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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Wie bilden wir unsere Fachleute?
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Werner, H.: Die Gewebe und deren Verzierung, [1]
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Töpfer, August: Ueber Bauernmöbel, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0037

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Nr. 4.

Fachblatt für Jnnen-Dekoration".

Seite 29.

Zweifellos wurde eine solche Anstalt Leute bilden, die, im praktischen
Leben stehend, dem Gebiete der Jnnen-Dekoration große Dienste leisten
könnten, seien sie in Fabriken oder großen Dekorations-Geschäften thätig.
Vielleicht ist es diesem Blatte, welches ja das erste geistige Band unter allen
Betheiligten der Jnnen-Dekoration anknüpft, vergönnt, noch weiter zur
Förderung und Verbreitung dieser Idee beizutragen, bis es gelingt,
derselben eine festere Form zu geben. Als Ort für eine solche Anstalt
wäre wohl am geeignetsten ein solcher, der ein Kunstgewerbemuseum
aufzuweisen hat. -4.X.

Llever Baurvnmöörl.

Von August Töpfer
Direktor des Gewerbe-Museums in Bremen.

tH^ie gedankenlos Verirrungen des Geschmacks sortgepflanzt und
nachgeahmt werden, kann man vielfach an den Möbeln unserer
Wohnung bemerken, bei welchen trotz des so vielfach und mit Recht ge-
rühmten Aufschwunges unseres Kunsthandwerks, des Sinnes für stilge-
rechte Einrichtung auch des mittleren und kleineren Haushalts sich künst-
lerische Unsitten beibehalten haben, die ihre Entstehung dem Verfalle der
Kunst, deren Loslösung von Stoff und Zweck und jener betrübenden
Nüchternheit und Armseligkeit verdanken, wodurch die Zeit unserer Vor-
eltern bis in die Mitte unseres Jahrhunderts sich in Formen und Farben
auszeichnete.

Der Grundzug solcher Geschmacksverirrungen besteht in der Ver-
wendung des Scheins gegenüber der Wahrheit. Nachdem man in der
Architektur und dem mit derselben auf das Innigste verbundenen Kunst-
handwerk angefangen hat, tragende und stützende Theile in mannigfach
bewegten Formen zu bilden, den Zweck durch die Form zu verleugnen,
die Säulen wie Taue zu winden, die Flächen und Beine der Möbel zu
krümmen, Verdachungen zu durchschneiden, erschemt es nur als eine
natürliche Folge, auch das Material zu verleugnen, Holz wie Metall
oder glasirten Thon zu behandeln und endlich unserer Bauweise wie
unserer Hauseinrichtung mehr und mehr den Charakter der Coulisse zu
verschaffen.

Die Sucht, mehr zu scheinen als man ist, bildet auch noch heute
die Signatur der Zeit und gibt sich in unserer ganzen Umgebung zu
erkennen. Der Simili-Diamant und das papierene Leder, der wie
Nußbaum oder Palisander gemalte Kassenschrank aus Eisen, die furnirten
Tannenholzmöbel passen zu jenen reichen „stilvollen" Schränken, welche
nur eine Fa^ade von Palastarchitektur, aber kahle Seitenwände und eine

staltet sich die Wirkung der damit gewebten Stoffe zu den schönsten
und reichsten der Tertilkunst.

Die Verwendung von Goldfäden bei Seidengewebe kannte man
schon im Alterthume und berichten Schriftsteller jener Zeit von gold-
durchwirkten Stoffen und Teppichen.

Aus dem Mittelalter haben wir die herrlichsten Brokate, mit Gold-
fäden im Gewebe und auch die moderne Textilkunst brachte, nachdem
man die Herstellung, dieser Fäden durch wissenschaftliche und technische
Forschungen ergründete, vorzügliche Arbeiten in dieser Art.

Sind diese Goldfäden in Verbindung mit Seide und anderem
Materiale geeignet, die effektvollsten und kostbarsten Gewebe zu bilden,
so ist die Farbe und die Färbung des Materiales, oder der fertigen
Gewebe von ungleich größerer Bedeutung für die gesammte Webekunst.

Das Färben der Faden oder des ganzen Gewebes ist sowohl in
Bezug auf die dekorative Wirkung, als auch auf die Dauerhaftigkeit
von großem Einfluß, und wußte man dieses schon im Alterthume Wohl
zu beachten.

