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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Reimann, Franz: Die Zimmerdecke mit besonderer Berücksichtigung ihrer Bauart
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Hochegger, R.: Die künstlerische Erziehung der deutschen Jugend, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0094

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Seite 66.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Mai-Heft.

heim u. a., und heute bringt ruan deshalb solche Plafonds auch
nur in Repräsentations-Räumen an.

Zn Nachfolgendem sollen nun die verschiedenen allgemeinen
Gesichtspunkte, welche bei Anlage einer Decke in Hrage kommen,
erörtert werden. Neben dem Zweck des Raumes, über den weiter
unten etwas gesagt werden soll, ist bei Anlage einer Decke vor
Allem die Horm desselben in Betracht zu ziehen. So wird man
für eine Balkendecke einen
rechteckigen oder im Noth-
salle einen quadratischen
Raum wünschen, während
man die Aassettendecke auch
in vieleckige, runde, ja
sogar in unregelmäßige
Räume bringen kann. Zn
dritter Linie ist auch noch
die Größe des Raumes zu
berücksichtigen; je höher
das Zimmer, um so grö-
bere Profile, Ornamente
usw. kann man anwenden
und umgekehrt. Sind die
Horizontal-Ausdehnungen
des Zimmers beträchtlich,
so wird man die ganze
Anlage der Decke danach
einrichten, man wird z.B.
die Balken und die Ab-
stände derselben von einan-
der größer halten, oder
bei einer Aassettendecke den
einzelnen Heldern eine möglichst große Horm geben. — Und nun
noch Etwas über die verschiedenen Arten der konstruktiven Decke:

Die Steindecke fand ihre Anwendung zuerst in der Antike,
beschränkte sich meist auf schmale Räume und wurde durch Auf-
einanderlegen von Stein-Balken und -Platten gebildet. Sie wurde
vielfach durch Aufträgen von Harben in ihrer Wirkung erhöht.
Zn ihr sehen wir zuerst das Motiv der Aassette, das in späterer

Zeit in der Aassettendecke zu noch vielseitigerer Verwendung kam.
Ein hübsches Beispiel für diese Steindecke ist die aus der Vorhalle
des Theseion. Auch die romanische Periode weist noch Steindecken
auf, während die Gothik für Wohnräume dem Holz den Vorzug
gab; der größeren Spannfähigkeit des Holzes wegen.

Zwei weitere Arten der Deckenbildung, die der romanische
Stil weiterbildete, sind das Areuz- und das Tonnengewölbe. Das

Areuzgewölbe findet außer
seiner Verwendung in öf-
fentlichen Bauten, beson-
ders in Airchen, heute in
Trinkkellern und -stuben
Anwendung, wo es durch
seine Wölbungen und
Säulenstellungen, durch
hübsche Malereien oft an
Wirkung noch gesteigert,
dem Lokale einen gemüth-
lichen, so recht zum Zechen
einladenden Anstrich gibt.
Es schließt uns scheinbar
inehr als jedes andere
System von der hastenden
Welt ab, und erinnert uns
unwillkührlich an die in
ähnlichen Räumen abge-
haltenen Schmausereien
und Trinkgelage unserer
Altvordern. — Außerdem
bringt man das Areuz-
gewölbe noch in Aorri-
doren, Vestibülen, Aüchen, seltener in Treppenhäusern an. Ein
hübsches Beispiel für Areuzgewölbe finden wir im Refektorium
zu Maulbronn, sowie in den meisten romanischen Airchen.

