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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Schmidt, E. A.: Das Kunstgewerbe und die Innen-Dekoration auf der Gewerbe-Ausstellung in Erfurt
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0203

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5eite j53.

Gktober-6eft. Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Das

unstgewerlit und die

-^dkiwratioil

von E. A. Schmidt in Berlin.

lisstellimg in


ie napoleonischen Kriege und die damit unglücklicher weise zu-
sammcnfallende Neigung zu einfachen Formen, die man antik
nannte, hatten in der Ausbildung des Handwerks eine schwere
Lücke gerissen; aber sie wäre wieder ausgefllllt worden, wenn
nicht zu gleicher Zeit das Fabrik- und Maschinenwesen eingctreten wäre.
Sobald die Handarbeit auf die Maschine übertragen wurde, war das Hand-
werk in seiner Grundlage
zerrissen. Alles drängte auf
billige Massenfabrikation,
die neuen Hülfsmittel und
Kräfte wurden ausgenutzt
und Kunst und Kunstsinn
gingen zu Grunde, jedoch
wie überall, so auch hier,
jede Sache hat einmal ein
Ende. Der Niedergang des
Kunstgewerbes fand das
Seine durch die großen Aus-
stellungen. England, das
Land, welches in der Aus-
bildung des Maschinenwe-
sens am weitesten gegangen
war und in Folge dessen
jegliche Kunstform am rück-
sichtslosesten geopfert hatte,
bemerkte und empfand die
Abbildg, Nr, 1027, Fanklislc-Wöl'rl l>. m, Aimbel,Breslau. Fehler der Maschinenpro-

duktion am lebhaftesten.
Man hatte gelegentlich der Welt-Ausstellung von Z85; erkannt, welche vor-
theile Frankreich, das durch Erhaltung seiner alten Kunstüberlieferung unter
dem schädigenden Einfluß der Massenfabrikation am wenigsten gelitten hatte,
resultirte, und man beschloß, die fehlende künstlerische Ueberlieferung durch
planmäßige Vorbildersammlungen künstlich zu ergänzen. Ls entstanden die
Kunstgewerbe - Sammlungen, die wiederum sofort, damit das vorhandene
Material auch ausgenutzt würde, die Vermehrung der Kunstgewerbe-Schulen
zur Folge hatten. Der vortheil, den diese Einrichtungen zeitigten, trat bald
zu Tage. In Deutschland bestanden allerdings derartige Institute schon seit
den ersten Dezennien dieses Jahrhunderts, allein sie wurden wenig beachtet
und verkümmerten. Nachdem aber England in dieser Beziehung vorgegangen,
schenkte man auch in Deutschland derartigen Anstalten wieder größere Auf-
merksamkeit, und eine kräftige Wiederbelebung, im Zusammenhang mit einer
Vermehrung des Materials, schaffte eine lebensfähige Grundlage für das
Kunsthandwerk und die Kleinkunst. In Folge dessen hob sich das Kunst-
gewerbe schnell; die Gewerbe - Ausstellungen, die Prüfsteine für das Kunst-
gewerbe, drängten einander und auf jeder neuen erwies sich das Handwerk
leistungsfähiger. Speziell die Möbel-Ausstellungen zeigten diesen Fortschritt
mit klarster Deutlichkeit.

Zu welcher Höhe gerade die Kunsttischlerei sich aufgeschwungen, ist
eben jetzt wieder in den Möbelkojen der Thüringer Gewerbe- und Industrie-
Ausstellung zu Erfurt gezeigt. Es sind das meisterhafte Zimmereinrichtungen,
welche einige größere leistungsfähige Firmen Thüringens mit vielen Opfern
an Zeit und Geld zur Schau gestellt haben. An diesen ausgestellten Möbeln
kann man eine für unser modernes kunstgewerbliches Leben recht interessante
Bemerkung machen. Neben streng architektonisch gegliederten Stücken tauchen,
wenn auch noch vereinzelt, Arbeiten auf, die mit Anklang ans Japanische,
sich nicht an logischen Aufbau kehren, sondern nur das gegebene Material
konstruktiv als Stützen, Platten und ausfüllende Flächen verwerthen. Als
Beispiele möchte ich die Rohr- und Bambus-Arbeiten, die Gartenmäbel, die
sogenannten Wiener Stühle, gewisse Tabourets rc. rc. anführeu. Diese Er-
scheinung, die im Zusammenhänge mit der modernen Eisenkonstruktion steht,
tritt besonders in England jetzt mehr und mehr in den Vordergrund und

