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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Bötticher, Georg: Englische Tapetenmuster
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Idstein, Karl von: Ueber Zimmerschmuck, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0257

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5eite

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration. Dezember-^eft.

So ist also von diesen englischen Mustern für jeden einsichtigen Interes-
senten der Tapetenindustrie recht sehr viel zn profitiren. Der Zeichner wie
der Fabrikant, der Händler nnd der Tapezierer und nicht zuletzt das Publikum
können für den Geschmack dabei Allerlei erlernen. Keineswegs dadurch, daß
sie die englischen Muster kopiren oder kopiren lassen. Dieses Verfahren wäre
ebenso unwürdig wie — im geistigen Sinne — unniitzlich. Studiren mögen

unsere Industriellen und
Kunstgewerbezeichner diese
originellen Fabrikate nnd
eine Fülle von Anregungen
daraus schöpfen, Wenn sie
das künstlerische Prinzip
dieser Muster erst voll be-
griffen haben werden und
alsdann im gleichen Sinne
neue und eigene Komposi-
tionen schaffen, so wird man
mit Recht Solches nicht als
Nachahmung bezeichnen
dürfen. Auch würde eine
sklavische Nachahmung der
Muster — abgesehen von
der Unschicklichkeit und
Geistlosigkeit solchen Ver-
fahrens — nicht auf den
Dank der deutschen Fabri-
kanten zu rechnen haben.
Unser Publikum — ich spreche
von der großen Masse der
Käufer — steht diesen Er-
scheinungen der englischen
Industrie zunächst höchst
befremdet gegenüber. Ls
kann im besten Falle nur
nach und nach dafür ge-
wonnen werden. Für jetzt
würde es den ihm unver-
ständlichen Genre, auf For-
mat,Kolorit, Formengebung
nnd Gesammtwirkung hin,
entschieden ablehnen. Die
neue Formensprache muß
ihm gewissermaßen übersetzt
nnd für seinen Gebrauch
zugerichtet werden. Schon
dadurch werden die deutschen Muster, die dieses Genre unzweifelhaft anregen
wird (und schon angeregt hat), einen anderen Karakter erhalten nnd den
englischen keine Konkurrenz machen. Im Gegentheil, eines wird das andere
verkaufen helfen. Das Aufkommen deutscher Muster dieser Gattung wird den
englischen hinsichtlich des Absatzes nützen und umgekehrt. Und das ist bei den,
echt künstlerischen Karakter dieser neuen Richtung hoch willkommen zu heißen.

Wir Deutsche haben den Engländern gegenüber noch den vortheil, daß
wir die neue Richtung in zweifacher weise benutzen können. Die englische
Tapete, wenigstens die bessere, hat bekanntlich von jeher in der Verzierung?-
weise den Karakter des Materials, des Papiers, zu wahren gesucht, wir
Deutschen sind von anderen Prinzipien ausgegangen und haben die Papier-
tapete, in Anlehnung an die verzierungsweise der Gewebe, stofflich behandelt.
Beide Arten der Verzierung, die englische wie die deutsche, haben ihre Be-
rechtigung. — wir können also, da unser Publikum beide Auffassungen gelten
läßt, den neuen weg, den uns englische Künstler zeigen, nach dieser oder
jener Richtung verfolgen und besonders auch für die stoffliche Behandlung
unserer Tapeten Nutzen daraus ziehen.

Aber, noch einmal sei es gesagt, nur das Prinzip soll als nachahmens-
werth hingestellt sein. In der Formengebung wollen wir unsere Ligenart
wahren und — ein Jeder nach seinen Kräften — ornamental oder „natura-
listisch" (wenn es nur gut ist, gilt beides gleich viel) sinn- und geschmackvolle
Wandbekleidungen in unserer heimischen Formensprache zn schaffen suchen.
— Doch nicht nur den englischen Künstlern, die im Mnsterzeichnerfach thätig,
auch den Fabrikanten muß im Hinblick auf diese neue Gattung von Tapeten
entschieden Lob gespendet werden. Es ist kein leichtes Unternehmen, eine
neue Formensprache beim Publikum einzuführen nnd die Londoner Fabrikanten,
die dies im vorliegenden Falle unternommen haben, die Firmen Essex L Lo.,
Jeffrey L Lo. und Andere haben bedeutende Gpfer bringen müssen und
gebracht, ehe sie sich eines lohnenden Erfolges freuen konnten. Und sie ver-
dienen besonders hervorgehoben zu werden ob der findigen und geschmackvollen
Art, mit der sie diese neuen Muster technisch auszuführen verstanden, was
unsere Abbildungen natürlich nicht zeigen können, das ist der lasurartige
Auftrag der Farbe, die fast den Karakter der Deckfarbe verloren hat und eine


