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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Schliepmann, Hans: Ein amerikanischer Palastwagen-Zug
DOI Artikel:
Waldau, Otto: Ein Pariser Palais, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0145

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Juli-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite s07.

amerikanischen Stil nnd ausgesuchtesten diskreten Luxus zeigt. Die (Orna-
mente sind in dem drüben außerordentlich beliebten und jedenfalls noch
ungeniein entwickelungsfähigen „romuusslzus stils" einer Mischung byzan-
tinischer und romanischer Motive, gestaltet. Ganz prächtig fügt sich diesen
Formen der in Ehippendalestil gehaltene Schreibtisch mit Bibliothekfchränkchen
beiderseits bei. Hier findet man. nebenbei bemerkt. Tinte. Briefbogen mit
Umschlägen. Depeschenformulare. Hotel-
Verzeichnisse u. dgl. zu freier Benutzung;
ja auf der Dsusylvs-nia-Ruilronä harrt
sogar ein eleganter Herr vor einer Schreib-
maschine unentgeltlich Desjenigen, der ihm
etwa seine Geschäftsbriefe im Zuge diktiren
will, von dem sonstigen Luxus gewinnt
man eine Vorstellung, wenn man die prächtig
gemusterten, grünlich seidenen Vorhänge,
die halbrunden Gberlichtfenster aus gold-
farbigem. ornamental gepreßtem Glase und
das große Abschlußfenster mit aufgelegten
Goldverzierungen, die Gnyxsäulchen mit
Goldeinlagen, die reiche japanische Email-
vase und den schweren Schnur-Vorhang
(roxs-onrtaän) an der Rückwand näher
ins Auge faßt.

Weiterschreitend durch zwei Vestibüle
gelangen wir nun in den Speise-Wagen
(Beilage im 2. Bogen), dessen Hinterer Theil
die Küche einnimmt, die eine gewisse Aehn-
lichkeit mit einem .,Tischlein deck dich" haben
muß. denn inan begreift nicht, wie aus
einem so kleinen Raume so unendlich viele
Gerichte und Portionen Hervorkommen
können. Im Speisesaal selbst sind links
vom Längsgange Tische zu je vier, rechts
zu je zwei Plätzen aufgestellt; ungemein
breite Spiegelglasfenster, axial zu den
Tischen angeordnet, gestatten den Ausblick
während des Speisens; Blumen in den
Prachtvasen der Pfeilernischen spenden auf
der Fahrt ihre Düfte. (Auf den Abbil-
dungen erblickt man durch die Fenster hindurch andere Ausstellungsgegen-
stände; der Zug ist innerhalb des Transportwesen - Palastes auf der Aus-
stellung fotografirt worden.) Die geradezu monumental gestalteten Sessel
find als Klappsitze eingerichtet, um bequem am Tische Platz nehmen zu
können. Besonders hübsch sind die an der Decke vertheilten Beleuchtungs-
körper und der Abschluß mit seinem Bronzegitter. seinem Schnurvorhang

und seinein Spiegel gestaltet. -— Der nächste Wagen ist der Oomps-rtinsnt-
slssxinA-cur. ein Schlaf-Wagen mit Seitengang und einzelnen Abtheilen,
die jedoch geräumiger wie bei uns und als kleine Kabinen von äußerstem
Luxus gestaltet sind. Oft hat übrigens auch der offene Schlafwagen an
beiden Enden solche Kabinen neben den in jedem Wagen vorhandenen
Toiletten- und Wärterräumen. Die musterhaft splendid und mit allem nur

irgend Nöthigem ausgestatteten Wasch-
räume sind, beiläufig bemerkt, so luxuriös
gestaltet, daß z. B. die blitzblanken Nickel-
waschbecken in Vnyxplatten eingelassen sind.
Die Abbildungen Nr. ISA und gss zeigen
zwei derartige Abtheile, erstcre aus dem
Abtheilschlafmagen „Ferdinand". letztere
am Abschluß des offenen Schlafwagens
„Isabella" belegen. — Die amerikanischen
Wagen haben nämlich Namen, keine Num-
mern; dafür hört die Erfindungskraft be-
kanntlich bei den Straßen auf. die fast
überall nur nummerirt werden. — Aus Ab-
bildung Nr. qsq geht hervor, daß sogar
die Abtheile vom Durchgangsverkehr durch-
schnitten werden; bei Nacht werden nur
die Schiebethüren geschlossen und die Bett-
stätten durch Vorhänge vom Gange abge-
trenut. Die Konstruktion der Betten ist
sehr sinnreich und läßt sich, wie die Ab-
bildung zeigt, nicht ohne Weiteres errathen.
Die Sitze zweier gegenüberstehenden, zwei-
sitzigen Bänke werden soweit herausgezogen,
bis sie sich berühren und bis der glatte
Theil der RUcklehne in die Horizoutalebene
herabklappt. Unter den Sitzen befinden sich
die nöthigen Ständer, Decken und Kopf-
kissen der unteren Bettstatt („tzsrtli"). Die
obere ist bei Tage heraufgeschlagen und
ihr Boden bildet die schräge Wandstäche
über den ganz niedrigen unteren Fenstern.
Herabgeklappt schwebt sie über dem unteren
Bett und wird mittelst einer Leiter — oder
eines Klimmzuges — erstiegen. In den offenen Schlafwagen ist die Ein-
richtung die gleiche; nur werden zur Nacht Scheidewände, am Tage in dem
oberen Kästen verborgen, zwischen Koxf- und Fußende der aneinanderstoßenden
Betten eingesetzt. Letztere sind äußerst bequem und so breit, daß sie häufig
von je zwei Personen gemeinsam benutzt werden; auch schlafen Männlein
und Weiblein in demselben Wagen ohne Scheidung; nur die vorgehängte»

