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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 2.1891

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Anleitung zur Ausstellung beweglicher Dekorationsgegenstände
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https://doi.org/10.11588/diglit.11379#0126
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Juli-Heft.

Zllustr. kunstgewerb l. Zeitschrift für „Zn n en-Deko ra tion".

Seite lOö.

W'

Mnlrituug -uv Aufstellung beweglicher "MekovationSgegrnflänSe.

Abbildung Nr. ;.

Abbildung Nr. 2.

Mitten hinein in die Fülle großer und kleiner Aufsätze, welche
sich mit den höheren Zielen und Bestrebungen der Dekorations-
kunst befassen, möchten wir heute eine kurze Betrachtung über einen
Grundsatz in dieser Aunst streuen, welchen jeder praktische und tüchtige
Dekoratör zwar als längst überwundenen Standpunkt betrachten wird,
dessen Behandlung aber doch von einem großen Theil unserer Leser,
mit Znteresse ausgenommen werden dürste. Es ist nämlich die Theorie
der gebrochenen Linie (im Gegensatz zu der graden Linie) in Bezug

auf die Wohnungs-De-
koration in origineller
Weise definirt, die wir
unseren Lesern unter-
breiten möchten.

Die gebrochene
Linie macht in Folge
der entstandenen Winkel
und der Vermehrung ihrer Oberstäche den Eindruck der Bewegung
und des Lebens, während die gerade Linie sowohl wie die gleich-
mäßig gebogene Linie (Areislinie) den Eindruck der Festigkeit,
der Dauerhaftigkeit, des Tragens und des Stützcns Hervorrufen.
Letztere werden deßhalb überall in unsrer architektonischen Dekoration

Anwendung finden. Ein
Täfelwerk, ein Aarniß,
eine Thür- oder Fenster-
verdachung, ein Aamin
u. dergl. werden deßhalb
stets in geraden oder
gebogenen Linien kon-
struirt, weil sie unbedingt den Eindruck der Stabilität, der Ruhe,
der Tragfähigkeit, das Gefühl der Sicherheit ausdrücken müssen.
Selbst unsere Möbel müssen nach diesen Grundsätzen gebaut sein, und
verlangen ausschließlich den Gebrauch der geraden oder gebogenen Linie.

Ganz anders verhält es sich mit der beweglichen Dekoration,
hier muß die gebrochene Linie, welche Bewegung und Leben aus-
drückt in ihre Rechte
treten. Es wäre ebenso
! falsch mit hülfe einer
mehr oder weniger ele-
l ganten Rundung die
obere Tafel eines Aa-
mins abzuschließen, als
es ungeschickt wäre, eine
genaue regelmäßige
Fläche zwischen den
Spitzen von verschiedenen Gegenständen, welche diese Tafel schmücken,
herzustellen, so nämlich, daß diese Spitzen einen regelmäßigen Bogen
bilden (vergl. Abbldg. () oder daß die Spitzen dieser Schmuckgegen-

^ stände eine gerade Linie

bilden, welche mit deren
Basis also mit der Tafel
paralell läuft (vergl.
^Abbildung 2).

klumbert cle Zuper-
ville zeigt in einem be-
rühmten, jedoch sonder-
baren und wenig be-
kannten Werk, mit hülfe
der drei obenstehenden
Figuren, daß es genügt,
mit einer leichten Ver-
setzung der Grundlinien
Abbildung 6. Abbildung 7. des menschlichenGesichts,

die verschiedensten, selbst widersprechendsten Gefühle klar auszudrücken.
(Vergl. die Abbildungen 3, ^ und 5.)j

Wenn die Linien, welche den Mund und die Augen bilden mit
der Linie der Nase paralell bleiben, dann zeigt das Gesicht die
größte Ruhe (vergl. Abbldg. 3); wenn dieselben Züge — etwas ver-

Abbildg. 2.

Abbildg. q.

Abbildg. S.

Abbildung Nr. 8.

längert — Winkel bilden, deren Spitzen nach unten gerichtet sind,
dann drückt das Gesicht eine freudige Stimmung aus (vergl. Abbldg. 5),
während es, wenn die Spitzen der Winkel nach oben gerichtet sind,
unverkennbar den Stempel der Betrübniß trägt (vergl. Abbldg. H).

Neu ist diese Beobachtung wohl nicht und wenn wir bedenken,
daß schon seit Zahrhunderten die nach aufwärts strebende jDappel als
Baum der Freiheit, die herabhängende Weide als Baum der Trauer

bezeichnet wurden, so
haben wir sicher eine
analoge Beobachtung.

Erweitern wir in-
dessen diese Beobachtung
und wenden wir die
Theorie des Herrn Lu-
perville nicht auf einen
Menschen, sondern auf
einen Gliedermann an; zu dem Gesicht wollen wir auch seine Arme
bewegen lassen. Zn Folge der doppelten Bewegung erhalten wir von
jedem unserer kleinen Gliedermänner zwei neue, verschieden gerichtete
Winkel, welche ähnlich wie bei dem Gesicht, den: Einen einen
betrübten, dem Andern einen höchst vergnügten Ausdruck verleihen.

(Vgl. Abbldgen 6 u. 7.)

hier erhalten wir
also doppelte Winkel,
deren Spitzen bei dem
betrübten Gliedermann
Abbildung Nr. 9. nach oben, bei dem

vergnügten nach unten gerichtet sind. Ziehen wir einen praktischen
Schluß aus unsrer Beobachtung und sind bei der Aufstellung von
Dekorationsstücken darauf bedacht, daß die Spitzen der verschiedenen
Gegenstände, welche unser Aamin oder dergleichen zieren sollen,

Winkel bilden,
deren Spitzen
nach unten ge-
richtet sind, so
wird unsere De-
koration eben-
falls einen hei-
teren Ausdruck
gewinnen und
die ganze Ein-
richtung uns-
res Zimmers,
nach dieserZdee
durchgeführt,

kann nur dazu beitragen, dasselbe freundlich zu beleben (vergl. Ab-
bildung 8). Sicher aber würde das Gegentheil der Fall sein, wenn
die Spitzen der Winkel nach oben gerichtet wären (vergl. Abbldg. 9).

Ferner muß man bei Anwendung der gebrochenen Linie jede

arithmetische
Fortschreitung
vermeiden, weil
dies die Richt-
ung verrückt
und die Sym-
metrie stört.
Nehmen wir
an, daß wir
drei Gemälde
von gleicher
Breite aber
verschiedener
höhe an einer

Wand (Abbldg. (0) anzubringen haben. Sei nun das erste Bild

l Meter, das zweite Bild 2 Meter und das dritte Bild 3 Meter
hoch, so dürfen wir dieselben auf keinen Fall ihrer Größe nach hinter-
einander aufhängen, weil auf diese Weise die Linie, welche durch die

Abbildung Nr. 10.





U

WIE




Abbildung Nr. ff.
 
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