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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Schliepmann, Hans: Zwei Hauptmotive amerikanischer Innen-Dekoration
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Pariser Brief, [1]: von unserem Original-Korrespondenten
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0154

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Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

August-Heft.

gehender auf jene Motive, namentlich das H o l zg itterw e rk (Arillos)
und die Schnurvorhänge (rops-onrtuins) zurückzukommen.

Ich habe schon s. Zt. darauf hingewiesen, daß beide Motive
nicht eigentlich amerikanischen Ursprunges sind. Es wäre auch
befremdend, wenn sie es wären, denn der Amerikaner hat keine
starke künstlerische Fantasie, dafür aber einen außerordentlich Hellen
Blick für das, was ihm

Würfel oder dergleichen dargestellt werden. So findet sich unser
Netzwerk besonders häufig an modern-ägyptischen, -algerischen
und -tunesischen Luxusmöbeln; und ganz ähnlich erblicken wir
es denn auch im oberen Theile von Abbildg. 985, in der linken
oberen Ecke von Abbildg. 995 und über der Thür auf Abbildg. 99?-
— Zu diesem ersten Urmotive treten jedoch sogleich zwei andere:

das des Geländerstabes

nützen kann und eine be-
neidenswerthe Ursprüng-
lichkeit in der Aus- und
Weiterbildung des Ueber-
nommenen. Die Anre-
gungen zu dem überaus
beliebten Holzgitterwerk
haben ziemlich zweifellos
jene überaus zierlichen
und fantasievollen holz-
geschnitzten Netzwerke ge-
geben, welche in der
bekannten sternförmigen
Verschlingung die erker-
artigen Fenster arabischer
Harems (Muscharabiens)
abschließen. Es mag
beiläufig darauf hinge-
wiesen werden, daß diese
wieder als eine Ableitung
von jenen durchbrochenen
Platten aus Marmor,

Alabaster oder ähnlichem
edlerem Material zu be-
trachten sind, mit denen,

wie in der Hagia Sophia in Aonstantinopel, die Fensteröffnungen
seit byzantinischer Zeit ausgesetzt wurden.

Dieses orientalische Motiv wird minder schwer herstellbar,
sobald man von den Linienverschlingungen Abstand nimmt und
auf einfachem Auadratnetz basirende Sternmuster wählt, wobei
die Strahlen durch gedrechselte Stäbchen, die Anoten durch Äugeln,

Abbildung Nr. 97s. Interieur mit Gittrrivrrk. Siehe erlüut. Text

und das der ü jour-
Schnitzerei. Hier ist zu-
nächst bemerkenswertst,
daß der Amerikaner bei
der Ausbildung hölzerner
Geländer dem Material
weit ungekünstelter und
sinnvollerRechnung trägt,
also mit einem Worte
mehr Stilgefühl offen-
bart, als es bei uns ge-
schieht. Unsere Geländer-
docken streben stets nach
der schweren Wirkung
massiver Balluster, ihre
Formen sind aus der
Stein technik herüberge-
nommen. Die amerika-
nischen sind aus dem
einfachen Holzstab ent-
wickelt und zeigen die
einfachste Drechseltechnik.
Daß sich hierbei trotz
des Mangels an Wuchtig-
keit — die Holz ohne
unnatürlichen Zwang eben nicht hergibt — lediglich durch die
Eleganz der Verhältnisse ganz ausgezeichnete Wirkungen erzielen
lassen, ersieht man aus unseren Abbildungen Nr. 978,979,987,988,
990 und 998. Neben den ästhetischen Vorzügen ergibt sich noch
größere Billigkeit und geringere Einschränkung der Treppenlaufbreite.
Abbildung Nr. 999 Zeigt in der Mittelfüllung oben ferner,

von unserem Driginal-Aorrespondenten.

s gab eine Zeit, wo alle diejenigen Gegenstände, welche
nicht zur Ausschmückung der Person dienten, vom
Wechsel der Mode nur wenig berührt wurden und es
wäre damals wohl Niemandem eingefallen, daß man dieses oder
jenes Zierstück aus seiner Wohnung verbannen müsse, weil es
nicht dem augenblicklich herrschenden Geschmack entspreche. Heut
jedoch spricht die allgewaltige Herrscherin auch darin ihr Macht-
wort und obgleich die Welt ja im Allgemeinen so viel freiheits-
durstiger geworden, fügt sie sich diesem fast willenlos. Jede
Saison bringt uns daher auch in Bezug aus die tausenderlei Dinge,
welche jetzt in einer eleganten Wohnung für unumgänglich nöthig
gelten, die verschiedensten Neuheiten, Vasen, deren Muster im
vorigen Jahre noch als besonders originell betrachtet wurden,
stehen jetzt nicht mehr „auf der Höhe", wir wollen von anderen
Tellern speisen, als von denjenigen, welche vor einigen Monaten
unsere Tafel schmückten und Blumen entzücken uns nur noch in
einer Iardiniöre, die ein bisher nicht dagewesenes Dessin aufweist.

Es ist keine Frage, daß man in dieser Richtung häufig zu
weit geht, besonders insofern, als man oft mehr darauf sieht,
daß die Gegenstände sich durch Originalität als durch Schönheit
auszeichnen, aber glücklicherweise sind auch noch immer genügend
vorhanden, die auch in letzterer Beziehung nichts zu wünschen übrig
lassen und nur von solchen will ich Ihren Lesern hier erzählen.

Paris besitzt eine Straße, die, wenn man auf der Wanderung
sich befindet, um Neuheiten in Porzellan und Glaswaaren zu
entdecken, eine großartige Ausbeute liefert und daher in diesem
Falle ihrem Namen durchaus entspricht, sie nennt sich nämlich
Ans cls Daraclis. Freilich, wenn man nur die Schaufenster be-
trachtet, wird man kaum etwas Besonderes sehen, denn dieselben
sind im Allgemeinen klein und sollen die Aufmerksamkeit lediglich
insofern auf das Geschäft ziehen, als sie dessen Vorhandensein
überhaupt kund geben, nur wer eine Wanderung durch die Lager-
räume der Fabrikanten selbst unternimmt, wird die prächtigsten,
zierlichsten und neuesten Dinge bewundern können. Der Franzose,
der sich als Vorbild für die ganze Welt in Sachen des Geschmackes
fühlt, fürchtet immer, daß man seine Muster nachahmen werde
und läßt sich daher nicht so leicht herbei, dieselben zu zeigen.

Immer noch das allererste Magazin, soweit Glas in Frage
kommt, ist das weltbekannte von Bacarat, und wer hier nur
bewundern und nicht kaufen will, wird seine Erwartungen voll-
kommen befriedigt finden; die Preise allerdings erscheinen recht
hoch, höher sogar als für die gleich schönen und geschmackvollen
Sachen in anderen Magazinen. Einen wundervollen Eindruck
empfängt man beim Betreten des riesigen Raumes gleich dadurch,
daß all die Gegenstände nicht nur auf langen Glastischen auf-
gestellt, sondern auch die Wände zum größten Theil mit Spiegel-
glas bedeckt sind, so daß es überall wie von Diamanten funkelt
und glänzt, da sich all die zahllosen Gegenstände, die Prismen
der enormen Aronleuchter in den Tischen und Wänden wieder-
 
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