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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

DOI Artikel:
Töpfer, August: Ueber Bauernmöbel, [2]
DOI Artikel:
Werner, H.: Die Gewebe und deren Verzierung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0045
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Nr. 5.

Fachblatt für Innen-Dekoration".

5 rite 37.

der Esche und des Ahorns anschließt. Sie werden, namentlich die er-
steren, buntfarbig angestrichen und mit Blumen und Emblemen bemalt.
Unter den Blumen spielen Rosen, Tulpen und Nelken, schon ihrer leb-
haften Färbung wegen, die Hauptrolle, denn der Bauer liebt lebhafte,
grelle Farben und versteht sich nicht auf die zarten Tönungen verfeinerter
Kultur. Die Embleme beziehen sich aber auf Jesus und Maria, auf
Liebe und Freundschaft, den Beruf des Besitzers, Landes- oder Familien-
wappen usw. — Wie die Tanne und Kiefer in den gebirgigen, nament-

II. Bauernstuhl aus der Mustersammlung des Gewerbe-Museums zu Bremen.

sich oberdeutschen Gegenden, bildet die Eiche, insbesondere in der nord-
deutschen Tiefebene vom Rhein bis an die holsteinische Küste, das be-
vorzugte Material. Alle Möbel sind, diesen! entsprechend, schwer und
Massig. Statt der aufgetragenen Farbe und der bunten Bemalung be-
hält das Holz seine natürliche Färbung, welche in der Regel durch das
Alter wie durch den Einfluß des ununterbrochen aus dem offenen Herd-
feuer sich entwickelnden Rauches in ein tiefes, sattes Braun übergeht.
An Stelle der gemalten bunten Blumen und Embleme tritt hier das

Schnitzwerk in breitester Ausdehnung, vom einfachsten Kerbschnitt eines
geometrischen Musters bis zur vollrunden Plastik figürlicher Kompositionen.
Die Füllungsflächen enthalten Ornamente, Wappen und figurenreiche
Darstellungen, letztere meist aus der biblischen Geschichte, und werden
getrennt durch hermenartige Karyatiden oder ganze Figuren, welche
Schilder mit Wappenzeichen oder Hausmarken tragen, oder Gerechtigkeit,
Glaube, Hoffnung, Mäßigkeit, Mutterliebe oder andere Tugenden per-
sonifiziren. Dazwischen find zahlreich Inschriften vertheilt, entweder die
bezüglichen Bibelstellen oder moralisirende Sentenzen, Namen und Jahrs-
zahlen enthaltend. Wo das reiche Schnitzwerk zurücktritt, freien Glieder-
ungen an dessen Stelle, und dieselben bilden nicht selten mannigfache
Verkröpfungen und umschließen zahlreiche, verschieden geformte Felder
und Füllungen.

Dieselbe Verschiedenheit wie im Material und der dekorativen
Ausstattung ist auch in der Art und Weise der Konstruktion der Bauern-
möbel zu finden, und auch hier tritt der Süden zu dem Norden Deutsch-
lands in einen entschiedenen Gegensatz. Die Kastenmöbel, und unter
diesen namentlich die Schränke, sind, wenn aus weichem Holze, gewöhnlich
nur ein- oder doppelthürig, zuweilen noch mit einer Schublade im
Untertheile versehen, die Gesimse und Gliederungen flach und wenig
ausladend; die Truhen oft gänzlich ohne Füllungen, mit flachem oder
flachgewölbtem Deckel, oft nur kistenartig zusammengebaut und möglichst
viele Flächen der Malerei oder einem mehr als Flachmuster wirkenden
Schnitzwerk bietend. Der schwere Eichenholz-Schrank der nördlichen
Gegenden hat dagegen oft eine größere Anzahl symmetrisch angeordneter
Thüren von verschiedener Form und Größe, nicht selten eine auslegbare
Klappe oder Geheimschubladen hinter einer Schiebethür, jedenfalls ein
mächtig ausladendes Hauptgesimse als oberen Abschluß, welches oft noch
durch Konsolen getragen oder überschnitten wird. Die Truhen, häufig
von kolossaler Größe, aber auch bis zur chatullenartigen Kleinheit variirend,
mit nach vorne heraustretenden Seitenschwellen als Füße und einem
schräg gestellten Sockelbrett, besitzen in ihrer Vorderseite jene in massivem
Eichenholz geschnitzten Kunstwerke, welche seit Langem ein Lieblingsobjekt
der Sammler und Alterthümerhändler geworden sind. Entweder besteht
diese Vorderseite in einer einzigen, nur seitlich von hermenartigen
Karyatiden begrenzten figurenreichen Darstellung aus der biblischen Ge-
schichte, oder sie ist in Felder verschiedener Form und Größe getheilt,
welche abermals biblische Kompositionen, aber auch Wappen, symbolische
Darstellungen, Kartouchenwerk und Fruchtgruppen, sowie das aus der
gothischen Periode entstammende Faltenwerk enthalten.

