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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Hofmann, Albert: Die Spiegel-Manufaktur in Bürgstein in Böhmen
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April-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

5eite 6f.

diese Zeit fertigte die Bürgsteiner Fabrik mit ihrer Filiale zu Wellnitz jährlich
ca. 8000 Stück ganz, s » nnd > s weiße, belegte und unbelegte Spiegel von
9—7S Zoll höhe und 7—-lo Zoll Breite, die hauptsächlich, soweit sie nicht
in Vesterreich verblieben, nach der Levante zur Versendung gelangten. Im
s. und s. Jahrzehnt unseres Jahrhunderts sah die Manufaktur eine Blüthezeit,
die namentlich durch einen hervorragenden Export nach Batavia, nach der
Levante, besonders Konstantinopel, wo der türkische Hof große Bestellungen
machte, nach Italien, Rumänien, Russisch-Polen usw. hervorgerufeu war.
Line Denkschrift hebt besonders hervor, „daß trotz des anerkannten Einflusses
der Franzosen in Aegypten die Spiegeleinrichtuug für die Residenz des Vize-
königs in Kairo seinerzeit von der
schlichten alten Firma in Bürgstein
geliefert werden mußte. Das eng-
lische Kasino in Smyrna, die Nieder-
lage» in Smyrna, Beirut, Konstanti-
uopel, Gdessa, Bukarest usw. der-
gen die wohlbekannte Bürgsteiner
Waare." In den letzten Jahrzehnten
produzirte Bürgstein jährlich 12000
Stück geschliffener, fassettirter und
belegter Spiegelgläser, die in der
ganzen civilisirten Welt ihren Absatz
siuden. I87q, wendete sich die Ma-
nufaktur mit neuer Kraft der Fabri-
kation der venetianischen Spiegel zu
und zwar mit glücklichstem Erfolge.

Neben dein Spiegel pflegt
Bürgstein auch die Herstellung der
Spiegelrahmen, namentlich mit Bild-
schuitzerei. Diese tritt schon is-19
in Bürgstein auf und findet in Hans
Hübner einen tüchtigen Vertreter.

In späteren Zeiten leuchten die
Vorfahren des berühmten Gabriel
Max, die Gebrüder Max, namentlich
der Bruder Anton, dann Josef und
Julius Melzer, Fr. Wessely, Anton
Wagner usw. Rm die Mitte des
7. Jahrzehnts unserer Zeit wird
Außerordentliches in Gold- und Pa-
lleten, mit kunstvollen Silbereinlagen
gezierten Rahmen geleistet. Unter
den aus der Fremde herangezogeuen
Bildhauern und Modelleuren wird
auch der Franzose Lharles Massou
genannt.

Als ein reizvolles, karakteristisches
Familienbild ist die Geschichte der
aus diesem Vrte zur Bedeutung ge-
laugten Familie Max zu betrachten.

Sie nimmt ihren Ausgang von einem
bescheidenen Häuschen, das der so-
genannten „Fichtelschänke" gegen-
über lag. Dieses wählte der Stamm-
vater der Familie, Anton Max, zu
seinem Wohnorte nach der Linwan-
derung, denn er war nicht in Bürg-
stein geboren, sondern wanderte im
Jahre i?5Z im Alter von 19 Jahren
aus dem bei Warteuberg in Böh-
men gelegenen Vrte Hammer ein,
als der Graf Josef Maximilian
Kinsky der Sxiegelfabrikation in
Bürgstein neue Impulse gab und
zu ihrer Förderung geschulte Kunst-
tischlcr für die Anfertigung der Zier-
rahmen suchte. Denn Anton Max hatte bei seinem Vater Jakob in Hammer
das Kunsthandwerk erlernt, das er nun für die Schnitzerei der Kunstrahmen
verwendete, daneben jedoch auch eifrig, besonders seit seiner vcrheirathung,
der großen Bildhauerei oblag. Die hierdurch geschaffene Kunsttradition blieb
in der Familie erhalten und mir dürfen in ihr die Atmosphäre erblicken, in
welcher der junge Gabriel Max aufwuchs und sich zu dem Künstler entwickelte,
den die deutsche Kunst heute in ihm verehrt. Neben Vesterreich hat somit auch
Deutschland Ursache, des Grtes Bürgstein in Dankbarkeit zu gedenken. Dem
ersteren gab es eine blühende, ihre Erzeugnisse über die ganze zivilisirtc Welt
verbreitende Industrie, dein letzteren einen glänzenden Künstler, der in der
zeitgenössischen Kunst durch die Richtung und Eigenart ieiner Werke eine
einsame, in der seelischen Vertiefung derselben unerreichte höhe einuimmt. —