Leiten des Konferenzsaals sich hinziehen, überall Pflanzen und
Statuen, darunter zwei Kunstwerke, ein Ganymed auf den riesigen
ausgespreizten Flügeln des Adlers und die Figur Gthello's, das
verhängnißvolle Taschentuch betrachtend. Zn diesen Gallerten
sind die Wände mit Büschel aller möglichen Früchte und ihrem
grünen Laube bernalt.

Bon hier über Treppen, die sich nach den Leiten geheimnißvoll
fortsetzen und in mysteriöse Verließe zu führen scheinen, bei Nischen
vorüber, gelangt man in die Lalons. Alle in Halbdunkel gehüllt,
erfüllt mit Nippes und Figuren von vorzüglichster Ausführung,
mit kostbarsten Möbeln ausgestattet, bieten sie doch weniger des
Bemerkenswerthen mit Ausnahme des ^8u1ou vsustüsuch dessen
Wände und Möbel mit Gobelins bekleidet sind, die Lchöpfungs-
geschichte darstellend. Der Verfertiger konnte dabei seiner Fantasie
natürlich theilweise den freiesten Laus lassen und so sehen wir
auch auf den Rücken und Litzen der Ltühle die wunderlichsten Thiere.

Ebenfalls in diesem Theile des Palais befindet sich die
Bibliothek. Auch hier ist das Licht ein gedämpftes, denn es fällt nur
durch zwei Fenster, von denen je eins am Ende des riesigen Raumes
liegt, welche bis zur halben Höhe durch Holz verkleidet sind, und
im Uebrigen nur sehr kleine, rundliche, gelb angestrahlte Lcheiben
haben. Ein dicker, blauer Teppich mit großen, gelben Fantasie-
figuren bedeckt den Fußboden, in der Mitte des Raumes steht ein
sehr großer, prachtvoller Tisch aus dunklem Eichenholz, dessen
Lchnitzwerk Blumen, Blätter und dazwischen Käfer und Schmetter-
linge ausweist und dessen Platte von Frauengestalten getragen

wird. Alle möglichen prachtwerke liegen auf diesem Tisch, der
wohl nie zum schreiben dient. Zu diesem Zwecke ist eine Art
„Tylinderbureau" vorhanden, das höchst einfach ist und zu der
übrigen Einrichtung kaum paßt, dafür aber wunderhübsche Bibelots
trägt. Rund uni die Wände ziehen sich bis zur Dreiviertelhöhe des
Zimmers eichene Bücherregale, alle mit Werken über spiritistische,
theosophistische und ähnliche Fragen gefüllt. Ueber den Regalen
sind die Wände durch eichene Ltäbe in Felder getheilt, die durch
Korduanleder ausgefüllt sind, das auf goldene,n Grunde farbige
Fabelthiere und grüne Blätter aufweist. Mit eben diesem Stoffe
sind auch die Ltühle bezogen, prachtvoll präsentiren sich die
Thüren, ganz aus schwerem, dunklem Eichenholz mit Schnitzerei
bedeckt und von Karyatiden an beiden Leiten geschmückt, die die
Pfosten zu tragen scheinen. Auf den kleine Gallerten bildenden
Simsen der Thüren stehen Vasen aus vielfarbigem gebranntem
Thon und ebenso auf dem ganz ungeheuer großen Rainin, in
dem riesige Holzklötze liegen. Wenn diese brennen und Wärme
und Helligkeit verbreiten, so mag der jetzt recht düster erscheinende
Raum gar sehr behaglich und wohnlich sein. Der Plafond ver-
dient noch besonderer Erwähnung, denn er besteht aus schmalen,
aber ziemlich dicken Eichenbalken, die durch andere quergehende ge-
schnitzte, gleich Bändern wirkende, in bestimmten Zwischenräumen
wie zusammengefaßt sind. Unser Weg geht nun durch kleine
Eouloirs, durch die Lkulpturengallerie und das Konferenzzimmer,
zurück zum Licht und zur Lonne, über einige Marmorstufen zum
Speisesaal, der ebenfalls von sehr großen Dimensionen ist. (Schluß s.xxoq
 
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