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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Ueber Innen-Dekoration im Allgemeinen
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Moderne Möbel, [2]
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Behr, Carl: Ueber Dekoration und Möblirung unserer Wohnungen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0020

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Seite 12.

„Fachblatt für ^nnen-Dckaration".

77,-

cr.


zur maschinellen Arbeitskraft herab. Es fragt sich nur, ob der Fort-
schritt eben nicht anders, als nur auf Kosten des Aesthetischen, des
Schönen, bezw. des Geschmackes erzielt werden kann?

Der eigentliche Kernfehler des Nebels ist der Umstand, daß unser
Gewerbsmann — im Gegensätze zum ausländischen Erzeuger den
Fortschritt betreffend, auf sich selbst angewiesen ist. Theoretische Unter-
weisung fehlt fast ganz, die Praxis erstreckt sich zumeist auf die Lehr-
jahre, und der Meister hat fast in allen Fällen einen begrenzten
Wirkungskreis. In denn Augenblicke, wo es sich nun darum handelt,
GleichwerthigeS zu schaffen, wo verschiedene Gewerbe Hand in Hand
ein einheitliches Ganzes wie eine Innen - Ausschmückung schaffen
sollen, fehlt dem Gewcrbsmanne das Bewußtsein, ans welchem Gebiete
seine Erzeugnisse herrschen, auf welcher Grundlage dieselben anderen
Gegenständen unterjocht werden müssen. Jeder ist nur für seinen
Antheil an der Wohnungseinrichtung bedacht, und die Harmonie der Farbe»,
des Stils, der Zusammenstellung, der Anfertigung, der Verwendung,
der Anbringung und des plastischen Eindruckes gehen verloren.

Das Traurigste an der Sache aber ist, daß der Gewerbsmann
dies sehr gut weiß, es jedoch selbst verhindert, daß endlich eine neue
Aera in der Art der Innen - Dekoration Hereinbrechen möge. Was
würden die Gewerbetreibenden, wie Tischler, Tapezirer, Maler, Schlosser,
Installateure usw. sagen, wen» die Wohnungseinrichtungen dem Deko-
rateur übertragen würden, derselbe bei den einzelnen Gewerbetreibenden
bestellen würde, was und wie er es benöthigt, und dann darüber nach
eigenem Ermessen verfügte? Vor Allem wird es nur wenig Leute geben,
die den Gewerbetreibenden ihre Arbeit bezahlen, bevor die Auftraggeber
dieselben übernommen haben. Andererseits verhalten sich die Gewerbe-
treibenden diesem Dekorateur gegenüber —wir meinen nicht die Personen,
sondern die Sache feindlich. Jeder meint, derselbe habe ihm ein
„Geschäft" aus der Hand genommen, und stellt daher so außergewöhn-
liche Forderungen, daß eine ähnliche Art der Wohnungseinrichtung,
die der Innen - Dekoration wieder zu Ehren und Würden verhelfen
könnte, in seltenen Fällen nur durchführbar ist.

Der Gewerbetreibende sieht zu sehr ans die g e s ch östliche Seite,
wenn es gemeinsames Vorgehen gilt; die Prinzipien künstlerischer
Einheit und Zusammengehörigkeit, der Würde der
G e s a in m t b r a n ch e n erleiden hierdurch S ch iffb rnch. Wir
stellten uns die Aufgabe, ein Bindeglied zwischen den einzelnen an der
Jnnen-Dekoration betheiligten Gewerben zu sein, und hoffen, hierdurch
auch im Verhältnis;, in welchen; wir zu unser»; Leserkreise stehen, zur
je sicheren Beseitigung des erwähnten llebelstandes beitragen zu könne;;.

Wir werden auf die hierbei berührten Geschäftszweige einzeln zurückkommen
und sachlich klarlegen, in welche»; Verhältnis; der einzelne Gewerbszweig
zu den übrigen, zur Jnnen-Dekoration gehörigen Gewerben steh;.

Moderne Möbel.

(Schluß).

MUin im folgenden Jahre vom Alto na er Gewerbeverein ver-
anstalteter Wettbewerb gleicher Art verlangte nur die Zeichnungen;
auch hier war die Betheiligung eine lebhafte: das Wohnzimmer, welches
in der Ausführung 700 Mark kosten durfte, fand 14 Lösungen, für ein
Schlafzimmer zu 450 Mark gingen 10, für ein solches zu 250 Mark
gingen 5 Entwürfe ein. Auch die Konkurrenz, welche der Kunstgewerbe-
vcrein Halle a. S. für die „einzige Stube einer Handwerkerfamilie"
zum Herstellungspreis von 350 Mark ansschrieb, fand 10 Lösungen,
die sämmtlich auf künstlerische Durchführung trotz des äußerst be-
scheidenen Preises Anspruch machen konnten ; da die Jur;; sehr scharf
prüfte, wurden vier Lösungen wegen Ueberschreitung der vorgeschriebenen
Summe außer Konkurrenz gesetzt, trotzdem aber die fünf ausgesetzten
Preise vertheilt. Etwas höher hatte im folgenden Jahre (1884) der
Badische K u nstge w e rbeverei n in Karlsruhe den Geldwerth für
ein als Eß- und Wohnzimmer dienendes Mobiliar mit 1000 Mark
beinessen. Einundzwanzig Lösungen belohnten dies Unternehmen. Da-
gegen war es der Stadtvertretung von Berlin Vorbehalten,
in einer in; gleichen Jahre ausgeschriebenen Konkurrenz die niedrigste
noch mögliche Grenze der Herstellungskosten zu erreichen: die Wohnung
eines kleinen Handwerkers, aus Stube, Kammer und Küche bestehend,
sollte für zusammen 500 Mark möblirt werden. Trotz des Protestes,
den der Berliner Verein für deutsches Kunstgewerbe hiergegen erlassen
zu müssen glaubte, fand diese Konkurrenz dennoch eine starke Betheili-
gung und verlief keineswegs resnltatloS.

