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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Schulze, Otto: Ueber Tafel-Silber und Tafel-Geräth
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Tafel-Schmuck und -Freuden, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0214

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Seite s62.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

November-Heft.

Material des vorliegenden Heftes, das mit dem Original-Entwurf
zu einem Ehren-Becher von p. p. Palme, in guten Renaissance-
formen gedacht, beginnt. Bleiben wir zunächst bei den meister-
haften Silber-Arbeiten, die das Heft in fo auserlesenen Stücken
bietet. Ist es doch kein Geringerer
als der bewährte Mitherausgeber
dieser Zeitschrift, der uns aus seiner
mit Arbeit und Erfolg gleich reich
beschenkten Wirksamkeit eine treffliche
Auslese spendet. Er ist der Urheber
der gediegenen Schöpfungen, welche
die Abbildungen Nr. sOHs, sOH5 sowie
die erste Kunst-Beilage wiedergeben.

Alle Schwächen des Materials um-
gehend, alle Vorzüge und Feinheiten
erkennend abwägend, stilistisch ver-
werthend, schafft der Künstler und
läutert Material und Zweck in seinen
Gebilden zu unvergleichlichen Werken
allerersten Ranges. Wer s888 in
München das Erbgroßherzogliche
Tafel-Silber, das Glanzstück der
badischen Abtheilung (vergl. Kunst-
Beilage I) gesehen hat, wird meinen
obigen Ausführungen zustimmen
müssen. Professor Götz hat seinen
eigenen Stil, und er bringt ihn per-
sönlich zum Ausdruck, darin alle die
Liebenswürdigkeit und anmuthige Zu-
rückhaltung wahrend, deren Nicht-
vorhandensein gerade eine Edelmetall-
Arbeit sehr leicht zu einer leeren,
protzigen prunkarbeit gewöhnlichster
Fabrikwaare herabsinken läßt. Noch

bescheidener in der Anwendung der Mittel ist das vom Altmeister
Hermeling, Köln, geschaffene Thee-Service in Abbildung
Nr. sOHZ. Zm Rokokostil in breiter Flächenanlage mit haus-
hälterisch vertheilten Ornamenten ausgeführt, besitzt gerade dieses

Service dadurch außerordentliche Vorzüge, welche es zur Zierde
des feinsten Thectisches erheben. Ein Prachtstück in Erfindung
und Ausführung ist der vom Prof. Rud. Mayer, Karlsruhe,
herrührende reizvolle Zagd-Becher in Abbildung Nr. sOHH.

Gut in den Verhältnissen, schön und
sinnig in den verwandten Motiven
und von vortrefflicher technischer Be-
handlung, scheint er geschaffen, einen
großen Nimrod zu beglücken. — Wen-
den wir uns den übrigen Abbildungen
zu, so empfinden wir, daß das Por-
zellan in nichts von seiner siegreichen
Laufbahn abgewichen ist. Es gedeiht
neben dem Silber in einer plastischen
und malerischen Verzierungsweise,
hinter der das Silber nothwendiger
Weise Zurückbleiben muß. Sind es
nicht wunderbare Gebilde, die uns
in den Abbildungen Nr. sOZfl, sO^O,
sOH7 und sOHfl ihre unvergleichlich
zarten und frischen Reize aufdecken I
Ich bin der Meinung, daß solche
Porzellane auch neben den werthvollsten
Silberarbeiten ihren Platz auf der
wirklich vornehmen Tafel behaupten
werden. Es ist etwas für lebensfreu-
dige, feinsinnige und poetische Naturen.
Ich habe viel, viel Tafel-Silber ge-
sehen — besessen nie — ich hatte
Gelegenheit, so manches herrliche
Stück im berühmten Tafel-Silber Sr.
Majestät des Kaisers bewundern zu
können, einzeln und im Zusammen-
hang der fürstlich aufgezierten Tafel;
bei einem entsprechenden kaiserlichen
Manufaktur zu Eharlottenburg
ein Porzellanservice schaffen würde, das dein Silberservice in mehr
als einer Beziehung nicht nur ebenbürtig, sondern in seiner duftigen

Abbildung Nr. ;ozy. Tafel - Lrurlztep aus Porzellan.

und doch glaube ich, daß
Auftrag die Königliche

Mfel--Mchmuck und -Mreuden.

