Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

DOI Artikel:
Pasqué, Ernst: Die Gobelin-Manufaktur zu Paris, [2]: zugleich ein Blick auf den Antheil deutscher Meister an ihrer Entstehung
DOI Artikel:
Behr, Carl: Ueber Dekoration und Möblirung unserer Wohnräume, [11]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0137

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 14.

Fachblatt für Innen-Dekoration".

Seite 117.

überaus schöne Scharlachfarbe zu gewinnen. Zu derselben Zeit zog
ein Maler mit Namen Gluck an den Rhein, — die Holländer nennen
ihn Kloek — der sich Jahre lang in der Türkei und im Orient Herum-
getrieben und auf solchen gewiß abenteuerlichen Fahrten die dortigen
Färberkünste erlernt hatte. Am Rhein gelang es ihm auch, das Ge-
heimniß der neuen Scharlachfarbe Kepfler's sich anzueignen, und mit
dieser wichtigen Errungenschaft wandte er
sich nach Holland. Dort errichtete er eine
Färberei, die ungemeines Glück machte.

Bis an seinen im Jahre 1550 erfolgten
Tod leitete er dieselbe und übertrug sie
testamentarisch auf seine Nachkommen.

Nun ereignete sich Seltsames. Zu
derselben Zeit, als Gluck seine neue
Scharlachfarbe, die Erfindung des deut-
schen Färbers Kepfler, in Holland an's
Licht brachte, produzirte ein Nachkomme des
ersten Gobelin, Gilles geheißen, dieselbe in
Paris. Er soll die Bereitung von Gluck
erlernt haben, doch ist es viel wahrschein-
licher, daß Beide, Gluck und Gilles Gobe-
lin, der sich vielleicht auf der Wanderschaft
befunden haben mag, zusammen dem deut-
schen Erfinder sein Geheimniß ablauschten
und dasselbe dann mit größtem Erfolge in
Holland und Paris verwertheten.

Ein weiteres seltsames Zusammen-
treffen ist, daß später lein Nachkomme
Gluck's in einem entscheidenden Augenblicke
mit dem Etablissement der Familie Gobelin
sich verbinden und zu der Weltberühmtheit
ihres Namens beitragen sollte, wie wir
dies bald sehen werden. Gilles Gobelin
hatte sofort die ganze Tragweite der neuen
-Erfindung erfaßt und beschloß, sie kräftig
auszubeuten. Nach Paris zurückgekehrt, kaufte er an der Biövre ein
ausgedehntes Terrain und begann neben der Werkstätte seines Vaters
neue große und prächtige Bauten, zu seinem Zwecke passend zu errichten.
Die Bewohner der nahen Vorstadt St. Marceau wußten sich dies nicht zu
deuten. Sie sahen mit Staunen die vielen Wohnstätten dem Boden

entsteigen und nannten Gobelin einen Narren und seine Bauten „ln UHIis-
dobsliir — die Gobelin-Thorheit".

Der Sohn dieses Gilles errichtete am Ursprung der Bisvre, in der
Nähe von Versailles ein prächtiges Landhaus, das er als Antwort auf jene
Spottreden nun wirklich „Da l?c»Iis-6obsIin" taufte. — Doch, es sollte
noch anders kommen. Gilles Gobelin gewann durch seine neue Scharlach-
farbe einen solchen Ruhm und zugleich
einen solchen Reichthum, daß er in kürzester
Zeit ein Krösus wurde. Dies konnte das
Volk von Paris erst recht nicht begreifen
und schrieb die Ursache davon — dem
Teufel zu. Folgende hübsche Sage aus
jener Zeit hat sich erhalten.

Gilles Gobelin hatte seine Seele dem
Teufel verschrieben — also erzählte man
sich — als Lohn dafür, daß dieser ihm
das Geheimniß der neuen Scharlachfarbe
kundgethan. Da nun Gilles' Zeit um
war, ging er eines Abends mit einem Licht
über den Hof, als plötzlich der Gottsei-
beiuns vor ihm stand, um ihn in sein
hölliches -Reich abzuholen. Gobelin bat
demüthig nur noch um eine kurze Frist,
so lange, bis sein Licht zu Ende gebrannt
sei. Dies bewilligte in Gnaden der —
dumme Teufel, und der kluge Gilles warf
flugs sein Licht in einen nahen Brunnen,
in dem es erlosch und den er dann sofort
zuwerfen ließ. Mit dem obligaten Gestank
entfernte sich der geprellte Teufel, und
Gilles Gobelin genoß bis ans Ende seines
Lebens die Fruchtseiner List und Arbeit —
und der des deutschen Färbers Kepfler.

Nur noch wenige Generationen der
Gobelins blieben Färber; der Reichthum
der Familie mehrte sich von Jahr zu Jahr, und ihre Glieder kauften sich Titel,
Aemter und Würden mitsammt dem Adel. Schon 1544 wurde Jacques
Gobelin, ein Sohn des Gilles, eorreotsur äes 6ompt68 und adelig und dessen
Sohn Balthasar kaufte von Heinrich II., den er mit seinem Gelde unter-
stützte, die Seigneurie Brie-Comte-Robert. Wir wollen nicht unerwähnt


Abbildung Nr. 59. Wsndsthlvm.

