noch soliden Meister gelangt.

Aber sollte es nicht
einen andern Weg geben,

Möbel billiger herzu-
stellen, als die klägliche

Furnier- und Profil-
leimerei über dünnen:

„Kiehn"holzS — Als
vor einigen Jahren das
Berliner Kunstgewerbe-
Museum einen Wettbe-
werb für billige Ge-
brauchsmöbel ausschrieb,
versuchte zum erstenmale
das deutsche Nadelholz,
sich ohne Verhüllung zur
Geltung zu bringen. Es
traten einzelne außer-
ordentlich schöne Lösungen
der Ausbildung von
Schreibtischen, Bettladen,

Stühlen usw. hervor;
aber die Anregung ist
doch fast ganz ohne
Nachfolge geblieben, und
zwar weil einerseits das
Meiste noch zu theuer
war und weil andererseits
sowohl die Stilfassuna, — ich denke an Otzen's wundervolle Entwürfe —
andererseits aber und vornehmlich die Helle Naturfarbe des Tannen- oder Fichten-
holzes sich nicht recht in den Allgemeinton unserer Zimmer einfügen wollten.

Dennoch scheint mir die furnierlose Verwendnng von heimischem Holze die
einzige mögliche Lösung der Frage billiger Möbel zu bieten, eine Lösung, die zugleich
geeignet ist, unser ertödtetes Stilgefühl wieder zu beleben.

Da unsere Nadelhölzer polirt einen Vergleich mit Eiche, Nußbaum oder an-
deren Luxushölzern doch nicht auszuhalten vermögen, so greise man zur Bemalung
und lasse die Farbe, das Einzige, was noch vollständig neuer Entwickelungen fähig
ist, auch in unseren Zimmern wie auf unseren Haussronten zur Macht gelangen.
Aber man mache das Neue nicht schlimmer als das Alte, indem man das Tannen-
holz durch dunkle Maserung in Nußbaum zu verwandeln sucht! Diese grundthörichte
Bepinselung, die bei unseren Zimmerthürcn noch immer nicht ganz verlassen ist, zeigt
recht, wie unfaßbar gedankenlos und stillos noch weiteste Kreise sind. Statt Anstrich
als Anstrich gelten zu lassen, aus ihm Motive für den Schmuck herzuleiten, muß,
um nur ja nicht von der alten Leier abzuweichen, ein r egelloscs Liniengeschmier uns
sagen: ich bin Maserung, aber nicht etwa richtige Maserung, nein, gemalte Maser-
ung, ganz etwas Künstliches! — Und da meint unsere Zeit, über das Rüpelspiel
im Sommernachtstraum behaglich-erhaben lächeln zu können!

Man wage nur einmal, das gewohnte Geleise grundsätzlich zu verlassen, werfe
alle Profile bei Seite, begnüge sich mit einfachen Rahmen und Füllungen für die
Flächen und beschränke sich für die Füße, Krönungen, Konsolen u. dgl. auf Säge-
arbeit und einfachstes Drechslerwerk. Diesen einfachsten Gebrauchsformen gebe man
aber dann Karakter durch die Bemalung.

Man muß hierbei nur ziclbewußt Vorgehen und alle Anklänge an das, was
sonst durch feine, verwickelte Tischlerarbeit erreicht wird, vermeiden. Ohne zu stutzen,
gebe man den kastenförmigen Theilen die einfachste glatte Form, indem man nur
etwa das Stirnbrett verlängert und nach irgend einer, die Bekrönung andeutenden

Linie aussägen läßt, ebenso wie man für Füße, beispielsweise Xförmige Tischfüße,
die einfache Plattenform wählt, der man nur durch den Reiz geschweifter Linien
nachhilft. Das rohe Aussehen ist sofort überwunden, wenn die Bemalung in ihre
Wirkung tritt. Man wähle dazu einen deckenden, dunklen, neutralen Ton, um in
der üblichen Farbenstimmung unserer Zimmer zu bleiben, und hebe das Geräth
durch aufgesetzte goldene Linien und Verzierungen. Gold möchte ich für nothwendig
halten, um den Mangel des Politurglanzes wieder auszuglcichcn, dessen reiches
Lichterspiel der Lack allein nicht zu ersetzen vermöchte. Zweckmäßig läßt man die
Spiegel der Füllungen im Naturtonc stehen, um auf denselben wieder dunkleres,
mehr oder minder reiches Flachornament anzubringen, und fügt durch farbige Um-
rahmungen dieser Spiegel, welche nach der Tapete abgestimmt sind, das Geräth noch»
inniger der Harmonie des ganzen Zimmers ein.

Nach einigen Versuchen, dre ich für mich selbst habe ausführen lassen, kann
ich getrost behaupten, daß derartige Möbel, weit entfernt davon, hinter den üblichen
zurückzustehen, reicher und vor allen Dingen unvergleichlich ursprünglicher wirken,
als jene. Jede Stilnarretei ist von vornherein durch die einfachen Grundformen,
welche auch eine strenge Behandlung des Schmuckwerkes erfordern, ausgeschlossen.