Eine interessante Deckenbildung, die man unzweifelhaft als
Ausläufer des gothischen Wölbungssystems betrachten muß, sind
die Netzgewölbe des sogenannten Perpendikularstils, welche beson-
ders in England zur Zeit der Hrührenaissance angewandt wurde.

künstlerisch^ Erziehung

dev deutschen -Jugend*).

von Professor Or. R. Hochegger.

ine neue Epoche beginnt in unserem Geistesleben, das
Zeitalter der Wissenschaft hat sich überlebt und ein
Zeitalter der Aunst dämmert auf. So hören wir von
den Einen, während Andere behaupten: Deutschland sei mehr
denn je verlassen von den Musen; Alexandrinismus, Erlahmen
der Schaffenskraft sei wie auf anderen Gebieten so auch auf dem
der Aunst das Aennzeichen der Gegenwart.

Das Völkerleben stellt einen steten Wechsel dar, bald ein
Aufsteigen, bald ein Verfallen. Die Aulturaufgaben lösen einander
ab, jetzt schafft ein Volk Großes in der Wissenschaft, nun feiert
es Triumphe in der Aunst, dann erfaßt es die Begeisterung der
Religion, in der Holge drücken politische Kämpfe einem Zeitalter

das Gepräge auf. Welche Aulturausgabe obliegt etwa der Gegen-
wart? Die Antwort ist nicht schwer zu geben. Das öffentliche
und private Leben ist beherrscht von der sozialen Hrage. Zmmer
drohender schleicht das Gespenst der sozialen Hrage umher und
pocht an die Thore der Reichen wie an die Thüren der Armen,
Schrecken bringend den Einen, den Anderen Mißgunst und Ver-
langen erregend. Ganze Menschenklassen seufzen unter dem Drucke
der Nothdurft des Lebens, sie mühen sich ab im Schweiße des
Angesichtes und finden kaum für sich, noch weniger für ihre
Hamilien die Mittel zu menschenwürdigem Dasein, während die
Reichen und im Stande privilegirten sonder eigen Verdienst in
Ueppigkeit prassen. Solche soziale Ungleichheit erbittert die Ge-
mächer; die gesellschaftlichen Zustände haben eine derartige Span-
nung erlangt, daß es nur zwei Wege der Rettung mehr gibt:
in die Wurzel greifende Reform oder soziale Revolution. Die
Lösung der sozialen Hrage ist das Aulturproblem der
Gegenwart. Unter solchen Umständen, bei dem Drucke, der ob

") Aus Anlaß von „Konrad Lange, Die künstlerische Erziehung der
deutschen Jugend. Darmstadt. Arnold Bergsträßer. ;8yz." — K. Lange
hat einen Vorläufer an Martin Kimbel in Breslau, welcher in seiner
Streitschrift „Nothruf des Kunstgewerbes, Schulung und Niedergang des-
selben in Preußen", Darmstadt, Alexander Koch, 2. Auflage, ZSIZ, in uner-
schrockener, scharfer, aber zutreffender Weise die Mängel und Versäumnisse,
die grellen Mißstäude und Fehler des kunstgewerblichen Unterrichtes in Preußen
kennzeichnet. Kimbel gebührt das Verdienst, zuerst die Frage einer gründlichen
Reformation auf diesem Gebiete angeregt zu haben; seine Schrift ist um so
freudiger zu begrüßen, als sie auf dem Boden des Kunsthandwerkes selbst

erwuchs. Herr Kimbel ist ja den Lesern der „Innen-Dekoration" durch mehr-
fache zeichnerische Publikationen als trefflicher Kunstmöbel-Tischlermeister
wohlbekannt. Selbstbesinnung und Selbsthülfe in den betheiligten Kreisen
thut zunächst noth. Möchten alle Kunsthandwerker von der gleich idealen
Gesinnung, wie Martin Kimbel, erfüllt sein, das Kunsthandwerk würde dann
bald eine Wiedergeburt erleben. Freilich müssen auch in unserer Lebens-
auschauung Wandlungen sich vollziehen, insbesondere jene Ueberschätzung des
Intellektuellen (jener „Lateinhochmuth"!) aufhören und auch der tüchtige
Handwerker gesellschaftlich wieder zu Ehren kommen. Heute schämt man
sich ja des Handwerksbernfes!
 
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