In japan. Genre, in unserer einheimischen Flora entworfen von
Aug. Hochstätter in München.

Wände mit Tapeten oder Stoff zu bespannen und den Plafond dann
naturalistisch zu bemalen.

Vom Boudoir kommen wir in das Wohnzimmer, den eigentlichen
Versammlungsraum der Familie, welcher ausnahmsweise nur bei größeren
Gesellschaften zu den Repräsentationsräumen gezogen wird, sonst aber
der Familie allein zum Gebrauch dient. Eigentlich sollte dieser Raum
der größte im ganzen Hause, der Tummelplatz der ganzen Familie sein.
Als solcher wird das Wohnzimmer denn auch häufig gebildet und wo es
-angeht, wohl auch höher gehalten, wie die übrigen Räume. Sein Stil ist
allgemein eine moderne Renaissance, oft in derber deutscher Ausbildung
mit barockem Beigeschmack. Ein bekannter prächtiger Raum dieser Art
geht durch 2 Stockwerke, und ist an der einen Fensterwand wieder in
2 Etagen getheilt, so daß der obere Theil wie eine Gallerte mit
Ballustrade von dem Zimmer abgegrenzt und mit dem übrigen Raum
durch eine Freitreppe verbunden ist. Unten ist der Raum um die Tiefe
dieser Gallerte flacher, der dadurch abgeschnittene Theil wurde zu einer
mach Außen liegenden Loggia verwendet. Freitreppe und Gallerie geben
-diesem Wohnzimmer etwas sehr Malerisches, welches durch den großen
Zug der übrigen Ausstattung noch erhöht wird. Eine Vertäfelung von
mindestens 3 Meter Höhe bekleidet die Wände nach unten und bewirkt
den Eindruck des Warmen, Gediegenen und Behaglichen. Holz ist ein
schlechter Wärmeleiter, um so mehr, wenn es nicht ganz dicht mit der
Wand verbunden ist, sondern eine, wenn auch flache Luftschicht zwischen
sich und der Wand freiläßt. Mehr noch, wie es aber in Wirklichkeit
die Temperatur-Differenzen vom Jnnenraume abhält, mehr noch, wie
es im Sommer kühl und im Winter warm hält, macht es moralisch
diesen Eindruck auf das menschliche Auge. Man sieht die warmen Töne
des Holzes, kennt die Eigenschaften desselben und fühlt in Folge dessen

nicht nur körperlich, sondern auch geistig, moralisch die behagliche Wärme
des Raumes.

Ein flämischer Balkenplafond schließt das Wohnzimmer nach Oben
ab; das Stück des Plafonds über der Gallerie ist durch einen tieferen
Balken, der durch eine starke Steinsäule in der Mitte der Gallerie ge-
tragen wird, von dem übrigen größeren Theil desselben abgeschnitten.
Die Gallerie ist ein kleineres Zimmer für sich, die gewölbten tiefen
Nischen seiner Fenster geben Platz für den Nähtisch der Hausfrau und
den davor stehenden bequemen Lehnstuhl. Die andere Nische zeigt ein
Tischchen mit 2 Bänken. Der obere gewölbte Theil des Fensters ist
mit Butzenscheiben verglast, der untere Theil dagegen ist durchsichtig und
gestattet dem am Fenster Sitzenden die schöne Aussicht zu genießen.
Dieser Theil des Fensters ist mit Epheu umrankt. Die beiden schmalen
Seiten der Gallerie haben Thüren, welche in die übrigen Zimmer des
oberen Stockwerkes führen. Ueber der Vertäfelung ist der ganze Raum
einfach weiß gestrichen, allerdings ist von dieser Wand wenig sichtbar,
der weitaus größte Theil derselben ist vom Besitzer mit alten Gobelins,
Bildern in schwarzen oder Goldrahmen, sowie mit Dekorationsgegen-
ständen aller Art, Hirschgeweihen und Schädeln behängt und die wenigen
weißen Theile der Wand, welche sichtbar blieben, erhöhen nur die
Wirkung ihrer Ausschmückung- Gegenüber der Gallerie befindet sich,
nach der Rückseite des Hauses führend, ein einziges mächtiges Fenster,
ebenfalls in tiefer Nische und nach oben mit Rundbogen gewölbt, in
dieser Nische steht ein Spieltisch, zu beiden Seiten desselben ein paar
bequeme Sessel. (Fortsetzung folgt.)

Anmerkung. Für neu hinzugetretene Leser bemerken wir, daß von den
im ersten Halbjahr erschienenen Nummern — soweit unser nur noch geringer Vor-
rath reicht — kamplete Exemplare von Nr. 1—6 oder 7—12 gerne zur Verfügung
stehen. Die Leitung-
 
Annotationen