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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Schliepmann, Hans: Ein amerikanischer Palastwagen-Zug
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Waldau, Otto: Ein Pariser Palais, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0144

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Leite 1(06.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Juli-Heft.

auch die Deckenbildungen sind nicht durchgeheuds so glänzend, wenngleich
das System eines Lüftungsaufsatzes ebenso wie die prächtigen, breiten Fenster
überall durchgeführt sind. Letztere schließen außerordentlich gut, auch findet
man nur Doppelfenster, so daß man auH^wch nach zehnstündiger Reise einer
Dame die Hand geben kann, ohne ihr vor Staub mohrengleiche Finger
entgegenzustrecken. Die Konstruktion der Decken ist in allen Wagen die gleiche
und scheint mir außerordentlich beachtens-
werth. Ueber eine, die ganze Decke wieder-
gebende Modellform werden große und
ziemlich starke Furnirplatten herumgebogen,
auf welche dann weitere Furnirlagen auf-
geleimt werden, bis das Ganze die erfor-
derliche Steifigkeit erlangt hat, um die
Form des Modells beizubehalten. Die
Ornamente werden aus einer lange Zeit
biegsam bleibenden Masse, einer Mischung
von Schlemmkreide, Leim und Syrup, in
Gipsformen gepreßt und auf die Holzflächen
aufgeleimt. Die Linzelformeu dieser Drua-
mente geben mit ihren weichen Flächen und
Linien, die in unserem Falle durchweg der
Empire-Richtung folgen, sehr richtig den
Karakter von Gußornament wieder;
nicht eben so stilgemäß ist es, daß das
Ornament in der Farbe des Holzes gehalten
ist, also erhaben geschnitztes Ornament
nachahmt. Wenn wir von der Technik
Gebrauch machen wollen, was mir sehr
empfehlenswerth erscheint, werden wir
organischere und auch wohl noch lebendigere
Wirkungen erzielen, wenn wir diesem auf-
gelegten Ornament seine besondere Farbe
oder auch zarte Vergoldung geben.

Als Holz ist bei den meisten ameri-
kanischen Wagen ein ganz dunkles Maha-
gony beliebt; bei unserem Ausstellungszuge
jedoch war durchweg das lebhaft rothe
„Vsriniliion^- oder Guineaholz zur Ver-
wendung gekommen, das sich bei dem
immerhin sparsamen Licht im oberen Theile des Wagens ganz außerordentlich
wirkungsvoll zeigte, namentlich im Verein mit den gelb- oder grünseidenen
Damastvorhängen der Fenster und der Bronze der Gitter und der Beleuch-
tungskörper. Letztere sind von ganz ausgezeichneter Arbeit und dem Lmpire-
geschmack angepaßt außerordentlich reizvoll entworfen.

wenn ich mich jetzt dem eigentlichen Harmonikazuge, dem Vsstäbulsä

train, zuwende, so werde ich technische Details kaum noch zu berühren haben,
da alles Wesentliche bereits beim Tageswagen erörtert wurde. Beim
Vsstidnlsä brnln sind die Plattformen der wagen rings»,n geschlossen; die
Verbindung zweier Wagen geschieht ganz wie bei uns durch jene gefalteten
Gummifiächen, die bei uns zu dem treffenden Spitznamen „Harmonikazug"
geführt haben. Die „Vestibüle" selbst jedoch sind geräumiger, eleganter und

durch reiche Verglasung Heller als bei uns.
Die Vergrößerung wird neuerdings dadurch
erreicht, daß die Stufen zum Wagen mit
überbaut und nach Schluß der Thür mit
einer fallthürartigen Platte überdeckt wer-
den, so daß der ganze teppichbelegte Raum
begehbar wird. Die Umständlichkeit dieses
Verschlusses kommt nicht in Betracht, da
jeder Wagen seinen besonderen Schaffner,
fiets einen „schwarzfarbigen Herrn", hat,
der auch noch eine zierliche Trittleiter vom
ganz niedrigen Perron bis zur ersten Wagen-
stufe aufstellt. Folgen wir diesem freundlich
grinsenden Krauskopf, der die für Amerika
ganz ungewöhnliche Gnade hat, einem
Nachts auch die Stiefel zu putzen, eine
Arbeit, die sonst nur die kleinen Putzer-
buben thun, und besteigen gleich hinter
dem Tender der Maschine den Zug. Der
erste Theil des ersten Wagens ist Gepäck-
raum und interessirt uns hier nicht, von
ihm aus gelangen wir in das Rasier-
und Badezimmer, deren bloßes Vor-
handensein ein Loblied auf den leisen Gang
der amerikanischen Wagen ist. Zn Deutsch-
land würde schwerlich ein Reisender I. Klasse
seinen Hals während der Fahrt auch dem
geschicktesten Figaro anvertrauen! — Den
Schluß des ersten Wagens bildet das Rauch-
abtheil (Abbildung Nr. Y72). Da der
Amerikaner bei seiner fast Don Ouixote-
artigen Rücksicht auf alles Weibliche nicht
in Damengesellschaft raucht, so läßt er hier
allen seinen Rücksichtslosigkeiten „unter uns Männern" die Zügel schießen.
Er flegelt sich in unglaublichsten Verrenkungen auf die außerordentlich
bequemen Lederpolsterstllhle, neben deren jedem in praxi ein riesiger blanker
Nickelspucknaxf steht, auf welchen beständig, hinter den riesigen Zeitungs-
blättern hervor, ein unfehlbar Zentrum treffendes Bombardement ausgeführt
wird. Dennoch liegt eine wirkliche Behaglichkeit über dem Raume, der echt

