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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 1.1890

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Peterhof, das russische Versailles
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https://doi.org/10.11588/diglit.11255#0204
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MlNlsgMr und Zkklkger. Klefander Roch in AarmstM

Das „Lachblatt für Innen-Dekoration" istl
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I. Aahvgang. Navmstaör^ Bovemöev Ml>. Wmmnev 21.

Nachdruck unserer Original-Artikel ist nur mit unsrer Erlaubniß gestattet.

das rnMlche Mrrsailles.

as Ezarenschloß ist ein Juwel, seine Anlagen ein Eldorado. Das
Schloß Peterhof, nach den Entwürfen vom Architekten Leblond
erbaut, dient nur zur Repräsentation, wie der Londoner St. James-
Palast, und in den ausgedehnten Parkanlagen rings herum liegen die
Lustschlösser und Landhäuser, welche von der kaiserlichen Familie be-
wohnt werden. Das Schloß selbst liegt drei Meilen von St. Peters-
burg in reizender Umgebung am Südufer des finnischen Busens und
ist ein ziemlich ausgedehntes Bauwerk im Stile ä In Nnnsurä. Das
dreistöckige Hauptgebäude steht auf Gallerten mit zwei Pavillons in
Verbindung; die Farbe, gelb und weiß, harmonirt mit dem Eisenblech
des Daches und der reichen Vergoldung der Kuppeln. Das 1711 unter
Peter dem Großen errichtete Bauwerk erhebt sich auf einer gegen zwölf
Meter hohen Schloßterrasse, die durch die natürliche Senkung des Terrains
von hier bis zur Kronstädter Bucht gebildet wird. Namentlich, wenn
die Wasserkunst, deren ergiebige Speisung ein etwas höher gelegener
See in der Nähe ermöglicht, in Thätigkeit, bietet sie einen überaus
prachtvollen Anblick. Ueber sechs breite Stufen stürzen sich die tosenden
Wassermassen in ein weites Bassin, inmitten dessen sich der weltberühmte
Simson-Springbrunnen aus vergoldetem Erz, ein Werk Rostowssep's,
erhebt; ein gewaltiger Simson sperrt mit mächtigem Ruck das Löwen-
maul auseinander, aus dem nun ein armdicker Wasserstrahl 25 w hoch
emporschießt. Etwa 50 zum Theil vergoldete Statuen, Vasen usw.
stehen zu beiden Seiten auf den Absätzen der herbeiführenden Treppen,
und die reichsten Blumenbeete in Teppichmanier füllen die Zwischenräume
aus. Weiterhin ergießt sich das Wasser in einen breiten, weißrandigen
Kanal, der in schnurgrader Richtung vom Schlosse unter mehreren
Brücken her dem Meere zueilt. Zu beiden Seiten befinden sich aber-
mals zahlreiche Springbrunnen; daneben führen Straßen, die von hohen
Tannen eingefaßt werden. Den übrigen Rauin bis zum Strande füllen
Parkanlagen aus, über die hinweg man die See und am Horizont die
finnische Küste erblickt.

Das Innere des Schlosses, die Paradezimmer liegen sämmtlich im
ersten Stock. Man betritt zunächst das Porträtzimmer mit 368 Porträts
von jungen Mädchen und Frauen aus allen Theilen Rußlands, die
während einer Reise Katharina II. vom Grafen C. Rotari gemalt worden
sind. Rechts kommt man in das erste chinesische Zimmer, dessen Wände
und Möbel in schwarzem chinesischen Lack mit Goldverzierungen gehalten
sind. Auf das Empfangszimmer folgen das Divanzimmer mit zwei
Bildnissen der Kaiserin Elisabeth Petrowna und das Toilettenzimmer
der Kaiserin Alerandra Feodorowna mit einem schönen Schrank in Schild-
patt mit vergoldeter Bronze, einer italienischen Arbeit des XVI- Jahr-
hunderts, das Standartenzimmer in gelber Seide, der Speisesaal und
die elf Gemächer der Königin Olga von Württemberg im Mittelflügel
auf der Südseite des Schlosses. Die Einrichtung ist überaus prächtig
und behaglich im Rokokostil. Weiterhin kommen das Kronenzimmer in
geschnitztem Eichenholz mit einem Mosaikporträt des großen Kaisers von
Junewitsch und einem Bildnisse Nikolaus I. nach Krüger von Bothmann.
Nun betritt man dann linker Hand ein zweites chinesisches Zimmer und
den Empfangssaal mit schönen Kronleuchtern aus Bergkristall; in einer
Ecke steht das Modell einer Gruppe von Qustralow (1864), Peter den
Großen darstellend. Im Saale Peter des Großen hängen prächtige
Gobelins und zahlreiche Gemälde, darunter zehn Scenen aus der See-j
Macht von Tschesme (1770) von I. PH. Hackert 1772 in Rom gemalt.
Es folgt nun der größte Raum des Schlosses, der im Nokokostil gehaltene
Kaufmannssaal. Auf der linken Seite des Palastes liegt der Pavillon
des Großfürsten Michael Pawlowitsch, rechts die 1751 von Bastrelli
erbaute Kirche mit fünf vergoldeten Kuppeln; unter dem Schlosse befindet
sich endlich noch eine schöne Muschelgrolte, die 1760 von Elisabeth an-
gelegt und 1860 erneut und mit Bronzefiguren geschmückt wurde.

Im Garten erhebt sich auf einem Granitsockel das Bronzestandbild
des Erbauers des Schlosses, das unter Katharina II. erweitert und
verschönert worden ist.

Der überaus umfangreiche Park zerfällt in zwei Theile: den
sogenannten unteren Park, unmittelbar am Meere, wo der von Peters-
burg mit dem Dampfschiff kommende Fremde landet und den weit in
das Hügelland der Duderhof'schen Berge hineinreichenden oberen Park.
 
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