Wer sich eingehender für die hier flüchtig aufgezählten Konkurrenzen
interessirt, findet die Namen der preisgekrönten Firmen und die Ab-
bildungen von mehreren der besten Arbeiten im 1. und 2. Bande der
„Jllustrirten Schreiner-Zeitung" (Stuttgart, Spemann). Es sei ge-
stattet, hier noch den Schluß eines diese Frage behandelnden Aufsatzes
aus dem genannten Blatte (Band II, Heft 8) anzuführen: „Wenn wir
zun; Schluß die Frage aufwersen wollen, inwieweit diese ersten Versuche
ihrem Zweck: dem kleinen Bürger den Geschmack an schönen und billigen
Ausstattungsstücken zu wecken, in Wirklichkeit erreicht haben, so müssen

unö

mMirung unserer Wal) mm gen.

Von Carl Vehr.

I. Oie üblichen Ltilarten der Gegenwart.

(Fortsetzung.)

o<^stubliknm selber behandelte den Stil als M'odesnche und der Ans-
spruch: „Ach, das ist ja schon so oft dagewesen, missen
Sie mir nicht s g a n z Neues?" wird vom Dekorateur und Möbel-
fabrikanten nicht selten gehört.

So werden denn heute alle mögliche» Epochen ans Tageslicht
gezogen und manche Stilbenennung taucht auf, welche selbst den; rin-
ge ;v e i h t e n Fachmanne nicht ganz geläufig ist. Den; Rokoko schließen
sich an der Stil Louis XV. und das Rocaille und wenn auch
der ausführende Künstler oft gar nicht ganz klar darüber ist, durch was
sich eigentlich diese Abarten unterscheiden, so trügt doch schon der un-
gewohntere Name dazu bei, seine Erzeugnisse den; großen Publikum als
etwas Neues, Interessanteres besonders zu empfehlen. Andere haben
diese ganze Stilepoche überhaupt schon abgethan, sie sind bereits beim
Louis XVI. oder gar beim Empire angelangt und thun sich etwas
besonderes darauf zu Gute, auch die Spielarten dieser Zeit zu kennen
und sie besonders zu empfehlen.

Es fragt sich nun, ob in der Gegenwart die Möglichkeit einer
einheitlichen Bestrebung nicht ganz ausgeschlossen ist, ob diese
Mannigfaltigkeit nicht ein Zeichen unserer Zeit ist und ob es nicht deß-
halb ein nutzloses Bestreben genannt werden muß, einen einheitlichen

Stil zn verlangen. Den; schließt sich wohl die Frage an: gibt
es in anderen Ländern einen modernen einheitlichen
Stil? Haben andere Völker heute eine ganz spezielle
der Zeit und ihren Eigenheiten Rechnung tragende Rich-
tung? Und diese Fragen müssen entschieden bejaht werden.
Wenn auch in Frankreich und Oesterreich ähnliche Zustände herrschen
wie bei uns, die Engländer und Amerikaner erfreuen sich dieses einheit-
lichen Geschmackes. Die ersteren haben seit Jahrhunderten eine aus-
gesprochene englische Art, welche wir in ihrer heutigen Beschaffenheit im
Allgemeinen „E nglisch - got h isch" nennen. Diese Geschmacksrichtung
ist viel belobt, von vielen andern Völkern nachgeahmt worden und
hat auch viel Empfehlendes für sich. Vor allen Dingen das, daß sie
ihre Holzarbeiten in konstruktiver Weise ausbildet uud den Schmuck
dieser Produkte der Konstruktion unterordnet. Sie vermeidet die Palast-
fatzaden an ihren Möbeln und gibt denselben eine mehr natürliche und
logische Ausbildung. Der Engländer, welcher sein Haus, sein Hein;
sehr hoch hält, läßt keine fremden Elemente darin zu, er ist und bleibt
Engländer und konservativ dem, was ihn; angeerbt ist. Trotzdem sind
ihm alle neuen Erfindungen willkommen und da die Ausstattung seines
Hauses nicht wie bei uns immer von Neue»;, von allen möglichen
hereingetragenen Geschmacksarten umgeworsen wird, so entwickelt sich
der englische Stil unter Berücksichtigung aller Errungenschaften der Neu-
zeit in der natürlichsten und einfachsten Art. Dadurch aber, daß er sich
stetig entwickelt, ist dieser Stil auch ein entschieden moderner, wenn er
auch mit seinen Motiven in früheren Jahrhunderten wurzelt und wenn
er auch für deutsche Begriffe etwas philiströs, gradlienig und mager
erscheint. Besonders anheimeln wird diese Richtung jeden deshalb, weil
dieselbe einen a u s g e s p r o ch e n e » C harakt e r hat, mit eine»; Worte
 
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