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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Die Wohnungen als Krankheitsherde, [2]
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Nr. 15.

Fachblatt für ^nnen-Dekoration".

Seite 127.

^Eohnungen als AvankyeLLstzerLe.

(Schluß.)

ler alte Schmutz wird möglichst geschont, sollte er zu dick geworden sein, ober-
°flächlich übertüncht, wobei das Hauptgewicht darauf gelegt wird, daß es wieder
»ein bissel sauber ausschaut" und ja nicht zu viel kostet. — Ob die Wände mit den
Keimstoffen der Schwindsucht und die Fugen des Fußbodens mit dem Speichel
Tuberkulöser infizirt sind, daran wird nicht gedacht.

Es läßt den Hausbesitzer auch ganz gleichgültig, ist doch er es nicht, welcher
in die Wohnung zieht und bei ihm sind die Fußböden gestrichen oder gebohnt und
herrscht eine Reinlichkeit, welche der Miether sich oftmals nicht bieten kann.

In Wohnungen, welche von vielen Parteien bewohnt waren und noch keiner
gründlichen Erneuer-
ung unterzogen wur-
den, sind fast immer
Krankheitskeime vor-
handen, welche unter
Umständen höchst ge-
fährlich werden kön-
nen. War z. B. ein
Schwindsüchtiger in
solch' einem Raume,
so ist es mehr als
wahrscheinlich, daß sich
Keime dieser Krank-
heit in den Fugen
des Fußbodens oder
auch an den Wänden
befinden, und zwar
durch den Speichel
des Kranken dahin
gebracht, theils wohl
aus Unwissenheit und
Schwäche, theils auch
aus Nachlässigkeit des-
selben.

Man glaube nicht,
daß Keime durch Ueber-
streichen der Wände
verschwinden; sie wer-
den nur verdeckt und
kommen, wenn die
Farbe wieder abge-
rieben ist, mit un-
geschwächter Aufteck-
ungskraft wieder zum
Vorschein, und diese
ist ausdauernd. Die
französischen Aerzte
Dr. Malassez undjDr.

Vignal haben die
Sputa (Husten-Aus-
wurf) von Tuberku-
lösen austrocknen las-
sen, sie dann wieder
mit Wasser angefeuch-
tet, von Neuem aus-
getrocknet und pulve-
risirt und so fort zu
wiederholtenmalen:
kurz gesagt, sie haben
versucht, möglichst ge-
nau die Bedingungen
nachzuahmen, in denen
sich die Sputa befinden,
welche täglich auf das
Straßenpflaster pla-
cirt werden. Trotz
mehrmaligen Aus-
trocknens und An-

feuchtens hat der Bacillus der Sputa seine Ansteckungsfähigkeit bewahrt.

Nun bedenke man, daß der Würgengel der großen Städte die Lungenschwind-
sucht, die Tuberkulose, ist, welche mit dem Staube eingeathmet und in die Lunge
gekommen, die gesündeste Person zum Todeskandidaten macht, und man wird be-
greiflich finden, wie wichtig es ist, in den Wohnungen, welche neu bezogen werden
sollen, die gewissenhafteste Reinigung, vom Abkratzen und Neumalen der Decken,
dann Neutapezieren der Wände, bis zum Neuanstrich der Böden und Thürcn vor-
nehmen zu lassen.

Will der Hausbesitzer sich nicht zu den Ausgaben beguemen, so sollte es der
Miether im Interesse seiner Gesundheit und seines Lebens thun. Speziell die Wand-
tapeten sind bezüglich dieser Krankheit gefährlich, und mau sollte dieselben so oft als

Abbildung Nr. 72. Brkevsttz für ein Mohn--Simmer. Von Otto Fritzsche.

thunlich erneuern. Statt dessen tapezirt man die Wände, „weil eine tapezirte Wand
länger hält als eine gemalte und man darauf den Schmutz nicht so sieht". Dieses
Eingeständniß, welches man so oft hören kann, redet mehr als dicke Bände. Den
Schmutz scheut man nicht, man scheut sich nur, denselben sehen zu lassen!

Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die weitaus meisten tuberkulösen An-
steckungen in den Wohnräumen Vorkommen, wo der Staub in den vier Wänden
aufbeivahrt wird, bis er, bald genug, seinen Weg in die Lungen findet, als auf den
Straßen, wo derselbe von Wind und Regen in andere Regionen verführt werden kann.

Feuchte Wohmmgen sind im Allgemeinen der Gesundheit schädlich, besonders
jedoch solche, in welchen sich der Hausschwamm eingenistet hat. Derselbe verursacht
schon, bevor er sichtbar wird, eine wahre Luftvergiftung, welche durch die massenhaft
in der Luft fliegenden, mikroskopisch kleinen Samcnsporcn hervorgebracht wird.
Dieser äußerst widrige und betäubende Geruch, welcher den Bewohnern den Appetit
benimmt und Uebelkeit erregt, kann zu gefährlichen Vergiftungszufällen führen, was

leicht begreiflich er-
scheint, wenn man
bedenkt, daß die Be-
wohner solcher mit
dem Hausschwamm
infizirten Wohnungen
bei jedem Arhemzuge
Millionen solcher Pilz-
sporen den Schleim-
häuten von Mund und
Nase und de» Lungen
zuführen.

Die Ursachen, welche
in einem Gebäude den
Hausschwamm be-
wirken, haben vielfach
noch andere Uebel im
Gefolge. In den
meisten Städten ist
die Bauvorschrift vor-
handen, daß bei Neu-
bauten der Bauschutt
nicht als Füllmaterial
für die Fehlböden be-
nutzt werden darf, son-
dern reiner Sand da-
zu verwendet werden
soll. Wie diese Be-
stimmung Ungehalten
wird, kann man bei
jedem Neubau be-
obachten.

Nicht nur der durch-
seuchteSchutt, welcher
von einem Abbruch
erübrigt, sondern auch
alle Abfälle des Neu-
baues weiden ge-
wissenhaftin die Fehl-
böden geschüttet und
dann hübsch zugena-
gelt, „daß man nichts
mehr davon sieht".
Der Gestank des faul-
enden Schuttes findet
seinen natürlichsten
Ausweg durch die bei
Trocknen des Fuß-
bodens sich ergebenden
Spalten und verpestet
die Luft des Zimmers.
Ueberdies ist er ein
ausgezeichnetes Brut-
nest von Ungeziefer
aller Art, welche nicht
nur durch ihre Plage
schaden, sondern durch
ihre Fähigkeit, Con-

tagieu und Miasmen zu übertragen, der Gesundheit höchst nachtheilig werden können.

In Rücksicht daraus kann man nicht oft genug darauf Hinweisen, wie wichtig
es ist, daß die Fußböden stets nach gewissem Zeitverkäufe gut verkittet, gestrichen
und lackirt werden, und zwar um die Möglichkeit zu beseitigen, daß die bei dem
Bodenwaschen unvermeidliche Feuchtigkeit in den Fehlboden dringe und dadurch die
Fäulniß noch vermehre, und andererseits, damit die oben gekennzeichneten Unannehm-
lichkeiten vermieden werden.

Doch das wird aus folgenden Gründen ein frommer Wunsch bleiben: Erstens
ist der Miether selten in der Lage, während er sich in der Wohnung befindet, der
vielen Umständlichkeiten halber, die Fußböden streichen zu lassen. Zweitens läßt bei
einem Umzuge, wo es irgend angeht, der Hausherr die Wohnung nicht so lange
 
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