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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Baumeister, R.: Entwurf zu gesetzlichen Vorschriften zum Schutze des gesunden Wohnens, [3]
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Behr, Carl: Ueber Dekoration und Möblirung unserer Wohnräume, [9]
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Wohnungs-Ausstattung und Kleidertracht im Mittelalter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0109
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Nr. 12.

Fachblatt für Innen-Dekoration".

Seite 95.

bau kleiner Wohnungen gewähren. Wenn damit den Gemeinden eine
Neue große Last zugemuthet wird, so kann eben ganz ohne ihre Mit-
wirkung auch diese soziale Aufgabe nicht gelöst werden, und als Be-
weggrund dient doch, abgesehen von der allgemeinen sittlichen Verpflichtung
gegen die ärmeren Klassen, die Erfahrung, daß auf dem Gebiete der
Gesundheitspflege vorbeugende Maßregeln allemal weniger kosten, als
die Folgen ihrer Unterlassung: Krankheit und Verarmung. Ferner wäre
hier ein Anlaß für das Eintreten gemeinnütziger Gesellschaften, welche
bekanntlich bei geschicktem Verfahren nicht einmal bleibende Opfer zu
bringen haben, vielmehr in der Regel befriedigende Geschäfte machen.
Endlich wäre es münschenswerth, in den Bauordnungen mancherlei Be-
stimmungen zu ändern, welche das Bauen unnöthig vertheuern, z. B.
gewisse Vorschriften der Festigkeit und Feuersicherheit, Normen für die
Ausführung von Straßen, für die Behandlung von Bauvorhaben aus
abgelegenen Grundstücken. Die Erleichterung derartiger Bestimmungen,
namentlich für solche äußere Ortsbezirke, wo ihre Einhaltung noch gar
nicht und vielleicht niemals durch öffentliche Interessen gefordert wird,
würde sicherlich die Baulust auch für kleinere Wohnungen beleben.

Nachdem die erwähnte Uebergangszeit Überstunden, werden unseres
Erachtens die Wirkungen des erstrebten Reichsgesetzes nur wohlthätige
sein. Die Technik des Bauens wird durch dasselbe wenig berührt und
daher nicht vertheuert. Der hauptsächliche Einfluß richtet sich auf die
Wohndichtigkeit, welche abhängig ist von den Bestimmungen über Ge-
bäudeabstände, Hofränme, Anzahl der Geschosse usw. Hier findet nun
ein solcher Zusammenhang statt, daß der Bodenwerth hoch steht, wenn
eine starke Ausnützung desselben mittelst enger und hoher Bebauung zu-
gelassen ist, wogegen weiträumiges Bauen, sei es durch allgemeine Sitte
oder durch Zwang herbeigeführt, den Bodenpreis niedriger hält. Dem-
nach wird hoffentlich infolge der projektirten Forderungen, namentlich
wenn dieselben für Stadterweiterungen noch etwas höher als diejenigen
des Entwurfes angesetzt werden, der Werth jungfräulichen Bodens nicht
mehr so rasch und hoch steigen, wie es bisher oft so überraschend der
Fall gewesen ist. Die mühelos ersessenen Gewinne von Feldbesitzern
und Bauplatz-Spekulanten mögen zum Heil des Ganzen eingeschränkt
werden! So lange freilich das Gleichgewicht zwischen Bauvorschriften,
Miethen und Bodenpreisen sich noch nicht eingestellt hat, d. h. im Ueber-
gang, wird es wohl gewisse Enttäuschungen geben. Das Gesetz aber
kommt künftig in doppelter Weise der Wohnungsfrage zu Hilfe, indem
erstens direkt gesunde Wohnungen verlangt werden und zweitens der
Preis von Bauplätzen niedrig gehalten wird.

Wohl mag an das geschilderte Streben des Vereins für öffentliche

Gesundheitspflege noch manche Bemühung zu setzen sein, ehe eine ge-
setzgeberische That daraus entspringt. Die Sache ist aber bekanntlich
schon vor Jahresfrist im Reichstage durch den Abgeordneten Miguel an-
geregt worden, und wird sicherlich auch in der Folge durch ihn auf das
Beste vertreten werden. Wenn es gelingt, die Reichsbehörden dafür zu
interessiren, so würde damit zu den sozialen Reformen der Gegenwart
ein wichtiges Glied hinzugefügt, welches für das Wohl der ärmeren
Volksklassen wohl ebenso bedeutungsvoll sein dürfte, wie die sonstigen
Arbeiterschutzgesetze. R. Baumeister.

Wohnungs^ Ausstattung uuö Rleiöevtvacht
im Mittelalter.