verdankt zum Theil ihren Ursprung auch der Maschinenfabrikation, als eine
zweite Umgehung des zu Anfang geschilderten Uebelstandes, der Verflachung
des Kunstgewerbes. Verhältnißmäßig am reinsten von dieser Einmischung
ist das gothische Zimmer geblieben, welches die Firma Friedr. Btto, In-
haber Kind, Erfurt, ausgestellt hat. Ls ist das naturgemäß, da gerade die
Gothik durch ihren logischen Aufbau der Thürmchen, Säulen, Pfeiler, Bogen
und Profile wie kein anderer Stil, außer vielleicht der Renaissance, geeignet
ist, sich jeglicher Einmischung zu erwehren. Diese Firma hat ihre Aufgabe
in trefflichster weise gelöst. Die Einrichtung entspricht durchaus den Anfor-
derungen, die man an ein stilgerechtes und behagliches Herren-Wohn- und
Arbeits-Zimmer stellt. Die hellbraun (naturfarben) gebeizten Eichenmöbel
koutrastiren angenehm mit den gleichfalls hell gehaltenen gothischen Tapeten-
und Deckenmustern. Man hat mit Absicht die Tönung etwas hell gehalten,
damit auch dem Laien sofort die überaus präzise Solidität der Arbeit ins
Auge fällt, was bei dunkel gebeizten Gegenständen weniger der Fall sein
kann. Die Einrichtung besteht aus einem mit viel Glück ins Gothische
übersetztem, hochlehnigcm und überdachtem Sofa, einem großen Tische und
einem kleineren, ähnlich den sogenannten Luthertischchen, vier Lehnstühlen,
zwei kleineren Tabourets, einem Schreibtische mit dazugehörigem Armstuhle,
Büffet- oder Bücherschrank, einem Deckenspiegel mit Konsole, einer Standuhr,
Wandschränkchen, Postament rc. Das Ganze macht, verbunden mit geschmack-
voller Stoff-Dekoration, den Eindruck vollster Behaglichkeit und erinnert an
die massive Pracht der mittelalterlichen Patrizierwohnungen. Aeußerst praktisch
ist es, daß bei den Kastcnmöbeln die Füße nur durch Profilirung angedeutet
wurden, es fällt hierdurch das lästige Loslösen derselben fort. Die Brna-
mentirung der Flächen ist meist in Kerbschnitt ausgesührt, eventuell hat man
Relief mit vertieftem Grunde angewandt. Ferner wäre noch zu erwähnen,
daß bei den Stühlen die
vorderen Beine senkrecht
stehen, die Hinteren dagegen
im stumpfen Winkel zurück-
geneigt sind, wodurch eine
ganz eigenartige Wirkung
erzielt wurde. Absolut stil-
rein hat man die Gothik
auch nicht anwenden können,
da bei der Uebersetzung ins
Moderne oft Vermittlungen
nothwcndig wurden.

von gleichem werthe,
was Ausführung und Ar-
rangement betrifft, ist das
Zimmer in deutscher Re-
naissance von Hoffmeisier
L Grosser in Gotha; es
ist ein wohn- und Speise-
zimmer, sehr reich ausge-
führt, in dunklen Tönen
gehalten. Im Gegensätze
zu dem vorigen, welches
Parkettboden zeigte, ist hier
der ganze Fußboden mit
bordeauxfarbenem Friesstoff
bekleidet, der zusammen mit
den dunkelbraun gebeizten
Holztheilen der Möbel in
guter Wirkung zur fahl- Abbildg.Nr.Z028. Fantasie-Möbel v. rN.Aimbel, Breslau,
grünen Polsterbekleidung

und zur etwas leuchtenderen grünen Tapete steht. Im Hintergründe befindet
sich ein nach dem Zimmer zu durch Geländer abgegrenzter Erker, zu welchem
ein paar niedrige Stufen heraufführen. Er ist behaglich mit Polsterbank,
 
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