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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Schliepmann, Hans: Die Mitwirkung des Architekten bei der Innen-Dekoration
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Januar-Heft.

Seite 9-

Die des Mrchitekten der der -Dnnen-^Mekorativn.

von Hans Schliepmann.

n Frankfurt a. AI. gab es einen protzen, der den Hirniß
seiner „Bildung" auf merkwürdige Weise erhöhte: er
hielt sich eigens einen geldbedürstigen jünger des
Städelschen Institutes, der ihm wöchentlich einmal den von ihm
sorgfältig gemiedenen Schreibtisch in malerische Anordnung
bringen mußte. Ich habe diesen Mäcen in seinem, selbst das
Kleinste durchdringenden Kunstbedürsniß immer für ein Juwel
gehalten. Daß er, ganz unter uns gesagt, an Kunstverständniß
mit jedem Büffel
um die Palme rin-
gen konnte -— nun
ja, das ist ja wahr.

Aber er that doch
was für die Kunst!

Er hatte doch das
Gefühl dafür, daß
er seine nur zum
Geldzählen geeig-
neten Finger von
jedem Wirken künst-
lerischer Art fern-
lassen müsse, und
er setzte doch die
Künstler in Nah-
rung! Möge sein
Same darum wer-
den wie der Sand
am Meere, zum
Heile der armen
Kunst, der ärmeren
Künstler. — Doch,
im Ernste gespro-
chen: welch kläg-
licher Zustand, wenn inan dem eigenen Geschmack so wenig Zu-
trauen kann, daß man selbst dort fremder Drapirung bedarf, wo
sich die Persönlichkeit am Deutlichsten aussprechen müßte!

So darf man auch einen Schritt weiter gehen und sagen:
welch kläglicher Zustand, wenn „Tapezierer und Dekoratör" ihre
„neuesten Dessins" nach dem Musterbuch in einer Wohnung an-
bringen, und der ganze Antheil des Besitzers bei dieser Thätigkeit
in der Bezahlung der mehr oder minder gepfefferten Rechnung
besteht. So weit heruntergekommen ist, dank unserer ganz vor-
züglichen Schulbildung, das Publikuni leider im Allgemeinen,
und ich sehe wirklich auch für die Gegenwart wenig Hoffnung,
unserer durch Schwindelbazare und Surrogatfexerei noch vollends
verderbten großen Masse auch nur zu einen: Schimmer von Ge-
schmack zu verhelfen. Aber ein Anderes ist es, die Bethätigung
des Geschmackes vernachlässigen, ein Anderes, sie unmöglich
zu machen; und von letzterem möchte ich diesmal reden.

Eben weil der Geschmackssinn so außerordentlich darnieder-
liegt, trotz aller Luxusindustrie, aller Borlagewerke — und aller

Abbildung Nr. 8SZ. Tafel - Service b

literarischen Ereiferungen (denn ich weiß, daß auch dadurch nur
Einer auf Tausend vielleicht zu bekehren ist) und weil man
diese Schönheitsblindheit doch nicht obenein noch für alle Zukunft
aufrecht erhalten kann, so muß für die Erziehung des Auges
gerade an der Stelle mehr gethan werden, wo unbewußt die
lebendigsten Eindrücke ausgeübt werden: innerhalb der eigenen
Wohnung. — Gewiß, es sollte hier Jeder nach eigenem Ge-
schmack schaffen! Aber da dieser Geschmack meist fehlt, so

bedürfen wir —
leider — noch der
Erzieher; über-
dies aber bringen
es unsere deutschen
städtischen Wohn-
verhältnisse mit sich,
daß wir unsere
Zimmer nicht nach
unseren Bedürf-
nissen einrichten
können, weck wir
die Wohnung mie-
then, wie sie der
Baumeister,erstellt'
hat (um dies neu-
modisch - geistreiche
Wort auch gleich
festzunageln).

Der Hausschöpfer
ist daher der ge-
borene Geschmacks-
Silber. erzieher. Aber wie

„Muster geschützt." erfüllt er diesen Be-

rus, eine wirkliche

Kulturmission? —- Dhne Frage, sobald es sich um vornehmere
Häuser für einen festen Besitzer handelt, der womöglich eigenartige
Geschmacksansprüche geltend macht, weiß der Architekt von heute
das Innere des Gebäudes genau so eigenartig wie das Aeußere,
ja eigenartiger noch, auszustatten. Die Fähigkeit zur Innen-
Dekoration fehlt unseren Baukünstlern keineswegs, besonders nicht,
wenn die Kosten keine Rolle spielen. Aber all dieses Können
stellt sich lediglich in den Dienst der Wohlhabendsten, derjenigen,
die zun: Geschmack nicht mehr erzogen zu werden brauchen —
es sei denn zu einfachen:, nationalem, nicht allerorts modischem
Protzengeschmack. Bei den: gewöhnlichen Bürgerhaus bleibt
dagegen die Sorge um das Innere den einzelnen Handwerkern
und ihren: beschränkten Gesichtskreis, ihren: Mißgeschmack, ihrer
Knauserei usw., mindestens aber ihrer handwerksmäßigen Schablone
überlassen. In den Großstädten zumal ist dieser nichtsnutzige
Schlendrian geradezu zun: System ausgebildet. Der Unternehmer
— freilich auch meist ein Kerl, der nur durch Wechselreiten we-
nigstens seinen Namenszug geläufig zu schreiben gelernt hat —
 
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