Abbildung Nr. yss. Doppel-Zimmep im Schlafwagen.

Mais.

von Btto Waldau, Paris. (Fortsetzung von s. W.)

oldene Stühle in Reihen aufgestellt, stehen auf dem
teppichlosen Parkett — Teppiche würden das Sprechen
erschweren und besonders nicht am Platze sein, da auch
Konzerte in diesem Saale stattfinden, zu welchem Zwecke an einer
Seite desselben eine Gallerte aus geschnitztem reichvergoldetem
L)olz hinläuft, auf der das Orchester Platz nimmt. Das Parkett
aus verschiedenem Holz weist die schönsten Muster aus. Zn den
Ecken und an den Wänden umher stehen hochlehnige Sessel gleich
Thronen in reichster Vergoldung; in den rothen Brokatstoff ist
ein springender goldener Löwe eingewirkt, darüber die Herzogs-
krone und darunter das Wappen, vier rothe Aepfel (pomms
Domar). Dieses Wappen findet sich überall, über den marmornen
oder holzgeschnitzten Kaminverkleidungen, über den Portalen, auf
das Leder der Stühle gedruckt, oder in den Seidenstoff dieser oder
jener Vorhänge eingestickt. Mit rothen Teppichen belegte Stufen
führen auf eine Plattform, auf der der Konferenztisch steht, nicht,
wie man dies gewöhnt, mit einfachem grünem Tuch, sondern
einer schweren rothen Sammtdecke bedeckt, die mit ihrer wunder-
vollen Stickerei — erhabene in farbiger Seide und Gold ausge-
führte Guirlanden — ein Meisterstück zu nennen ist. An beiden
Seiten der Stufen stehen hohe Kandelaber aus buntgemalter Terra-
kotta, eine Frau darstellend, zu deren Füßen ein nackter Knabe
spielt, während erstere in den erhobenen Händen die vielarmigen

Leuchter trägt. Der Konferenzsaal empfängt sein Licht ebenfalls
von oben, doch nicht der Plafond ist aus Glas, sondern rund
herum laufen oben kleine, im Halbbogen geformte Scheiben, die
Sonne darstellend. Der Plafond ist gemalt; die Mitte desselben
zeigt den Himmel, in welchem Engel sich spielend necken, über
dem Konferenztisch erblicken wir Apollo auf dem Sonnenwagen.
Theils sind die Einfassungen der Ausgänge mit Guirlanden aus
silbernen und kupfernen Blumen verziert, theils nur die Zwischen-
wände mit Malereien bedeckt, die mythische Figuren vorführen
mit lateinischen Devisen darunter.

An den prächtigen Konferenzsaal schließt sich direkt ein kleinerer,
gemüthlicher Raum, dessen dem Eingang gegenüber liegende Wand
ein riesiger Spiegel bildet, vor dem eine in Marmor ausgeführte
weibliche Figur ruht, eine verwundete Kriegerin, der ihr Schild
entfällt. Zn einer mit Palmen und Statuen geschmückten Ecke
stehen kleine Bänke und Sessel aus mit bunten Blumen bemaltem
Holz, ein gleiches Tischchen mit zwei Etagören dazwischen. Auch
hier bekundet sich der oft etwas excentrische Geschmack der Be-
sitzerin, denn die Sessel ruhen auf einem Untersatz, aus welchem
riesige Pilze emporwachsen. Einige der Statuen verdienen eine
besondere Erwähnung, z. B. ein ganz entzückender Amor, der mit
einem Blasebalg den Funken der Liebe in zwei Herzen zur Flamme
zu entfachen sucht, sowie ein im Gebet knieendes Mädchen mit
außerordentlich sprechendem Gesichtsausdruck.

Aus diesem Raum gelangt man in durch Oberlicht und
Glasfenster hell erleuchtete Gallerten, die um die anderen beiden
 
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