eber dieses Thema hielt Professor Dr. P. F. Krell unlängst im
bayrischen Kunstgewerbeverein einen Vortrag. Von der schlichten
Gestaltung des Mobiliars in der romanischen Periode, in welcher Tische
und Tischgeräthe die denkbar schlichteste Form hatten, in welcher Schränke
noch unbekannt und die wenigen Kleider in Truhen aufbewahrt waren,
die zugleich als Tische und Bänke benutzt und bei Vornehmeren durch
Stoffbehänge um ein Kleines behaglicher gemacht wurden, — von diesem
nach unseren heutigen Begriffen primitiven Zustande des Mobiliars
entwarf der Redner, der seine Ausführungen durch sorgfältige Abbildungen
illustriren konnte, ein äußerst lebendiges Bild, ebenso von der allmglig
durch die Verbindungen mit Italien, durch den Handel mit den Byzan-
tinern und Mauren herbeigeführten Steigerung der Bedürfnisse. In
ähnlicher Weise wie das Mobiliar mehr oder weniger auf der antiken,
besonders in den Klöstern gepflegten Tradition beruhte, so dürfen auch
die langen, faltenreichen Gewänder von Männern und Frauen und
vieles Andere aus dem Gebiete der Trachten auf antike Ueberlieferung
zurückgeführt werden. Erst mit den: Aufblühen des Städtewesens, als
der zünftige Gewerbestand den Klosterarbeiten Konkurrenz zu machen
anfing, begannen auch Mobiliar und Tracht sich freier zu entwickeln,
obgleich die städtischen Gesetze, die Vorschriften der Zunft wie der Kirche
der Bevölkerung im Gegensätze zu der Romantik der Hohenstaufenzeit
einen spießbürgerlichen Karakter ausdrückten. Damit beginnt die gothische
Periode, deren Stilformen in gewisser Hinsicht eine nordische Reaktion
gegen den Romanismus darstellen. Die jetzt viel häufigere Verwendung
von Holz zur Vertäfelung der Zimmer, die allmälige Verdrängung des
Kamins durch den Ofen (nicht vor dem 14. Jahrhundert), die Ver-
mehrung und größere Mannigfaltigkeit der Möbel, welche jetzt weniger

Nachbildungen derselben sowohl für Kerzen, für Gas, wie auch neuer-
dings für elektrisches Licht finden sich in recht guten Formen und
eignen sich für den hier beschriebenen Raum ganz vorzüglich. Auch
venetianer Lüster, d. h. solche ganz aus weißem und farbigem Glas
modellirte Kronen, sind sehr empfehlenswerth, vorzüglich diejenigen,
welche ganz in goldschimmerndem Ton gehalten sind und welche gleichsam
als eine Vermittelung, als ein Uebergang des Metalllüsters zum Glas-
lüster erscheinen.

Wenn vorhin gesagt wurde, daß Roth die vorherrschende Farbe für
den Salon ist, so schließt das selbstredend andere Farbenstimmungen nicht
aus. Roth ist allerdings die am meisten festlich wirkende Farbe, sie
muß aber sehr häufig anderen Wünschen des Bewohners dieses Raumes
weichen. Ein tiefes Grünblau mit Gold ist besonders wirkungsvoll und
deshalb beliebt. Man hält dann auch wohl die ganzen Wandflächen
in diesen Tönen, die, mit Lasurfarben behandelt und glänzend lackirt, dem
Raum etwas sehr Reizvolles geben. Auch vollständig grün behandelte
Salons sind nicht selten von vorzüglicher Wirkung. In allen den
Fällen, wo die Wandtheile ganz in denselben Farben gehalten werden,
empfiehlt es sich, die Möbel mit Fantasiestoffen zu beziehen. Crsme-
grundige, mit Blumen durchwirkte Seidenstoffe sind für solche Fälle
sehr bevorzugt; es finden sich aber auch, oft mit viel Glück angewendet,
in solchen Salcns, alle möglichen Stoffe durcheinander, welche selbst-
redend untereinander und zu den Farben der Wände gestimmt. sein
muffen und welche dann dazu beitragen, die Wohnung interessanter zu
gestalten.

Aber nicht in allen Häusern ist der Salon im Rokokostil gehalten;
ein später Renaissance- oder Barockstil findet oft den Vorzug, oft wohl
dort, wo das ganze Haus in diesem Karakter behandelt wurde, in

welchem Falle dann auch dieser Raum als ein stimmungsvoller Theil
des einheitlichen Ganzen erscheint. Die Anordnung des ganzen Raumes
bleibt dabei meist dieselbe, wie die vorher beschriebene; ja selbst die
Farben werden in den verschiedenen Stilarten ohne große Abänderung
beibehalten.

Allerdings hatte jede Zeit auch ihre eigenen Farbenstimmungen,
wie die Ludwigs XVI. ihre unausgesprochenen Hellen Töne, die Lud-
wigs XIV. ihre satten, tiefen Farben; aber die modernen Wiederhol-
ungen binden sich wenig an diese Bestimmungen, es werden gewöhnlich
nur die Zeichnungen wiederholt, nicht aber die der. Zeit eigenartigen
Farbenstimmungen. Auch französische Stoff-Fabrikanten bringen z. B.
häufig Louis XVI.-Stoffe auf den Markt mit ganz dunklem grünblauen
oder mit tiefem sattrothem Fond, welcher den außerordentlich zarten
Tönen dieses Stiles sehr wenig entspricht und dennoch gut wirkt.

Es soll hier auch nicht unerwähnt bleiben, wie viele moderne
Dekorateure es lieben, dem Salon etwas Atelierartiges zu geben, etwas
was unter allen Umständen malerisch wirken soll. So sind besonders
große zeltartige Arrangements entweder ohne jede Veranlassung über
einem Divan in einer Ecke, an der flachen Wand, oder erkerartig mit
dem Fenster verbunden, sehr beliebt. Auch alle möglichen Stillleben,
wie Zusammenstellungen von künstlichen Blumen mit alten Musik-Instru-
menten oder Waffen an den Wänden, finden sich selbst in Salons nicht
selten. Die Berechtigung dieser Art der Dekoration ist schon oft in
Zweifel gezogen worden und das wohl nicht immer mit Unrecht. Jedes
Möbel sowie jede Dekoration im Raum müßte sein Vorhandensein doch
wohl einem Bedürfnis! verdanken; werden dann die betreffenden Theile
so angeordnet, daß sie den Raum verschönern, daß sie ihm ein malerisches
Ansehen geben, so ist das jedenfalls nur lobenswertst. (Fortsetzung f.)
 
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