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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Behr, Carl: Ueber Dekoration und Möblirung unserer Wohnräume, [4]
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Böttcher, F.: Universal-Möbel für fotografische Anstalten
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0061

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„Fachblatt für Zznncn-Dckoration".

Seite 53.

Amversal-Mövrl für fotografische Mnstatteil

von ff. Böttcher.

LlMür die fotografische» Räume werden zuweilen oft noch alte, recht häßlich

wirkende Möbel und sonstige Ausstattungsstücke verwandt, anstatt dieselben
einer besseren Bestimmung gemäß dem Ofen anz wectranen und sich nur der
Zeit entsprechende Gegenstände anzuschaffen. Falls letzteres aber, namentlich bei
Neueinrichtung von fotografischen Ge-
schäften, wirklich geschieht, werden häu-
fig so aufdringlich und plastisch wirken-
de Möbel mit zu kräftig gehaltenen
Schnitzereien und Architektnrtheilen ver-
ziert, gewählt, daß Bilder mit dieser
Art von Möbeln auch nichts weniger
als schön sind. Die Person wird zur
Neben- und die Dekoration zur Haupt-
sache, und doch können elegant durch-
geführte Möbel und ein fein gestimmter
Hintergrund gar wesentlich zur Ver-
schönerung eines „Bildes" mit bei-
tragen. Man sehe sich z. B. einmal
die Gitter, Brüstungen, Balustraden
u. a. m. der Bildhauer-Firmen Ludwig,

Schneider und Engelmann in Dresden
an und man wird erstaunt sein, welch'
einen Reichthum in Renaissance- und
Rokokoformen dieselben entwickeln und
wie schön und interessant sich ein Bild
mit dergleichen Dekorations-Gegenstän-
den ausnimmt; da wird die Person
zur Hauptsache, und die Umgebung,
obwohl zur Nebensache, trägt dennoch
wesentlich zur Hebung und Verschöner-
ung des Ganzen mit bei, zugleich sind
dieselben (da aus oarton piens gear-
beitet) äußerst leicht und dennoch sehr
fest und haltbar.

Selbstverständlich können in einem
fotografischen Raum nicht eine große Figur 14. Kückriilrislr

Anzahl Möbel stehen, welche die aufzu-

nehmeuden Personen sich beliebig zur Dekoration auswählen können, und die dann -
herbeigeschleppt — später beim Forttragen beschnnden und bestoßen werden. Diese i
Art Möbel müssen in beschränkter Anzahl angefertigt werden und leicht und trans-
portabel so eingerichtet sein, daß jede Seite ein Möbel darftellt, womög-
lich auch noch durch Abheben oder Aufsetzen, von Herunter- oder Aufklappen, durch
Herurndrehen von einzelnen Theilen usw. immer wieder ein neues Möbel, z. B.
Schreibtisch und Piano, ein Stuhl mit mehreren Lehnen (in Rohr und gepolstert) !
und dergleichen mehr entsteht.

Diese Art Möbel, „Univ crsalmö bel" genannt, machen in der Herstellung

allerdings beim ersten Stück eine bedeutende Arbeit, ist dasselbe jedoch erst fertig
und zur Zufriedenheil ausgefallen, so werden die übrige» desto schneller gehen und
weniger Arbeit verursachen. Namentlich ist darauf Acht zu geben, daß die Ver-
zierungen, mögen dieselbe» nun ans Architektur oder Schnitzereien bestehen,

fein »nd elegant gehalten sind, wenn
auch die Ausführung keine zu subtile
zu sein braucht. Als Material benutzt
man am besten Linden- oder Pappel-
holz, welches alsdann grün geschnitzt
wird und ohne allen Glanz sein muß,
da sonst häßliche Lichter entstehen die
zuweilen recht störend wirken können.
Ein fotografisches Aufnahmezimmer
mit solchen Gittern und Ballustradcn,
Konsolen, Säulen und Möbeln, mit
Blattpflanzen, Vögeln, Fels- und Kahn-
Partien ausgestattet, die wenig Platz
wegnehmen, entsprechend billig und vor
allen Dingen praktisch sind, auch mit
zur Belebung und Verschönerung der
„Bilder" beitragen, wird gewiß nicht
verfehlen, eine gute Kundschaft heranzu-
ziehen und dieselbe auch dauernd zu
erhalten und zu vermehren, desglei-
chen der Möbelindustrie, die ja in
Deutschland sich so mächtig entwickelt hat,
neue Aufträge fort und fort zuzuführen.
Wohl haben in den letzten Jahren
infolge steter Verbesserungen auf dem
Gebiete der Fotografie selbst die klein-
eren Firmen zur Anschaffung besserer
Apparate schreiten müssen, der ungleich
wichtigeren Frage aber: die Dekora-
tionsmöbcl zu vervollständigen, um auf
hübsche Grnppirungen Bedacht nehmen
Text auf Seile 52. zu können, ist man bisher nur verein-

zelt näher getreten. Es dürfte sich
daher für die fotografischen Anstalten empfehlen, recht bald zu einer besseren
und reichhaltigeren Eiurichrung ihrer Dekorntionsgegenstnnde überzugehen, damit die
„Bilder" nicht nur in Beziehung auf gute Ausführung, sondern auch auf ge-
schmackvolle und stilgerechte Anordnung der zur Grnppirung unbedingt
nöthigen Dekoration Anspruch machen können. — Desgleichen können auch solche
Möbel und TelWationSstücke vortrefflich für Theater und ähnliche Zwecke verwendet
werden, dies um so mehr, als dieselben fest und leicht sind und in Folge dessen
sich schnell und ohne große Mühe ivcgränmen lassen.

einem Wort, die einstöckige Wohnung erscheint praktischer, wenn auch
weniger gemüthlich und heimisch.

