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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Fischbach, Fr.: Ueber Teppiche, [2]
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Bötticher, Georg: Entsprechen unsere Tapetenmuster den Anforderungen, die man an Wandmuster stellen soll?, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0022

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Seite 14.

„)fachblatt für Fnnen-Dekoration".

Kr.


was sie geistig bewegt. Das ist der „Stil" im höheren Sinne. Der
orientalische Teppichstil darf also nicht sich so vordrüngen, das; er den
Stempel des Asiatenthums unseren Wohnungen verleiht. Das wäre
eine Kunstbarbarei, die im schreiendsten Widerspruch zu unserer Kultur
steht. — Man glaube nicht, das; der Teufel nur an die Wand gemalt
wird und daß lediglich in der Phantasie solche Gefahren besteben, (rin
Beispiel genüge: Ich fand jüngst bei einem hochgebildeten renommirten
Künstler sämmtliche Wohuräume mit herrlichen acht persischen Teppichen
geschmückt. Nicht nur die Fußböden, sondern auch die Tische, Betten
und sammtliche Wandflächen und Möbel waren mit Teppichen bedeckt.
Die Statuen und Bilder verschwanden in „dieser" Pracht. Ich war
erfreut, ein Museum der reizendsten Teppichmuster zu finden, mußte
aber leider bemerken, das; kein Bild und keine Statue zur Geltung kam.
Zudem war das licht durch die schweren Teppich-Borhänge zu sehr
gedämpft. Das; der Teppichstaub die Lust verdirbt, sei nebenbei bemerkt.

Waren vor 40 Jahren zu wenig Teppichmotive bei uns zu finde»,
so möge es nicht später heißen, das; wir aus einem Ertrem ins andere
gefallen seien. „Beherrschen" wir als Künstler das Material, das immer
reichhaltiger ans dein Esten uns zuströmt. Unsere Aufgabe ist, die
Teppiche von folgenden Gesichtspunkten aus kennen zu lernen: Wir
unterscheiden nach dem Zweck Teppiche zur Bedeckung des Bodens, der
Wände (Ieltteppiche und Velarien) und der Geräthe (Tisch-, Stuhl- und
Bettteppiche). Teppiche wurden als Decken für Reisende, Todte und
für Kultuszwecke (Altar- und Gebetteppiche) gearbeitet. Die Material-
fragen und die der Technik des Webens, Wirkens, der Stickerei und die
des Färbens sind höchst wichtige. Die historisch-merkwürdigen Symbole
der peruanischen, ägyptischen, sarazenischen und abendländischen Teppiche
bilden ein interessantes Kapitel der ältesten Knltnrentwickelung.

Schließlich erwarten die geehrten Leser auch die Beleuchtung der
modernen Teppichindustrie, die so energisch sich entwickelt hat, das; selbst
der Mikado von Japan jüngst in Deutschland Bestellungen machte.
Wie die Knüpsteppiche (in Schmiedeberg, Wurzen, Cottbus, Hannover,
Hanau, Reichenberg i. B., in Wien rc., wie die großen Jacquardwebereien
in Barmen, Berlin, Düren w. und die schottischen und Druckteppichc w. ec.)
floriren, das Alles gehört in den Nahmen einer umfassenden Teppichstudie.

Möge von vielen Seiten gut gesichtetes Material beigesteuerk
werden!

Entsprechen nnsere Napetenmnster den
Mnsordernttgen, die man an Mandmnster

stellen soll?

Von Georg Bötticher..

(Fonstouriq.)

zllLDer heutigen Tags die Musterkarten auch der ^größten deutschen
AHd- Tapetenfabrik durchblättert (iu Frankreich ist es nicht besser, wie
gleich, .bemerkt werden soll), der wird sich sagen müssen, daß die Hälfte,
vielleicht zwei Drittheile all der Muster alles Andere, nur keine Wand-
muster sind.

('' Man findet da: spinnwebzarte Spitzenmusterchen, die Gott weiß
welchen weiblichen Kleidungsstücken entlehnt, aus der Wand bei einem
Schritt Entfernung für den Blick zu einem Brei zusammenfließen;
Cretonnesmuster mit Blumen fabelhafter Größe, die unheimlich die
Aufmerksamkeit des Beschauers beanspruchen und Alles rings um sich
todt machen; Imitationen buntester Seidenstoffe von einer Farbenpracht,
auf der ein „Makart" verblassen müßte; wildbewegte, nach allen
Richtungen fortlaufende, krabbelnde und kriechende Möbelstoffmuster, die
für die Falte komponirt, auf Stühlen und Sophas recht gut wirken
würden, nun aber, glatt gespannt, durch harte schwarze Flecken beleidigen
und unser» Blick wie mit Folterinstrumenten bald hier, bald dort Hin-
reißen ; und endlich eine Unzahl Muster, die in keine Klasse einzu-
reihen sind, Wechselbälge der Fantasie, die alles Erdenkliche, nur niemals
einen wohlthuenden Hintergrund für Bilder, Spiegel, Vasen und der-
gleichen abzugeben im Stande sind.

