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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Volbehr, Theodor: Praktische Aesthetik im Hause
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Dankwardt, L.: Ausstellung des Vereins "Bienenkorb", [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0045

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Februar-Heft.

Seite 27.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

im Auge zu behalten: grobe Holzschnitte würden z. B. mehr am der wände und Geräthe stört
kratze Rupferstiche oder farbige Darstellungen und leb- j an die Genüsse der Tafel,

haste Farbendekorationen mehr als gedämpfte.

Zn ähnlicher weise wird jeder einzelne Raum seinen beson-
nen Zwecken gemäß seine besonderen Bedingungen stellen, die
einfach erfüllt werden müssen, wenn das Hein: den Anforderungen
,/praktischer Aesthetik" entsprechen soll. Und auch für jeden ein-
zelnen Gegenstand ist der Zweck der maßgebende Faktor. Es ist
mcht gleichgültig, wozu ein Stuhl, wozu ein Spiegel, wozu ein
irisch dienen soll. Ze nach dem bestimmten Zweck modifiziren
sich die Formen, der ganze Rarakter. Gin Stuhl, in dem man
ausruhen will, muß anders gestaltet sein als einer, in dem man
bei der Arbeit sitzen will. Lehnstühle an geselliger Tafel würden
uns ebenso unbequem sein, wie sie uns beim Plauderstündchen
bequem sind. Und ein Spiegel, der dekorativen Zwecken dienen
soll, muß anders geartet sein, muß anders angebracht sein, als
ein Spiegel, der Toiletten-Zwecken zu dienen hat. Es ist geradezu
eine Geschmack-
losigkeit, in einen:

Eßzimmer einen
Spiegel so auszu-
hängen, daß der
speisende Gast ge-
zwungen ist, sich
fortwährend selbst
im Spiegel zu
beobachten; das
Behagen des
Wahles, die Un-
gezwungenheit des
Genießens muß
dadurch gestört
werden, dieZwecke
des Eßzimmers
werden also durch-
kreuzt. So werden
wir überall be-
stätigt finden, daß
die Frage nach
den: Zwecke schon
in sich die einzig
berechtigte Rritik
bei der Beurtei-
lung einer Woh-
nungsausstattung
trägt, hat man
sich daran ge-
wöhnt, bei jeden: Gebrauchsgegenstand, ja auch bei jeden: dekora-
tiven Gegenstand, sich diese Frage vorzulegen und ehrlich zu be-
antworten, dann wird man kaum je in die Gefahr kommen,
Einrichtungen zu treffen, die einen: bald nicht mehr gefallen, man
wird aber sicher in den Besitz eines „behaglichen Heims" gelangen.

So schrumpft die ganze „praktische Aesthetik in: Hause" in
den einen Satz von der höchsten Zweckmäßigkeit aller Dinge in:
Hause zusammen.

Doch wieder höre ich den Einwand: dann zieht die Prosa
in unser Hein: ein, dann ist jeder höhere Schwung kunstgewerb-
licher Fantasie verpönt! Reineswegs! Der jeweilige Zweck kann
auch reiche Formen, reizvollen Zierrath verlangen. Ein Zimmer,
das für zierliche Ronversation, für anmuthigen und behaglichen
Lebensgenuß geschaffen wird, z. B. ein Damenboudoir, verlangt
geradezu geistreiche Formen, liebenswürdiges Farbenspiel in der
Dekoration, um seinem Zwecke entsprechen zu können.

Und ein Eßzimmer, das zum behaglichen Genießen aufsordern
soll, muß naturgemäß einen behäbigen Rarakter tragen. Dürftigkeit

naturgemäß die skrupellose Hingabe
Aber nicht nach solchen Beispielen
sollte die praktische Aesthetik immer und immer wieder greifen:
dann würde sie eine Aesthetik für die oberen Zehntausend. Ist
sie wirklich „praktisch", dann muß sie allen Lebensverhältnissen
gleichmäßig dienen können. Und für alle Lebensverhältnisse reicht
eben jenes Wort vom Zwecke aus. Die verschiedenen Lebens-
verhältnisse sind es allein, die die Zwecke modeln. Zeder Beruf,
jedes Einkommen verändert sie. Und das ist gut. Dadurch
werden die Anforderungen an das Leben und an das Hein: ver-
schiedene, dadurch erhält jedes heim sein individuelles Gepräge.
Und je individueller die Anforderungen, desto vielseitiger muß das
Runstgewerbe sein; je vielseitiger aber die Bethätigung des Runst-
gewerbes ist, desto reicher ist seine Rraft. wo aber das Runst-
gewerbe kräftig, fruchtreich blüht, da blüht auch der Wohlstand
des gesammten Gemeinwesens und mit dem Wohlstand entwickelt
sich in logischer Folge die innere Zufriedenheit eines Volkes. —

Musstellung des Vereins „Bienenkorb".

von L. Dankwardt. (Schluß IX», Seite 2S.)

Um so größer ist die Verpflichtung der Vorsteher kunstgewerb-
licher Unternehmungen dieser Art, nur solche Sachen an die Deffent-
lichkeit kommen zu lassen, die nicht die ersten und obersten Gesetze
der Dekorationskunst verletzen. Dem Laien macht es einen gewal-
tigen Eindruck, wenn die Runstwerke, die man ihn: zum Rauf
anbietet, von einer kunstverständigen Zury geprüft wurden. Es
ist stark zu hoffen, daß die Zury des „Bienenkorb" ihren Maßstab
verschärft und namentlich sein Organ „Bienenkorb" benützt, um
bei seinen Mitgliedern jenes karakteristische Merkmal des Dilet-
tantismus auszurotten, welches der alte Thomas Earlyle mit dem
Beispiel des Hutmachers illustrirte, der statt bessere hüte zu fabri-
ziren als seine Fachgenossen, größere hüte lieferte. Tarlyle schiebt
diese Erscheinung den: Evangelium des Mannnonismus in die
Schuhe. Sollte auch unser vielgeliebter „Nebenverdienst" eine Blüthe
desselben sein, an den: Bienen des „Bienenkorbes" saugen? —


Abbildung Nr. 8?§. Gothischep Rleiderschranl: und Waschtisch. Lntw. von A. BembL, Hof-Möbelfabrik, Mainz.
 
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