Die rothe Farbe, der Purpur, stand im höchsten Ansehen, nicht
allein deswegen, weil er die kostbarste Farbe war, sondern weil er zu
jener Zeit nur den Staatsoberhäuptern zu tragen gestattet war. Die
Herstellung dieser Farbe geschah vermittelst Eindampfen einer Art
Meerschnecke (Purpurschnecke). Die Kenntniß dieses Verfahrens hatte
sich im Laufe der Jahrhunderte ganz verloren, wozu vielfache Verbote
unter den byzantinischen Herrschern beitrugen. Was man später zur
Erzeugung eines Purpurs zu verwenden begann, war die Kermes-
Schildlaus, und nach Entdeckung Amerikas der Cochenille. In Frankreich
wurde auch aus einer Pflanzenwurzel ein Roth (Krapproth) zu erzeugen
begonnen. In der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts entdeckte man

Rückseite von kaum abgehobelten Tannenholzbrettern haben, oder zu den
Stühlen mit reich geschnitzten Vorderbeinen und Rücklehne, während die
Hinterbeine in ihrer kahlen Dürftigkeit den größten Gegensatz zu ihren
bevorzugten Brüdern bilden.

I. Bauernstuhl aus der Mustersammlung des Gewerbe-Museums zu Bremen.

Weniger als bei den zivilisirten Völkern und den sogenannten
„gebildeten" Klassen macht sich solche Geschmacklosigkeit und Verachtung
der stilistischen Gesetze bei Naturvölkern und aus dem Lande geltend.
Wo noch nationale Industrie und der konservative Sinn des Bauern
von den Einflüssen der Mode und deren rastlosen Veränderungen nach
Möglichkeit verschont blieb, hat sich auch eine gesundere Kunstthätigkeit
erhalten, die — obgleich bescheiden in ihrem Auftreten - doch beinahe
immer den naturgemäßen Anforderungen von Material und Technik
entspricht. Wenn auch der Bauer, wo er in Verbindung mit den ver-
feinerten Städtern tritt, nur zu gerne geneigt ist, in Tracht und Sitten
den letzteren nachzuahmen, --- zu den modernen Aenderungen seines
dauernden Besitzes, seines Hauses und dessen Einrichtung entschließt er
sich nur schwer, und wenn er es dennoch etwa in den Möbeln und der
übrigen Zimmerausstattung unternimmt, so bleibt solche Modernisirung

die Farben aus Steinkohlentheer, wodurch die meisten der älteren Farb-
mitteln verdrängt wurden.

Die zahlreichen Abstufungen und Verbindungen der Farbentöne
kommen jedoch hauptsächlich erst durch die Verzierungen zur richtigen
Wirkung. Diese Verzierung oder Ornamentik der Gewebe kann die
mannigfaltigste sein. Das große Gebiet der Figuren, von den be-
scheidensten geometrischen Formen ausgehend, erstreckt sich über alle
Erscheinungen der Pflanzen- und Thierwelt und wendet diese entweder
in natürlicher oder stilisirter Art an, auch die menschliche Figur in ihren
Wirkungskreis hineinziehend, uni so eine unendlich reiche Abwechslung
in Darstellungen schaffen zu können.

Die Beschaffenheit der Textilien, sowie deren Material, stellt indeß
an die Art der Verzierung besondere Ansprüche, welche für sie in Be-
rücksichtigung gezogen werden sollten; im Verlaufe der verschiedenen
Zeitperioden jedoch nicht immer zur Beachtung gelangten, ja zu gewissen
Zeiten blieben Gesetz und Stil der Gewebe-Ornamentik gänzlich un-
berücksichtigt.

Das Ornament im Gewebe, soll es allen Bedingungen des Materials
entsprechen, muß Flächen-Ornament sein. Die naturalistische Darstellung
eines Körpers mit Licht und Schatten darf hier nicht angewendet werden.
Anderseits ist auch zu beachten, daß schwere dichte Stoffe eine kräftigere,
gedrängtere Musterung erhalten sollen, als leichte, lockere Stoffe, und
ebenso ist auch das gleiche Prinzip in der Farbengebung im Auge zu
behalten, indem man die elfteren in kräftigen, satten Tönen kolorirt,
während die letzteren zarte, duftige Kolorits verlangen.

(Fortsetzung folgt.)
 
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