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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Ausschmückung der Tafel in England: von unserem Spezial-Korrespondenten
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Tafel-Schmuck und -Freuden, [2]
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Seite s70.

Zllustr. k un st ge w erb l. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

November-Hest.

Schlosse Trianon versetzt glauben können. Die Stelle des Por-
zellans nimmt häufig buntes oder weißes Kristallglas ein, das
in Bronze, Gold oder Silber, kunstvoll ziselirt oder filegrirt, gefaßt
ist. Damit stimmen dann in der Regel die Karaffen, die Füße
der Gläser und die Griffe der Messer überein. Mitunter aber
sind die Tafel-Aufsätze, wie die kleinen Knizäunungen ganz aus
getriebenem Metalle. — Eine besondere Vorliebe hat man auch
für Gastmahle, bei
denen man das Licht
der Kerzen in Ge-
meinschaft mit dem
Tagesgestirn bei Ta-
fel aufwarten läßt,
und so seltsam die
Idee erscheinen mag,
so wirkungs- und
stimmungsvoll ist sie
doch in ihrer Aus-
führung. Den allzu
aufdringlichen
Strahlen der Sonne
wird der Zutritt ver-
wehrt, so daß sie
nur einen gedämpf-
ten Lichtschein in das
Zimmer werfen kön-
nen. Vor jedem Ge-
deck aber steht ein
Leuchter mit einer
brennenden Kerze,
deren Flamme von
einem kleinen Schirm umgeben ist, der ihren Schein nur auf einen
beschränkten Umkreis in nächster Nähe des Speisenden wirft. Zn
die Blumensträuße aber versenkt man in solchen Fällen oft kleine
elektrische Glühlampen stimmungsvoller Färbung, nicht um Licht
zu geben, sondern nur um die Kinder Floras nicht allzusehr in
den Schatten stellen zu lassen. Auf diese Weise veranstaltet man
auch gern eine italienische Nacht sri miuiatmrs auf dem Speise-

tische. Zn der Mitte desselben sehen wir dann eine der bereits
erwähnten Säulenbalustraden, von der sich abwechselnd Urnen und
Statuetten erheben. Die ersteren beherbergen Blumen und die
letzteren halten kleine, bunte Glühlämpchen empor, während von
einer stachen, mit Kindern Floras gefüllten Vase in der Mitte
Ketten elektrischer Lämpchen nach allen Urnen hingezogen sind.
Bei einer Gelegenheit, bei welcher auf chinesischem Porzellan

gespeist wurde, stellte
das Mittelstück der
Tafel, der Blumen-
behälter, eine Nach-
bildung des berühm-
ten porzellanthur-
mes von Peking dar,
an dessen Konturen
winzige Glühlichter
entlang liefen. Um
den Thurm herum
standen mit Blumen
gefüllte chinesische
Vasen und zwischen
diesen belustigten sich
Papierlaternen tra-
gende kleine Por-
zellanchinesen.—Bei
einem Zagd-Diner
war die Göttin Flora
durch blühendes
Haidekraut und Far-
ren vertreten. Die
Balustraden bildeten
Miniaturbaumstämme, in deren Mitte sich ein Tischläufer aus
grünem Plüsch befand, der Moos darstellen sollte. Hier und
da schaute aus den Blumen ein Meister Reinecke, ein Reh oder
ein Häschen hervor, und das Licht der zahlreichen elektrischen
Lämpchen war durch grünes Glas gedämpft, so daß Alles mit
der Farbe des Waldes erfüllt war. — Der Engländer liebt es
überhaupt ungemein, bei Gastmahlen aus besonderen Anlässen,

afrl-sMchmuck und

^evor Sie aber Zhre kunstkritische Feder ansetzen", ermahnt
sie mich mit freundlicher Vorsorge, „bitte, nehmen Sie
erst eine kleine Erfrischung". Sie tritt an die Kredenz
von braun gebeiztem Eichenholz und setzt ein Glöckchen in Bewegung.
Doch nein, es ist ein Gong. Das flache Metallbecken aus Silber
hängt in einem Reifen aus gleichem Metall. Auf seiner breiten
Fläche hebt sich der „schwarze Erdtheil" oxydirt aus dem silber-
weißen Ozean hervor. Zwei Boote sieht man an der Küste
halten. Ein galanter Europäer im unvermeidlichen Frack, sein
Ofenrohr, vulZo E-slinder, mit der Hand von sich streckend, stellt
sich mit anmuthiger Verbeugung einer afrikanischen Schönen vor
und schüttelt ihr die Hand. Wie könnte sie wohl anders, als
Land und Herz ihm öffnen I — Während ich die originelle Tisch-
glocke noch bewundere und mich frage, da ich den silbernen Klöppel
direkt auf das Land treffen sehe, was sich aus diesem wohl auch
für Deutschland Herausklopfen lassen mag, hat der Diener ein
Spiegeltablett gebracht, das von einem kleinen vergoldeten Metall-
gitter umgeben ist. Zwölf kleine, schlanke Kelche von weißem,
feingerieftem Glas, deren Füße und obere Kante mit feinem Gold-
rand verziert sind, stehen darauf und in ihrer Mitte eine gleich-
artige kleine Karaffe, deren Ausguß, Fuß und Stöpsel ebenfalls
Goldschmuck zeigen, und welche in ihrem Znnern die dargcbotene
Stärkung barg.

Während die Frau vom Hause jetzt einem neu angekommenen
Gaste entgegeneilt, kann ich mit Muße die Tafel studiren. Sie
ist über der weichen Unterlage mit einem Damasttuche bedeckt,
wie sie in dem Magazin von F. V. Grünseld, Leipzigerstr. 25,
in so vorzüglichen Exemplaren vorhanden sind. Dasselbe ist
zwar — nur in zwei breiten, wechselnden Streifen gemustert —
rein weiß, aber der herabhängende Theil erzeugt keinen zu scharfen
Kontrast, da er außer dem Fransenabschluß mit einer breiten
leicht mit Goldfäden durchzogenen Durchbruchborde in Handarbeit
versehen ist, während das Weiß auf dem Tische selbst nur noch
als ein Toi; unter vielen wirkt.

Vor dem Zubelpaar, deren Stühle sich durch Polsterung und
Blumenschmuck vor den anderen hochlehnigen Rohrstühlen unter-
scheiden, ist ein großes Blumen-Arrangement, von vorwiegend
weißen Blumen mit silbernen Myrthenzweigen untermischt, auf-
gestellt. Es ist in seiner Anordnung jedoch so niedrig gehalten,
daß das Ehrenpaar den Gästen völlig sichtbar bleibt. Zu beiden
Seiten dieses Hauptschmuckes stehen mehrfach gelheilte hohe silberne
Aufsätze für Konfitüren und aus diese folgen die schon erwähnten
Vasen, in deren Blumen das elektrische Licht glüht. Mit diesen
hat die Linie der Tafelaufsätze die größte Höhe erreicht und sie
fällt nun, sich noch vielfach in kecken Sprüngen von einem niedrigen
Blumen-Arrangement zu einer höheren Fruchtschale, einem Kon-
fiturenträger oder einem mit buntfarbigen Kerzen, deren Flamme
von kleinen Porzellanglocken umgeben ist, besteckten Armleuchter
ziehend, allmählich zu den Enden des Hufeisens ab, und diese
 
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