Wer der Vorbilder bedarf, halte sich an englische Muster, welche eine für
derartige Zwecke schon vorbereitete feinsinnige Abwandlung japanischer und chinesischer
Formen zeigen. Ich würde persönlich einer Verschmelzung von orientalischen mit
antiken Flachornamentformen zuneigen; doch bleibt hier eben dem Individuellen der
nothwendige weite Spielraum gelassen.

Zu beachten wäre noch, daß alle diejenigen Theile, welche häufiger Berührung
unterworfen sind, zweckmäßig nicht mit deckender Farbe gestrichen werden, die sich
abnutzen würde. Das ist aber kein Unglück, wenn man nur versteht, hieraus neue
Schmuckmotive abzuleiten. Für Sitze, Lehnen mag man auch statt der einfach ge-
tönten und lackirten Holzflächen Leder oder Stoffe oder lose Kissen, die reizvolle und
viel zu wenig geübte Polsterungsweise des Mittelalters, wählen. Uebrigens läßt

sich ein Anstrich minde-
stens ebenso leicht und
kaum theurer erneuern,
als die Politur furnirter
Möbel; auch sei bemerkt,
daß lackirter Oelfarben-
anstrich ein Waschen mit
guter Seife durchaus ver-
trägt.

Abbildung Nr. 57. Wemsller Tisch und Stuhl für ein Arbeitszimmer.

Ausführung gedacht in Tannen- oder Ahornholz, dessen Füllungen alsdann in altdeutscher Manier mit Ornamenten bemalt werden.

Der Grundton der Malerei kann auch Gold sein.

Wücherfchan?)

Das elegante Wohn-
kans. Eine Anleitung,
Mohnhäuser Außen und
Innen mit Geschmack zu
erbauen und auszustatten^
Herausgegeben von
Lothar Abel, Archi-
tekt, Ritter rc. mit 22S-
,Abbildungen. Preis geh.
fl. 4.40 Kr. -- Mk. 8.—.
Eleg. gebunden fl. 5.5E
-- Mk. 10.—. A. Hart-
lebens Verlag in Wien,
Pest und Leipzig.

Es könnte fast wie
Ironie klingen, wenu
man bei Besprechung
über die fast täglich er-
scheinenden literarischen Neuheiten auf allen Gebieten der Kunst und Wissen-
schaft liest, daß mit Diesem oder Jenem einem dringenden Bedürfniß abgeholfen sei.
— Und doch ist Letzteres sehr häufig der Fall — denn wie sehr auch ein Autor
seinen Stoff auf das eingehendste behandelt, immer wird er die eine oder andere
Seite mehr oder weniger in Betracht ziehen und immer wieder wird ein anderer
denkender und praktischer Fachmann Gesichtspunkte finden, die einer spezielleren Be-
arbeitung würdig und einer Veröffentlichung Werth sind. — So im vorliegenden
Falle. — Welche unzählige Werke sind schon über Baukunst, Bauwissenschaft rc. ge-
schrieben worden, aber alle sind sie vorzugsweise doch für den Fachmann, für dem
Architekten oder als Leitfaden für diejenigen, welche sich diesem Studium widmen
wollen, bestimmt. Es ist deßhalb gar keine undankbare Aufgabe, die sich der Ver-
fasser des obigen Werkes gestellt hat, daß er eine Anleitung zum Bau und»
zur Einrichtung eines eleganten Praktischen Wohnh auses nicht nur
für Architekten und Baumeister allein, die ja alle konstruktiven Gesetze und ästhetischen
Anforderungen kennen sollen, geschrieben, sondern solche vornehmlich für den Laien,
bezw. den Bauherrn, bestimmt hat, um diesem Aufklärung zu geben und ihn zu
befähigen, bei dem Bau seines Wohnhauses mitzuwirken.

In leichtfaßlicher Darstellung, ohne jeden wissenschaftlichen Wortschwall, werden»
die ästhetischen Gesetze und konstruktiven Theile besprochen; der Einteilung der
Grundrisse, dem Aufbau der Fa^ade, der Zimmereintheilung, den Thüren, Fenstern.
Stiegen, dem Fußboden, der Wand und dem Plafond sind je eingehende Abschnitte
gewidmet und, was von großem Vortheil ist, die Mißverhältnisse aller einzelnen
Theile sind in leichtverständlicher Weise für größere oder kleinere Baulichkeiten an-
gegeben. In Folge dessen aber eignet sich das Buch nicht nur für den Laien im
engeren Sinne, sondern es wird auch ein sehr willkommener Rathgeber
sein für die große Anzahl derjenigen Banmeister und Maurermeister,
welche selbständig Bauten aufführen, denen aber die akademische Vorbildung fehlt und
welchen der Architekt nicht immer zur Seite steht. Diesen können wir das Werk nur
warm empfehlen, besonders da die zahlreichen, gutgewählten Illustrationen sehr viel
zum Verständniß beitragen. Die Stylrichtung ist Renaissance. L.

Alle unter dieser Rubrik besprochenen Fachwerke können zum gleichen Preise auch durch
die Geschäftsstelle des „Fachblatt für Jnnen-Dekoration" jederzeit bezogen werden.)

Die Heutige Auflage öeträgt wiederum IZ.SSS -Zikemxlare.

Schrift-Leitung: Alexander Koch — für den Inhalt verantwortlich: Lar! Koch — Druck von H. H oh mann — sämmtlich in Darmstadt.
 
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