Fragt man, wer solche Muster eigentlich in's Zimmer nimmt, so
wird selbst der Fabrikant um eine Antwort verlegen sei». Mieths-
wohnungen ordinärer Geldprotzen, Häuser der wohlhabenden Bauern,
Tingel-Tangel und 50 Pfennig-Bazare werden wohl der Schauplatz
dieser Entsetzlichkeiten sein, die oft die gangbarsten Muster der Karte sind.

Wieviel solcher unmöglicher Muster jebe Fabrik zu bringen ge-
nöthigt ist oder zu sein vorgiebt, wirb offenbar, wenn der Fabrikant
sich selbst ein Zimmer tapezieren lassen will. Denn dann erst stellt sich
die Schwierigkeit: ein dem Auge wohlthuendes Muster zu finden, in
erschreckender Klarheit heraus.

Bla» macht sehr oft die jeweilige Stilrichtung (in unseren Tagen
das Barocke und Rokoko) für diese Monstra von Mustern verantwortlich.
Mit gar keiner Berechtigung.

In jeder Stilart lassen sich ruhige und unruhige, harmonisch-
getönte und knallbunte, zarte und kräftige Muster Herstellen. Dies hängt
ganz allein von dein Verständnis; und mehr oder minder geläuterten
Geschmack des Verfertigers ab und hat nichts mit den Eigenheiten des
bezüglichen Stils zu thun. Zudem ist das Verlange» unserer Zeit
keineswegs auf archäologisch-treue Wiedergabe der alten Stilarten
gerichtet;' sie wühlt nur nach de» Gesetzen des Wechselbednrfnisseü bald
diesen, bald jenen Stil zur Erneuerung und Auffrischung der Ver-
zieruugsformen, sucht aber Formen wie Farben den jeweiligen Wünschen
und Bedürfnissen anznpassen. Das jetzt beliebte Rokoko ist nicht bas
Rokoko Ludwigs des Fünfzehnten, und soll und will es gar nicht sein.
Es ist einfach und in diesem Sinne wird es sich noch lange Zeit
halten eine Entlastung der allzuschweren Formen der Renaissance,
eine freiere Entfaltung und Bereicherung der dekorativen Wirkungen
dieses Stils, welche das fortschreitende Verzierungsbedürfniß ganz
natürlicherweise fordert. Aus gleichen oder doch ähnlichen Gründen
steht nnsere Zeit den fantastischen, malerischen Formen der japanischen
und chinesischen Kunst gegenüber und sucht die Art der künstlerischen
Auffassung dieser Völkerschaftei; zu erklären und sich nutzbar zu machen.

Aengstliche Gemüther und Schulmeister, welche die „griechische
Krankheit" haben, wollen aus diese» Erscheinungen den Verderb unserer
Zeit in künstlerischen Dingen ableiten. Sie bedenken aber nicht, daß
zu allen Zeiten die Künstler fremde Stilweisen sich aneigneten, das;
selbst ein Albrecht Dürer (dem sie eine gewisse Unverdorbenheit nicht
abzusprechen wagen) in seiner kunstgewerblichen Thätigkeit Muster bald
in dieser, bald in jener Art, „flandrisch", „italisch" und „türkisch"
zu entwerfen sich erlaubte und daß er vermuthlich keinen Augenblick .
angestanden haben würde, auch solche in „Rokoko" auzufcrtigeu, wenn
dieser „Verfallsstil" bereits damals bestanden hätte. Denn Albrecht Dürer
verstand, wie jeder tüchtige Künstler, aus jeder „Manier" etwas Gutes
zu machen und die Auffassung der Form, nicht etwa die Form
selbst bedingt eben den künstlerischen Werth und ist das Entscheidende
in der verzierenden, wie in jeder Kunst.

Also der Wechsel der Stilrichtungen braucht im Kunstgewerbe und
speziell auf dem Gebiete der Tapetenfabrikation Niemand zu erschrecken.
Wenn Zeichner und Fabrikanten sich nur immer vergegenwärtigen,
welche Stellen eigentlich ein Tapetenmuster ansznüben hat, so wird
es bei jeder Art Stil, bei Rokoko und Barock, japanischer, orientalischer
und amerikanischer, ja selbst bei sogenannter naturalistischer Verzierungs-
weise gut um unsere Wandbekleidungen stehen, denn eben die June-
Haltung dieser einfachen Gesetze, die jeder verstehen lernen kann, genügt
bei einigermaßen geläutertem Geschmack, „stilvolles" im eigentlichen
Sinne des Worts zu erzeuge;;. Man sorge nur dafür, daß - nach
und nach — (denn dies mit einmal zu verlangen, wäre Thorheit)
das unruhige, in Form und Farbe, Aufbau und Behand-
lung nicht als Hintergrund sich eignende Tapeten-
muster verschwinde und dem echten Wand must er Platz
mache, das ja, ohne diese hauptsächlichsten, wichtigsten Eigenschaften
einbüßen zu müssen, eine unendliche Mannigfaltigkeit in der Behand-
lung, der Formen- und Farbengebung zuläßt. Jede Stilart, jede
Formenweise, auch die englische Verzierungsart, die den; Papier
seinen Karakter als solches gewahrt wissen null und unsere „stoffliche
Bchandlungsweise" verwirft, Alles soll uns willkommen sein, wenn nur
die Hauptbedingungen, die man an ein Wandmuster stellen soll, er-
füllt sind.

(Schlup folgt.)
 
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