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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Bücheler, R.: Moderne Möbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0163

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August-k)eft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite f2f.

^odrrn^ ^Wvbel.

von R. Bücheler.

> s wird wohl Keinem, der den Lauf der Fabrikation kunstgewerb-
licher Gegenstände immer verfolgt hat, verborgen geblieben sein,
wie sich auf diesem Gebiet in letzter Zeit ein anderer Geist, den
wir mit Mode bezeichnen, Geltung verschafft hat. Da bei unseren
modernen Verhältnissen in der Dekoration eines Raumes die Möbel selbst
zuerst maßgebend sind und die Art der Ausführung der weiter hinzukommenden
Stücke bestimmen, so wird es sich lohnen, in erster Linie hier zu ergründen
zu suchen, was das kaufende Publikum sowohl wie den Fabrikanten bewogen
hat, Geschmack und Ansicht in kurzer Zeit ziemlich tiefgehend zu ändern.

Der Traum ging nicht in Erfüllung, mit dem lviederaufblühen der
Renaissance die eigentliche Richtung deutschen Schaffens auf kunstgewerblichem
Gebiete gefunden zu
haben. Sie wird ge-
genwärtig stiefmütter-
lich behandelt, ja fast
bei Seite gedrückt und
zwar einer Ausdrucks-
weise zu Liebe, bei
der besonders auffällt,
daß sie in chronologi-
scher Reihenfolge der
verschiedenen Epochen
die direkteste Vor-
gängerin der Renais-
sance war, während
wir diesmal von der
Renaissance zurück auf
den Stil der Gothik
gelangt sind. Warum
und wie wir auf diesen
Standpunkt kommen,
wird, wie ich denke,
kaum schwer zu er-
fassen sein, wir suchen
statt reicher Archi-
tektur, schweren Ge-
simsen und Schnitze-
reien nach einfachen,
klaren Formen an un-
seren Möbeln, wir
entsprechen dadurch
jedenfalls einem Zuge

unserer Zeit, welcher, vom Einzelnen abgesehen, gerade nicht der Stempel
übermäßigen Reichthums aufgedrückt ist, und welche auch keine schnelle
Lrwerbsfähigkeit eines solchen ermöglicht.

Diesem sich nun aus gegenwärtiger Lage von selbst ergebenden Grunde
gesellen sich noch weniger maßgebende bei, die aber immerhin dazu beitragen,
uns die früheren Formen leichter vergessen zu machen, wie viele Klagen
und Seufzer sind namentlich vom schönen Geschlecht nicht schon da ausge-
sprochen, oder, „weil man es eben so hatte", verschluckt worden, wo es mit
bestem Willen nicht im Stande war, den sich ansammelnden Staub und
Schmutz aus den unzähligen Ecken und Winkeln der Schnitzereien und
Architekturtheilen heraus zu bekommen. Letztere sind nun so ziemlich von
der Bauart der Gothik ausgeschlossen, deren glatte Flächen nunmehr um
so leichter gereinigt und sauber gehalten werden können, wir brauchen
uns aber beileibe nicht einzubilden, daß mit diesen Formen in unsere Woh-
nungen ein Geist einzieht, der, alle Freude und Lebenslust aus dem modernen
wohnraum verdrängend, nur Empfindungen wachruft, die der tiefernsten
Stimmung der Kirchenbauten mittelalterlicher Kunst gleichen — einer Stim-
mung, die wir in unserem Heim niemals brauchen und wollen, die überhaupt
mit unserer erregten, schnelllebigen Zeit nicht gut in Einklang zu bringen

Abbildung Nr. 99V.

Gittrrwerk für Zimmer - Verbindung
oder Erker-Bildung.

ist. Im Gegeutheil, wir können uns unsere Kneip- und Trinkstuben in
dieser Art und weise mindestens ebenso gemüthlich einrichten, als dies mit
den Formen der Renaissance der Fall war. Schon in der Farbenzusammen-
stellung ist uns hier eine womöglich noch größere Macht gegeben und ein
noch größerer Spielraum gelassen wie dort.

wir werden uns aber nicht verhehlen können, daß der Anstoß zu jeder
Umänderung des Geschmacks außer den oben angeführten vernunftgründen
auch in vielen Fällen der Nacht zuzuschreiben ist, welche die Mode bei den
modernen Geschlechtern ausübt. was der Mode den Einfluß verschafft, eine
solche Rolle in der Leitung aller gegenwärtigen Kunstprodukte zu spielen,
ist auf drei Ursachen zurückzuführen. Zunächst ist es die Freude an Abwechs-
lung, die Liebe zum Neuen, die dem Menschen von jeher eigen war, und
die bis jetzt fast immer den Haupttrieb bildete, für einen Gegenstand andere
Formen zu ersinnen. In zweiter Linie wird ein Wechsel der Mode nicht
selten durch die besseren Gesellschaftskreise bestimmt, deren Streben, immer

zu gefallen, immer
Lines das Andere zu
überbieten, nie ohne
Einfluß auf die Mode
sein kann. Die dritte
Ursache ist kaufmän-
nischer Natur, sie ent-
springt aus dem vor-
theil , den jeder
Geschäftsmann hat,
moderne Luxusgegen-
stände von Zeit zu
Zeit „alt" werden zu
lassen, d. h. von der
Tagesmode zu strei-
chen, um dadurch die
Produktion derselben
öfters zu erneuern und
so den Absatz zu ver-
mehren. Ls scheint
nun, daß diesmal die
erste der drei Ursachen,
Hand in Hand mit
den oben bezeichneten
Gründen die Führerin
war, welche dieNöbel-
industrie in andere
Bahnen lenkte, andere
Bauarten ersinnen
hieß. — Von Nutzen
und vortheil ist eine
solche Aenderung auf diesem Gebiete nur dann, wenn dieselbe mit allem
vorbedacht und mit aller Sorgsamkeit vor sich geht. Es muß in jedem
Gegenstände die durch seinen Gebrauch bestimmte Form vor allen Dingen
festgehalten werden, so daß man, ohne den Grundkarakter zu verletzen, nur
in die untergeordneten Theile, in das mehr Nebensächliche Abwechslung
bringt. Die andere Art der Neuerung aber, die heute so aufdringlich an
den Tag tritt, ist eine Sucht, die in allen Theilen der Kunstindustrie das
herauszieht, was anders zu machen ist, als man es schon gemacht hatte,
ohne sich durch die Hauptgrundsätze und Gesetze stören zu lassen, welche der
Zweck, die Bestimmung und die Bequemlichkeit jedem Gegenstand vorschreiben.
Diese Gesetze des Gegenstandes sind dann nicht bestimmend für die Aus-
arbeitung desselben, denn man versieht sie — um einen vergleich auzustellen
— in diesem Falle nicht mit Kleidern um sie zu bekleidern, sondern um sie
zu schmücken. Und eben daher kam es, daß wir der Möbel der letzten Zeit
überdrüssig wurden, die man trotz ihrer für das Auge blendenden Erscheinung
doch recht herzlich satt bekam. wir sind müde der steinarchitektonischen
Profilirungen, der unvermeidlich scheinenden Voluten und Rosetten, kurz der
ganzen Bauart der letzten Jahre mit ihren Verkröpfungen und aufgeklebten
Verdoppelungen aller Art an Gesimsen und Füllungen. Der Anklang, den
 
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