-Dar unseren -Dllustrationen.

fE^tel-Vignette von h. werte. Scheuerfest werden unsere verehrten
Leserinnen sagen, Still-Leben nennen es die Künstler, wie hier die ver-
schiedenartigsten Stücke eines schätzbaren Hausraths zu einer malerischen
Gruppe vereinigt sind. Glücklich die Hand, die in zufälligem Zusammen-
schiebeu solch anmuthiges Ensemble hervorzubringen vermag, sie wird für
die Ausschmückung der wohnräume in ihrem natürlichen Gefühl für das
Schöne mehr leisten können, als wir mit vielen Worten zu berathen vermögen.

Reiche Saalthür mit an-
schließendem Getäfel, Abbil-
dung Nr. 900. Diese von L. Börn-
stein entworfene Thür zeigt flotte
Durchbildung im Barockstil. Die
Bekrönung, sowie die Füllungen und
Seitentheile sind reich geschnitzt und
die Ausführung ist in weiß mit
Gold zu denken. Die Täfelung
schließt oben mit einer nur schmalen
Zierleiste ab und für den übrigen
Theil der wand dürfte eine schwere
Velourtapete als am wirkungs-
vollsten empfohlen werden.

Blumen-Tisch von Rob.
BrLans, Abbildung Nr. 901. Dieses
Tischchen ist in Schmiedeeisen unter
Verwendung von Ziertheilen aus
blankem Messing ausgeführt und
eignet sich für seinen Zweck in be-
sonders glücklicher Art, indem seine
zierlich bearbeiteten Eisenstäbe sich
mit den Blättern und Blüthen der
Pflanzen in geschmackvollster Art
zu einein harmonischen Ganzen
vereinigen.

Interieurs aus einem Bres-
lauer Hause, von dem Architekten
Hans Griesebach in Berlin, Illustra-
tions-Beilage I und Abbildung Nr.
902 und 90-1. Die ersten zwei Bilder
führen unsere Leser in das Speise-
zimmer dieses herrlich eingerichteten
Wohnhauses, das im Stile der Hoch-
renaissance durchgebildet ist. Wand-
täfelung sowohl wie Möbel zeigen
keine Architektur, sondern nur Fül-
lungtheilung. Alle Flächen sind in-
dessen mit reichem Schnitzwerk bedeckt
und hier finden wir manch' edles
Stück wieder eingefügt, das von
zoo jährigen Erlebnissen erzählen
könnte. Ueberall zeigt sich die sichere
Hand des Künstlers, die das Alte
mitjdem Neuen so glücklich zu ver-
binden vermochte, daß ersteres zu
neuem Leben erwacht und nirgend
fremdartig in der Umgebung auf-
fällt. herrlich ist die alte Truhe
mit ihrer figurenreicheu Front-
schnitzerei zu einem Kredenz-Tisch
umgebildet. Der Untertheil des
Büffets ist neu hergestellt, oben fin-
den wir seine Schrankthüren aber
wieder mit alten Füllungen und
Tragesäulchen geschmückt. Darüber
ziert ein prachtvoller, alter Gobelin die wand. Auch für den Kamin ist
ein alter Marmorausban wiederverwcndet worden, und alte Bronzebeschläge
zieren den Tragebalken der im klebrigen neuen Decke. Der von deren Mitte
herabhäugende Bronzelüster ist neu und zeigt, wie treu der Architekt jeden
kunstgewerblichen Gegenstand dem Ganzen anzupassen verstand. — Der Salon,
Abbildung Nr. 902, ist in der etwa hundert Jahre späteren Stilperiode des
Barocks ausgcbildet, die den ganzen Vorrath der bekannten Architekturformen
für die Möbclfronten nutzbar zu machen wußte. Trefflich sind auch hier die
alten Sammlungsstücke mit dem neuen Mobiliar in Einklang gebracht und die
Dekoration des ganzen Gemaches athmet Lebensfrischc und behaglichen Genuß.

Fenster-Draperie, Abbildung Nr. 90s. Diese von E. Pittner ent-
worfene Dekoration ist im Geschmacke der Zeit Ludwig XIV. empfunden.

Abbildung Nummer 91z. Geschnilzkif Füllung in farbiger Relief-Intarsia.
 
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