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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Bücheler, R.: Moderne Möbel
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Pariser Brief, [2]: von unserem Original-Korrespondenten
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0164

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Seite s22.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

August-Heft.

die Möbel in englischer Art seinerzeit allgemein gefunden hatten, ließ schon
eine neue Richtung vermuthen. Die Ausladungen der Profile wurden
gemildert, die unnützen Verkröpfungen kamen in Wegfall, die gedrehten
Glieder erschienen nicht mehr so eingeschnürt und dann wieder so unnatürlich
auseinander getrieben, sie wurden glätter und anspruchsloser. An Stelle
reich modellirter (Ornamente auf den Füllungen trat der einfache klare Kerb-
schnitt; man sah eben hier schon deutlich, daß sich ein ausgesprochenes Be-
dürfniß nach anspruchslosen Formen,
klaren und korrekten Linien geltend
machte, das jetzt zu dem noch etwas
strengeren Geist der Gothik geführt
hat. Man verschmäht jetzt nicht
mehr, diellonstruktionen des Möbels
durchblicken zu lassen, man theilt
durch sichtbare Rahmen und Fül-
lungen. Die Konstruktion ist für
das Möbel das, was dem mensch-
lichen Körper der Knochenbau ist.

Man sucht dieselbe zu verschönern,
und nur aus ihr ergibt sich die
Nothwendigkeit eines ornamentalen
Schmuckes. Die Konstruktion und
die Dekoration eines Möbels stehen
in innigster Beziehung zu einander,
und wo diese aushört, liegt ein
Fehler, eine Mißstimmung in der
ganzen Wirkung. Die Aufführung
eines Möbels, so wichtig oder un-
wichtig dasselbe auch sein mag,
wird nie den richtigen Eindruck
Hervorbringen, wenn nicht die Kon-
struktion desselben den Schmuck
bestimmt und sozusagen vorausge-
sehen hat, wenn seine Grundform
mit den Nebensächlichkeiten nicht
in Uebereinstimmung erscheint. —

Weit entfernt, nun die alten
Möbel der gothischen Epoche einfach
sklavisch nachzubilden, werden wir uns nur ans solche Formen einlassen, die
uns in der That behülflich sind, das vorgesteckte Ziel zu erreichen. Wir
wählen dazu die kräftigen Formen der Frühgothik, in der dann von uns als
spezieller Theil die Tyroler Gothik bei unserer gegenwärtigen Produktions-
weise als Vorbild benützt wird. Wenn heute schon wieder in gothischem
Stil Möbel konstruirt werden, die in ihren Einzelheiten das tief unter-
schnittene Maßwerk aufweisen, wenn überhaupt aus diesen Möbeln wieder

ganze gothische Bauwerke im Kleinen gemacht werden, so glaube ich kaum,
daß mit dieser „Neuheit" ein vortheil errungen wird, und daß wir bei
dem Tasten nach gesunden Formen auf festen Grund kommen. Es ist dann
anzunehmen, daß eben auch hier wieder die übersatte launige Mode sich aus
einen andern Stil geworfen hat, der dann solche Formen unterstützt, denen
wir kurz vorher zu entrinnen glaubten. Wir verbinden mit dem Geist des
Einfachen, Klaren die Erfahrungen, die bis jetzt auf diesem Gebiet gemacht

worden sind, mit den Forderungen
und Ansprüchen als Grundgedanken,
welche jedes Möbel zu stellen be-
rechtigt ist, wie sie den Bedürfnissen
des modernen Lebens am ehesten
entsprechen. Und zu verachten wer-
den diese Erfahrungen wohl nicht
sein, die seit etwa dreißig Jahren,
als wieder frisches Leben in die
Kunstindustrie kam, gesammelt
worden sind. Wenn es auch heute
für den Fabrikanten noch leicht ist,
das Publikum beim Einkauf seiner
Möbel zu beeinflussen und zu leiten,
so ist doch schon seit längerer Zeit
auch beim weniger bemittelten
Volke ein Umschwung in den An-
schauungen über das Kunstgewerbe
durch unsere Schulen und öffent-
lichen Sammlungen hervorgerufen
worden. Es darf aus diesem Grunde
denn auch angenommen werden,
daß wir mit diesen Erfahrungen
auf praktischem wie auch auf künst-
lerischem Gebiet die neuen Formen
mit einem verständniß erfassen und
ausbilden werden, das für dieselben
früher nicht vorhanden war. Ein
maßgebendes Urtheil ist heutzutage
kein besonderes Vorrecht der be-
güterten Stände mehr, sondern es
wird nach und nach mit allen Mitteln der Unterricht für jede Klasse der
Bevölkerung gehoben, so daß hieraus ein allgemeiner verbreitetes verständniß
für Kunst und Kunstgewerbe gewonnen wird.