^eim Arrangement einer Festtafel gilt, abgesehen von
der Sauberkeit, die kaum je ein Wirth vernachlässigen
wird, das Prinzip, jede Schwerfälligkeit und Eintönigkeit
zu vermeiden und dem Karakter derselben etwas Leichtes und
Heiteres zu verleihen, was sich unschwer durch einen angemessenen
Wechsel von Form und Farbe bewerkstelligen läßt.

Es ist nun freilich noch immer vorherrschende Sitte, den Tisch
bei großen Festessen mit einem rein weißen Damasttuche zu bedecken,
was in der Regel, da die Ausstattung der Eßzimmer in dunklen
Tönen gehalten wird, einen scharfen Kontrast zu dieser Umgebung
bildet, der vermieden werden sollte, doch wird dieselbe gemildert,
wenn man die Tafel reich mit Blumen schmückt, wie das jetzt
auch allgemein üblich ist.

Unter dem Tischzeug dominirten bis vor Kurzem Rokoko-
Ornamente mit mehr oder weniger reichen Blumen-Arrangements,
die sich nach der Mitte hin in kleinen Sträußchen oder einzelnen
Blümchen verloren, sei es, daß diese Ausstattung in den Hellen
und dunklen Partien des Damastes das Webemuster bildete, sei
daß sie in Handarbeit ausgeführt war und dann dem Auge

es

einen reichen Farbenwechsel bot. Die neuesten Musterungen wenden
sich dem Rokoko jedoch immer mehr ab und sind vorwiegend
naturalistisch gehalten; auch tritt die Farbe immer mehr hervor.
Es werden jetzt Damasttischtücher hergestellt, die über dem weißen

Grundmuster breite, mehrfarbige Blumenborden in leichter, far-
biger Kontur zeigen. Diese laufen über die ganze Länge des
Tisches ohne sich auf die Schmalseite zu erstrecken, sodaß man
sich das Tafeltuch in beliebiger Größe zuschneiden kann. Andere
kleinere Tücher, welche bezwecken, daß die Flanellunterlage, die
man dein Tischtuch zu geben pflegt, um das Geräusch beim
Wechseln der Teller zu vermeiden, überflüssig wird, und so dick
und weich sind, daß man piqusdecken in der Hand zu haben
glaubt, entwickeln einen großen Farbenreichthum. Ein Blumen-
gewinde, ganz naturell, in Blau, Roth und Gelb zieht sich mit
abgepaßten Ecken in mehrfachen Verschlingungen um den Rand,
während die Mitte von drei isolirt stehenden Kränzen eingenommen ist.

Zn der Ausschmückung des Porzellans überwiegt jedoch noch
ganz entschieden das Rokoko in Form wie Farbe. Terrinen und
Gemüseschüsseln, von ovaler oder länglich eckiger Gestalt, zeigen
an den Füßen und fast flachen Deckeln die launenhaft geschweiften
Linien des Rokoko, während die Schalen oft völlig muschelförmig
sind und die Griffe knorrigen Baumstämmchen gleichen, deren Er-
höhungen sich schmerzhaft in die Hand drücken. Die Malerei,
in einein oder mehreren matten Tönen ausgeführt, läßt ihre
Blumenfestons vom Rand auf den Teller herabfallen und ver-
sündigt sich mitunter auch noch derartig, die innere Fläche des-
selben mit einer Schäferszene auszugestalten. Zn den neuesten
Tafelservicen beginnt man jedoch ebenfalls, sich von den Bizarrerien
des Rokoko abzuwenden, und es ist nicht zu verkennen, daß die
Glanzzeit seiner Herrschaft vorüber ist.
 
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