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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Walsch, Ignatz: Wohnungs-Arrangements in Mieths-Häusern, [2]
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Jander, Emil: Stickereien als Zimmerschmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0101

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Mai-Heft.

5eite 7 ft

ZUustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

seiner Produktion betrifft Gegenstände für die Znnen-Dekoration.

— Aus dem Fundament, das die Gegenwart legte, weiter bauend,
-wird die Zukunft den Sinn für die Fortschritte der Rultur als
heiliges vermächtniß wahren, damit die Nation würdig bleibe
ihres Ruhmes, als ein Volk der Dichter und Denker.

x-c ^Stickereien als -Hünmrrschnmck. ^

von Emil Zander, Breslau.

Ms gibt mir allemal einen Stich ins Herz, wenn ich wunderschön stilvoll

eingerichtete wohnräume betrete und mein Ange fällt plötzlich auf
einen Gegenstand, der die
ganze schöne Wirkung ver-
dirbt." Diese Worte hörten
wir kürzlich von einem ge-
diegenen Kenner des Kunst
gewerbes. Der Wann hat
Recht! Ls ist durchaus nichts
Seltenes, daß Zimmer, die
mit Hülfe eines Kunstverstän-
digen eingerichtet worden,
und in der That eine schöne
einheitliche Gesammtwirkung
erzielen, durch ein Stück, und
sei es auch noch so klein, ver-
dorben werden können. Das
Gesagte bezieht sich auch auf
falsch angewandte Stickereien.

— Alles im Zimmer ist in
schönster Drdnung, da be-
kommt die Hausfrau von einer
guten Freundin einen „schö-
ben" gestickten Läufer — na-
türlich „selbst" gearbeitet —
der auf einen Ehrenplatz An-
spruch macht. Schleunigst
wird er dorthin gelegt und
was ist die Folge? Die bis-
herige schöne, Herz und Auge
«rfreuende Ruhe ist dahin.

Wan sollte kaum glauben,
daß derartige Gewaltstreiche
möglich seien, und doch kom-
men sie alle Tage vor.

Die Stickerei nimmt
heutzutage bei der Znneu-
Dekoration, d. h. wenn sie
mit feinem verständniß an-
gebracht wird, einen hervor-
ragenden Platz ein und zwar
mit Recht, denn dieselbe ist
geht auf einer noch vor kurzer
Zeit nicht geahnten Höhe.

Alle Techniken, die wir an
den alten kostbaren Stickereien
unserer Wuseen und Privat-
sammlungen bewundern, wer-
den mit einer Meisterschaft
nachgeahmt, die geradezu er-
staunlich ist. Dazu stehen
Stickmaterialien zur verfü-
gung, von denen sich die Alten
nichts träumen ließen, mit
deren Hülfe es aber möglich
ist, wahrhaft hervorragend schöne Effekte zu erziele». Unser kaufkräftiges
Publikum scheint aber auf die meisterhaften Leistungen der Stickerei-Zndustrie
recht wenig Werth zu legen, denn die wirklich gut ausgeführten Stücke, die
alle soeben von uns angeführten Eigenschaften besitzen, sind schwer oder gar
nicht verkäuflich, dagegen ist billige Durchschnittswaare immer noch recht gesucht.

Trotzdem viele nuferer Hausfrauen selbst ihre Mußestunden mit der Her-
stellung kleinerer Stickereien ausfüllcn und sie also das mühselige und schwierige
einer solchen Arbeit aus eigner Anschauung kennen, entschließen sie sich doch
schwer, gerade für diesen schönen Kunstzweig etwas Besonderes anznwenden.
Leider nur zu ihrem eignen Nachtheil. Anstatt die für ein Zimmer erfor-
derlichen Stickereien besonders anfertigen zu lassen, damit sie zu dem Ganzen
passen, d. h. mit diesem erst ein Ganzes bilden, kauft sie die Hausfrau im
ersten besten Tapisserie-Geschäft, ohne sich etwas dabei zu denken, höchstens:

„Sieh zu, daß du billig kaufst!" Lin ganz falscher Grundsatz! Es liegt
auf der Hand, daß besonders angefertigte Stickereien etwas theurer sind.
Dafür harmoniren sie im Stil, in der Zeichnung, der Farbe rc. mit dem
vorhandenen. Der Zeichner fertigt, nachdem er das Zimmer besichtigt und
sich Skizzen gemacht, die Zeichnungen an, an denen er so lange feilt, bis sie
ihm selbst und seiner Auftraggeberin gefallen. Die Stickerin arbeitet sodann
unter seiner Leitung. Durch Zneinanderstechen und Linstechen werden die
schönsten Farbenwirkungen und herrlichsten Schattirungen erzielt, so daß
eine derartige Stickerei, wenn sie fertig ist, als ein kleines Kunstwerk in
jeder Beziehung gelten kann.

Wir haben nun die Erfahrung gemacht, daß in vielen Fällen wirklich
ein schönes Stück Geld ausgegeben wird, und hinterher doch nichts Befrie-
digendes erreicht wurde. Da
liegt es in erster Reihe an
dem Besteller! So sahen wir
kürzlich ein Zimmer, das als
ein wahres Schmuckkästchen
gelten konnte. Licheuge-
schnitzte Möbel, die Polster
mit herrlichen altpersischen
Möbelstoffen bekleidet; dazu
Vorhänge, Teppiche rc. Alles
wunderschön übereinstim-
mend. Auf dem Sofa aber
thronte ein bordeaux Plüsch-
kissen mit einem in zwar
natürlichen, aber unter diesen
fein abgetönten Farben dop-
pelt grell wirkendem Bouquet
aus rothen und gelben Rosen!
Jedenfalls die Lieblingsblu-
men der Frau vom Hause!
Die Blumen selbst waren sehr
schön naturgetreu schattirt und
, gestickt, das Kissen überhaupt
> kostbar, aber an diesen Platz
gehörte es nicht! wäre bei
dem Einkauf, resp. bei der
Bestellung, nur angedeutet
worden, wohin das Kissen
kommen solle, dann wäre
wahrscheinlich ein anderes
entstanden.

Derartige Beispiele könn-
ten wir viele anführen, doch
wollen wir es bei dem einen
bewenden lassen.

Nach all dem Gesagten
können wir den verehelichen
Lesern dieser Zeitschrift nur
Folgendes empfehlen: Bei
dem Ankauf oder bei der Be-
stellung von Stickereien, die
als Zimmer-Dekoration Ver-
wendung finden sollen, em-
pfiehlt es sich, mit dem ver-
käufer oder, was noch richtiger
ist, mit dem Musterzeichner
gründlich Rücksprache zu neh-
men. Ist es alsdann nöthig,
dann macht der Letztere an
(vrt und Stelle Skizzen und
fertigt danach die einzelnen
Stücke au. Der Besteller, resp.
die Bestellerin werden dann
die Genugthuung haben, in ihrem Heim wirklich schöne und stilvolle, oder
zum Mindesten zum Ganzen passende Stickereien zu besitzen, die das Zimmer
in Wahrheit zieren, d. h. also ihren Zweck erfüllen.

Jede Stickerei-Fabrik oder jedes größere Tapisserie - Geschäft ist im
Stande, derartige gute Stücke auzufertigen, oder deren Anfertigung zu ver-
anlassen; sollte am Platze ein derartiges Geschäft nicht existiren, dann wende
man sich schriftlich an ein auswärtiges, beschreibe das Gewünschte recht
genau und füge, wenn möglich, eine Stoffprobe, ein Stück Tapete oder sonst
etwa vorhandene Skizzen, Zeichnungen re. bei. Man wird dann umgehend
die angefertigten Muster auf Papier zunächst zur Ansicht empfangen, nicht
Lonvenireudes bemängeln und eventuell nochmals Zeichnungen bestellen, wir
sind überzeugt, daß auf diese weise nur etwas Gutes zu Stande kommen
wird, zur Freude des Bestellers, sowie zum Segen des Kunstgewerbes. —
 
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