Wir werden jetzt an unseren Möbeln allen denjenigen Details den
Eingang verschließen, die für Stein erfunden, und dann aber auch nur in
Stein ausgeführt, einzig und allein den Zweck erfüllen, der ihnen von ihrem
Urheber zugedacht war, und die dadurch heute noch das Auge des Kenners

von unserem (Original-Korrespondenten. (Fortsetzung von S.

anz reizend sind Liköraufsätze, bei denen ebenfalls Metall
mit Glas in Verbindung tritt, doch so, daß die Gläser
aus einem feinen Metallkelch aufsteigen und auch bei
der Flasche nur Fuß und Henkel das festere Material aufweisen
und noch schöner wohl solche, die ganz aus zart gerieftem Glas
bestehen, das oben farbig, nach und nach immer Heller wird, um
schließlich in weiß überzugeben. Ganz besonders hübsch sind die,
welche oben mattroth, dann durch verschiedene Abstufungen rosa
und endlich weiß werden und nächst diesen dunkler und Heller
goldbraun glänzend.

Gin ganzes Weinservice fesselte meine Aufmerksamkeit, aller-
dings noch mehr der Person wegen, für welche dasselbe bestimmt,
als um der Ausführung wegen, obgleich auch diese in ihrer Art
eine vollendete ist. Die Auftraggeberin ist nämlich die verwittwete
Hönigin Maria Pia von Portugal, welche sich vor Aurzem hier
aufhielt. Die Gläser, theils hellroth, theils weiß, waren ganz
glatt, in Holz geblasen und nur der Stiel wies einen feinen
Fassettenschliff auf. Das Monogramm der Aönigin und eine
Arone darüber waren in Gold ausgeführt.

Die Zusammenstellung von Glas und Metall findet nicht
nur in der beschriebenen Weise, sondern auch sehr viel bei Vasen
Anwendung, doch ist mir in dieser Beziehung etwas besonders
Geschmackvolles oder Schönes nicht ausgefallen. Noch immer

beliebt ist das gleich Aoralle erscheinende Glas, dem man meistens
die Form einer Lilie oder einer anderen Aelchblume gibt und das
mit filigranartigem Gold oder Silber übersponnen ist, oder aber
dessen Fuß aus feingearbeitetem Metall besteht. Gine ganz aus
Glas gefertigte Vase verdient dagegen ihres neuen Dessins wegen
Erwähnung. Gin weißer Glaskelch war von hochstengligen Lilien
in den verschiedensten Nuancen von Lila umgeben, weiter herunter
sah man nach jeder Seite gehend zwei große Blätter von Wasser-
pflanzen, aus denen Vögel und Eidechsen saßen, das Ganze ruhte
auf Baumfüßen.

Weit mehr Geschmack und Erfindungsgabe macht sich aber
im Allgemeinen bei den Vasen aus Porzellan geltend, welches
Material für diesen Zweck ja auch entschieden weit geeigneter
und hübscher erscheint. Ganz reizend ist z. B. eine, deren oberer
Theil die Form einer großen, flachen, doppelschaligen Muschel
hat, welche nicht liegt, sondern ausgestellt und nur ein ganz klein
wenig gespalten ist. Zn die schmale Geffnung arrangirt man
ein paar zarte Blumen und feine Gräser hinein, die daraus
hervorzuwachsen scheinen. Die Muschel wird von einem astartigen
Stück Aoralle gehalten, an dessen Fuße allerlei Seegethier umher-
kriecht. Fast ebenso schön ist eine andere, weit größere Vase, die
die Form eines unten ziemlich bauchigen Aruges hat, der in einen
engen Hals übergeht, welcher sich wiederum zu einem ziemlich
breiten Ausguß erweitert. Die Vase zeigte eine zartrosa Farbe,
über welcher es wie dichter Goldstaub liegt, durch den eine Land»
schaft hindurchschimmert. Der Ausguß wird durch mehrere blaß-
 
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