Die Tische und Sitzmöbel zeichnen sich im Süden gewöhnlich durch

kam beinahe nichts auf uns, und nur geringe Stoffstückelchen aus dem
10. Jahrhundert verblieben uns, welche sich in Handschriften zum Schutze
der gemalten Initialen eingelegt vorgefunden hatten oder von Um-
hüllungen der heiligen Märtyrer aufbewahrt blieben.

In der ersten Hälfte des l2. Jahrhunderts begann für Kunst-
gewebe eine Glanzperiode, welche durch Gewebe arabischer Arbeiter auf
Sizilien eingeleitet wurde und bis gegen Ende des 14. Jahrrunderts
anhielt.

Auf ihren Siegeszügen drangen die Araber bis nach Sizilien,
viele derselben siedelten sich dort an und betrieben nebst ihren anderen
Künsten auch die der Seiden-Weberei. Nachdem sie jedoch meist im
11- Jahrhundert durch die Normannen vertrieben wurden, machte die
Insel Herzog Roger II. 1130 zu einem Königreiche und schlug in Palermo
seine Residenz auf, wo er eine Seidenmanufaktur errichtete, in welcher
zurückgebliebene sarazenische Arbeiter, nebst griechischen Ansiedlern ihre
Kunstfertigkeiten ausübten. Die Webereien aus diesen Manufakturen
wurden in vier Arten, nach den Ateliers, in welchen sie verfertigt
wurden, getheilt, und zwar in einfache Gewebe, Tastet, Gros de
Naples rc., in Samnit und Atlas, m geblümte Zeuge und in
Goldbrokate, Buntgewebe und Stickereien.

Das Sammtgewebe scheint durch diese Manufaktur zuerst im Abend-
lande seine Verbreitung gefunden zu haben. Die bedeutende Förderung
der Weberei durch diese Manufaktur, sowie die Schönheit der erzeugten
Stoffe, nahm auch großen Einfluß auf die Kleidung, so daß in derselben
ktue außerordentliche Prachtentwickelung und damit verbundener Luxus
Ptatz z„ greife begann, welcher sich auch nach Deutschland verpflanzte,
wo unter den Vornehmen Deutschlands sizilianische Gewebe sehe ze-
ucht waren.

Diese Gewebe bestanden aus einem schweren und dichten, in ein-
facher Kreuzung hergestellten Seidenzeuge, von welchem die ältesten
doppelfarbigen durch einfarbigen Einschlag erzeugte Musterung zeigen.
Die späteren Gewebe sind mit Goldfäden durchwirkt, so daß entweder
Grund oder Musterung golden erscheint.

Die Verzierungsweise dieser Gewebe bringt noch die verschiedensten
Thiergestalten, mit Blattformeu verbunden; fortlaufende Ornamente,
Bänder, Sterne, Koransprüche usw., und war die Behandlung derselben
eine dem Charakter der Flächenverzierung vollkommen entsprechende, so
daß man diese Zierformen in ihrer Zeichnung, Aufbau und Eleganz als
untadelhaft und wahrhaft schön bezeichnen kann.

Der Benützung der Thiergestalten lag auch da die Symbolik zu
Grunde, wie sie im Kultus der orientalischen und christlichen Religion
vielfach zu finden ist.

Während sich nun in Sizilien die Seidenweberei kräftig entfaltet
hatte, gedieh sie auch in Spanien zur hohen Blüthe, und waren Granada,
Lissabon, Sevilla und Almeria, besonders aber letztere Stadt, die her-
vorragendsten Orte der spanischen Seidenkultur, welche im 12. und
13. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte.

Nachdem die Kreuzzüge Veranlassung gaben, daß ein regerer Ver-
kehr zwischen dein Abendlande und dem Oriente Platz greifen konnte,
steigerte sich die Prachlliebe auch in Deutschland und den anderen Ländern
sowohl in der Kleidung, als auch in der Ausstattung der Kirchen, Burgen
und bürgerlichen Wohnhäuser, und die nun bisher aus Sizilien, Spanien
und dem Oriente eingeführten Seidenstoffe genügten nicht mehr den
deutschen Ansprüchen, Es begannen in Lueca, Mailand usw. Seiden-
manufakturen zu entstehen, deren Erzeugnisse die sizilianischeu Gewebe
an Pracht und Vorzüglichkeit bald übertrafen. (Fortsetzung folgt.)
 
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