Die Ausstattung dieser Räume aber, soweit dieselben von dem
betreffenden Hausbesitzer vorgenommen sind, ist in diesem Falte aller-
dings eine recht ungenügende, schablonenhafte. Da er weder die Möbel
noch die Stoffe kennt, welche der zukünftige Bewohner mitbringt, so
behandelt er Wände und Plafond so, das; möglichst Alles da hinein pafft.
Er befleißigt sich, bei Auswahl von Tapeten das zu suchen, zu dem
möglichst alle Farben wenigstens einigermaßen stimmen, und macht da-
durch die Zimmer von vorn herein schon so nüchtern wie möglich. Die
Höhe des Preises spielt bei Fertigstellung des Hauses selbstredend auch
eine große Rolle. Wenn auch nicht gesagt sein soll, daß Alles immer
absolur billig sein muß, denn es gibt ja auch herrschaftliche Mieth-
wohnungeu, so nluß es doch jedenfalls nach mehr aussehen, als danach,
was es kostet, denn sonst kann der Besitzer kein Geschäft mit seiner
Wohnung machen. Deshalb werden selten die besten, meist aber die
billigsten Kräfte für solche Arbeiten hinzugezogen. Am unglücklichsten
wirken deshalb die nach einer gewissen Schablone ausgeführten Räume,
wie das übliche getäfelte Speisezimmer in deutscher Renaissance und der
moderne Salon im Stile Louis XV. mit vom Zimmermaler gemalten
Engeln und Blumen an der Decke. Da, wie gesagt, die Miethhäuser
rentiren müssen, so wird natürlich mehr darauf gesehen, daß der
Dekoratör recht viel für wenig Geld macht, als darauf, daß seine Ar-
beiten auch einen künstlerischen Werth haben. Deshalb sind wohl auch
gerade diese Räume am schwersten mit Stoffen und Möbeln fertigzustellen.
Denn je reicher ein Gegenstand ausgestattet ist, um so größer sind die
Anforderungen an die künstlerische Anordnung und Vollendung des
Ganzen. Verzichtet der Bewohner eines Raumes auf jeden Schmuck

desselben, so zeigt er damit noch nicht, daß er kein künstlerisches Empfin-
den besitzt; er entbehrt nur, wie eine vornehme Frau auch den Schmuck
entbehren kann und dabei doch vornehm bleibt. Behängt und bestellt
er aber seine Zimmer mit uukünstlerischen und mangelhaften Gegen-
ständen, so zeigt er dadurch, daß er ein künstlerisches Verständniß nicht
besitzt, denn sonst würde er solchen Verstoß gegen sein besseres Empfinden
nicht begehen. Das letztere ist also selbst für den Emporkömmling oder
den kunstverständig scheinen Wallenden gefährlicher, als ein vollständiges
Berzichtleisten, und deshalb sind es meist die allerungünstigsten und
unschönsten Räume der Miethwohnungen, welche der Hauswirth am
reichsten ausgestattet hatte.

Etwas besser wird das Verhältniß des Miethers zu der gemietheten
Wohnung, wenn er dieselbe auf viele Jahre miethet und dann selber
mehr aus dessen Ausschmückung verwenden kann. Häufig trifft er dann
auch wohl ein Abkommen mit dem Hausbesitzer, wonach dieser ihm die
Zimmer von vornherein nach seinen genau aufgegebenen Wünschen aus-
statten läßt, in welchem Falle dann Tapeten und Bemalungen wenigstens
einigermaßen zu den vorhandenen Möbeln und Vorhängen passen. Ein
ganz befriedigendes Ergebniß ist aber doch wohl nur im eigenen, selbst
und allein mit der Familie bewohnten Hause zu erreichen. Denn nicht die
Möbel und Vorhänge sind es, welche den betresfendenRaum am meisten karak-
terisiren; die Flächen der Wände, der Decke und des Fußbodens sind viel
größer und aufdringlicher, viel mehr in die Augen fallend, als die der
kleineren Mobilien. Es muff vor allen Dingen der Raum in
sich und mit seinem Inhalte, sowie mit dem Karakter und den Bedürf-
nissen des Bewohners übereinstimmen, wenn man ganz davon befriedigt
werden soll, und das läßt sich nur im eigenen Hause ganz und voll
bewerkstelligen. (Fortsetzung folgt.)
 
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