Tiefe und Transparenz zeigt, die an Aquarellfarben erinnert. Eine gewisse
Zusammensetzung von Farbe, Wasser und Klebstoff, sowie eine eigenartige
Handhabung des Modelbretts (die besseren Muster sind fast durchgehend Hand-
druck) ermöglicht bei Auftragung von größeren Farbflächen gewisse, sich wieder-
holende Effekte, die, als eine Art Korn, der Fläche eine schillernde Beweg-
lichkeit verleihen. Durch diese sinnreiche Manipulation erlangt der englische
Fabrikant auf eine völlig kostenlose Manier das, was bei uns in Gestalt von
„Effekten", „jsnx äs tonä^ gestochen oder gravirt und theuer bezahlt
werden muß.

Auch die Einführung der für die Zimmerwirkung so vorzüglich geeig-
neten Kolorits, von denen schon in Bbigem die Rede war, ist mehr den
Fabrikanten als den Künstlern zu danken, wenn auch einige von letzteren
darauf hingewiesen haben mögen. Schließlich mag noch die dezente und
geschmackvolle Anwendung des wollstaubs nnd des Glimmers mit Lack-
überzng erwähnt werden, die an den englischen Fabrikaten auffällt. Be-
sonders das letztere Verfahren hat bedeutende vortheile vor der Anwendung
nrserer Bronzen, selbst der mattesten, voraus. Es erzielt künstlerischere Wir-
kungen und mit bei weitem geringeren Kosten. Auch hierin ist von den
Engländern etwas zu lernen. Georg Bötticher.

eder

von Karl von Idstein. (Schluß von Seite Z87.)

<E°e nun, mache man es mit diesen Fotografien wie der Japaner mit seinen
Kleinigkeiten, stelle man nur das Allernothwendigste auf und verschließe
man das Uebrige für besondere Fälle in Kasten und Mappen und Kassetten.
In der Wahl der Wandbilder sehe man mehr auf die Güte und Ruhe als
auf die Menge und Buntheit.

Endlich der Pflanzenschmuck. Seit man die Pflanzen künstlich und
in den Farben so schön nnd naturgetreu herstellt, dürfen wir auch solche
„Surrogate" gerne zum Zim-
merschmuck verwenden. Die
so trefflich nachgeahmten
Kirsch- und Apfelblüthen-,

Schlehdorn., Pyrrhuszweige,
die Chrysanthemum, Mohn,
die schlanken vornehmen Iris-
arten, werden in hohen Vasen
und Stengelgläsern außer-
ordentlich schmücken. Sie wer-
den oft Ersatz bieten für
lebende Pflanzen. Wo immer
thunlich, sind allerdings selbst-
redend letztere der anmuthigste
Zimmerschmuck. Sie bringen
erst den Wohnräumen Leben
und sprechen von der Pflege
und Liebe eines aufmerksa-
men, schönheitsfrohen Frauen-
wesens. Die Dekoration einer
Zimmerecke an der Fenster-
seite mit einem Pflanzen-
ständer, mit hohen Palmen
und anderen Gewächsen, mit
den in Japan so beliebten
kleinen Ziergärtchen nnd
Zierhäuschen, die Verstellung
eines etwas grellen Fenster-
lichtes mit solchen Schmuck,
stücken, ist eine häufig ge-
wählte Zierweise. Seltener
sieht man einen förmlich
pyramidalen Pflanzenaufbau,
welcher am Fußboden beginnt
und ein Holzgestell zum Ge-
rippe hat. Sehr hübsch wirken
solche Gestelle in Fenster-
nischen, ein verdecken derselben
durch vergoldetes Gitterwerk,
zwischen dem einige Ranken
Hervorbrechen, gibt einen dem Zimmer entsprechenden Abschluß. Ein beschei-
denerer, aber nicht unbedeutenderer Schmuck der Zimmer ist der von jeher
übliche Tische und Gestelle zierende Gartenstrauß, für welchen der heutige
kunstgewerbliche Markt Vasen aller Art liefert. Auch ein Sonntags gepflückter
Feldblnmenstranß wird viel Freude bereiten, und wer es versteht, das Herbst-
laub zum Schmuck der wohnräume zu verwenden, wird sich und Andere
ergötzen und dies um so mehr, als er „mit wenig Mitteln viel erreicht". —

Nr. W78. Tapete von Sssex L Lo., London.

mmnerschmuck.
 
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