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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Volbehr, Theodor: Das Kunstgewerbe und die Künstler
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Waldau, Otto: Zur Geschichte der Innendekoration bezw. der Möbel, [1]: unter besonderer Berücksichtigung Frankreichs
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0014

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Teile 2.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Januar-Heft.

kunstgewerbl und dre°Himstler.

von 1)1. Th. volbehr in Magdeburg.

l s gibt Gemeinplätze, die Niemand in den Mund nehmen
mag, weil sie gar zu selbstverständliche Wahrheiten
enthalten und die man dennoch mit goldenen Lettern an
dieGiebel aller Kunst-
gewerbeschulen und
aller Kunstakademien
anschreiben sollte;
ei» solcher Gemein-
platz ist der Satz:

Die Künstler und das
Kunstgewerbe gehö-
ren zusammen! Es
gab ja eine Zeit, wo
der Künstler, der
Ateliers und Aka-
demien, der Paris
und Rom besucht
hatte, mitleidig lä-
chelte, wenn von
Kunstgewerbe die
Rede war, wo ein
Künstler den kühnen
Wann entrüstet an-
geblickt hätte, der
von ihm kunstgewerb-
liche Entwürfe oder
irgend welche An-
regung in kunstge-
werblicher Beziehung
erbeten hätte. Die

Zeit scheint vorbei zu sein. Es gibt zahlreiche Künstler, die
gern — wenn sich ihnen die Gelegenheit bietet — aus dem
Hüllhorn ihrer Hantasie allerlei Anregung für das Kunsthandwerk
ausschütten, die als „kunstgewerbliche Zeichner" sich hoher An-
erkennung und nachschaffender Bewunderung erfreuen, da es

Abbildung Nr. 8-45. Salon a. d. Hause des Kunstsammlers A. PH. SchulÄt in Hamburg.

Nach einem Lichtdruck, im Besitz der Kunsthandlung ). M. Heberle, Köln.

wahrlich nicht an Gewerbetreibenden fehlt, die dankbar nutzen,
was ihnen entgegengebracht wird. And doch ist nicht Alles so
wie es sein sollte. Es fehlt das intime Zusammenleben von
Kunst und Kunstgewerbe noch immer, wie es die Zeit Dürers
und Holbeins gehabt hat; es fehlt bei den Künstlern das Gefühl
von der immensen Bedeutung des Kunsthandwerks auch für

die „hohe Kunst";
und es fehlt bei den
Kunst - Handwerkern
das Bewußtsein von
dem wirthschastlichen
Werth des hochent-
wickeltenGeschmacks.
Nicht überall ist das
der Hall, aber nahezu
überall. Der Kunst-
handwerker arbeitet
inehr oder weniger
— es ist hier immer
nur von den Durch-
schnittsleistungen die
Rede — nach der
Schablone; wie er
es gelernt hat, so
schafft er sein Leben
lang, höchstens daß
er,je nach dem „Stil",
der verlangt wird,
gewisse Modifikatio-
nen eintreten läßt;
vonIndividualität ist
selten die Rede. Da
guckt einen denn aus

den Möbelmagazinen, aus den Goldschmiedläden die Langeweile
gähnend an. Hier sollte der Künstler rathend, spornend zur Seite
stehen. Er arbeitet ja nach der Natur, er weiß, daß jedes kleinste
Geschöpf, jede Pflanze, jedes Blatt besonders gestaltet ist, daß
jede Veränderung ihre triftigen Gründe hat, daß die besonderen

ur der -Dnnendekorativn

dezw. der Möbel

mit besonderer: Werüclrsichtigung IrcrnkreicHs. — I.
von Btto Waldau. Paris.

an würde sich über den gegenwärtigen Stand der Möbel-
fabrikation und über das Wesen dieser blühenden
Industrie, die in Deutschland, England und Hrank-
reich auf einer so hohen Stufe steht, kein vollkommen richtiges
Nrtheil bilden können, wenn man nicht auf ihre Vergangenheit
zurückgreifen und die Hrage erörtern wollte, wie sich dieselbe im
Laufe der Jahre Schritt für Schritt entwickelte und welche Um-
stände ihre allmähliche Vervollkommnung beeinflußt haben. Ich
werde mich daher im Holgenden an der Hand der Geschichte
zuerst über Möbel selbst verbreiten, welche den wesentlichsten Theil
des zu erörternden Gegenstandes ausmachen, dann auf die Teppiche
zu sprechen kommen, auf die Tapisserien, die Tapeten, die Glas-
malereien (und schließlich auf die Gesummt-,Zimmerdekoration.
Auf diese Weise wird man zu gleicher Zeit einen Ueberblick
darüber gewinnen, wie es ehedem auf diesem Gebiete aussah und
wie es heutigen Tages damit steht.

Die einst so berühmte Kunst des Orients hatte im Alter-
thume ihren glorreichen Stempel all den einzelnen Theilen der
Zimmerdekoration aufgedrückt. Die Teppiche besaßen jenen
Hantasiereichthum, jene kühne Härbung, jene schwungvollen Dessins,

wie wir sie bei unseren heutigen Habrikaten fast vergeblich suchen.
Den orientalischen Geschmack machten sich die Griechen und Römer
zuerst zu eigen, von noch feinerer künstlerischer Veranlagung
wußten sie in der Ausschmückung ihrer Wohnungen geradezu
Wunderbares zu leisten. Bei ihnen finden wir Gemälde, Statuen,
Vasen, kostbaren Marmor, Mosaiken usw. im Neberfluß.

Die Gallier und die Germanen bekleideten ihre Wände und
Möbel mit Thierfellen. Bald kamen auch die gemalten Rohr-
geflechte auf, welche vornehmlich die kleine Stadt pontoise so
kunstvoll fabrizirte, daß sie den orientalischen Geschmack über-
trafen. Die byzantinischen Stoffe und Gewebe aller Art folgten
auf die Geflechte. Dann kam die Renaissance. Sie entwickelte
den Geschmack noch weiter und eröffnet« neue Absatzwege: Habriken
entstanden fast überall, die Stoffe, Emails und Möbel herstellten,
welche denen des Orients an Schönheit nichts nachgeben. Ober-
schäftige Gewebe, Tapisserien aus gegoltenem (sehr hartem) Leder
(von Kalbfellen und mit Blumen geschmückt), Wappen und Ver-
zierungen mit gemalten, vergoldeten und versilberten Buckeln
dekorirten dis Wände der Wohnungen.

Im s8. Jahrhundert treten an deren Stelle Tapeten aus
Damast, dann leichte, hellgemalte Holzvertäfelungen, später Spiegel.
Nun brachte man überall Spiegel an, sowohl an den Wänden,
als an den Möbeln. Das war der Triumph des Reizenden und
des Rokoko.

Nach s78ff nahm die Zimmereinrichtung wieder den grie-
chischen oder römischen Stil an. Was unsere Zeit betrifft, so
 
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