Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

DOI Artikel:
Mielke, Robert: Die moderne Zimmer-Gothik
DOI Artikel:
Schliepmann, Hans: Für eine Deutsche Ausstellung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0036

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Teile 20.

Illustr. kun stg ew erb l. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

wo seine aufstrebende Linienrichtung durch das Uebermaß der
Horizontalen aufgehoben wird. Weniger anspruchsvoll ist der
Bücherschrank aus den Händen von I. Urin er in München
(Abbildung Nr. 878), der ohne Raum- und Materialverschwendung
schlicht und recht seinem Zwecke dient. Die hier beliebte (Orna-
mentik dürfte noch gewinnen, wenn der Grund roth oder blau
gefärbt wird, mit jenen Farben, die der Gothik in besonderem
Maße eigen sind, und die auch noch heute von den Bauern Tyrols
mit Vorliebe gebraucht werden. Nahe steht demselben das Büffet
in Abbildung Nr. 87s>, welches durch die originelle Alapp-Vor-
richtung ausgezeichnet ist. Durch Herunterschlagen der Verschluß-
platte wird dabei sogleich eine breite Tischplatte hergestellt, die
dem Zwecke des Möbels sehr zu Statten kommt.

Werfen wir noch einen Blick auf den Aleiderschrank (Ab-
bildung Nr. 87(s) und den Marmorkamin (Abbildung Nr. 877),
für welch' letzteren leider in modernen Häusern wenig Raum ist,

Februar-Heft.

nachgeht, wird ihre Nachwirkungen selbst noch im Barock vor-
finden. Vielleicht — es sei das eine angenehme Schlußhoffnung —
bringt uns die Zukunft hier noch manche freundliche Ueberraschung.

"Mttv eniH ^WoutschH Musstellung!

von Hans Schliepmann. (Nachdruck erwünscht.)

er Gedanke einer Weltausstellung in Berlin ist durch
das Verhalten der Reichsregierung in nebelhafte Ferne
gerückt — und die Einsichtigen werden dem verschwin-
denden Phantom kaum eine Thräne nachweinen. Wer den „Rum-
mel" einer Weltausstellung kennen gelernt hat, weiß, daß wir
dergleichen geruhig unseren lieben Nachbarn und Phrasenschwingern
überlassen können. Das dunkle Gefühl dafür hatte ich schon, ehe
ich Thicago besuchte, wie aus meinen Erörterungen „Das Aunst-
gewerbe und die Weltausstellung" in: September-Heft des Iahr-

Abbildung Nummer 8Sö. Thril-Ansicht rinrs gothischrn Wohn- und Speisezimmers. Lntw. II. ausg. v. m. Aimbel, Breslau.

so übersehen wir, wie geschmeidig die Formensprache der Gothik
für eine ausgiebige Verwendung in dem Innenraume ist und wie
malerisch dieselbe sich entwickeln läßt. Ich will dabei dieselbe
nicht gerade für den „Mußstil" eines patriotischen Herzens erklären,
oder in demselben einen vollkommenen Ausdruck deutscher „Bieder-
männerei" sehen; er dürfte aber unter all den Rezepten, welche
uns aus der stilistischen Apotheke gereicht wurden, derjenige sein,
auf welchen wir neben der Frührenaissance durch Herkommen und
Neigung hingewiesen sind. Zwar hat die Geschichte der letzten
Jahrhunderte anscheinend einen Schnitt durch die Entwickelung
gemacht — aber doch nur anscheinend. Denn wie ich früher schon
mehrfach betont habe, hat er sich auf die Bauernkunst zurück-
gezogen, wo noch häufig Anklänge zu finden sind. In England
ist er auch nicht in dem Maße wie bei uns vernachlässigt — hat
doch selbst Meister Ehippendale ihm wohl so manche Anregung
zu danken —; die Tyroler Zimmer-Gothik hat mehr wie einen
Bewunderer gefunden und wer in Skandinavien ihren Spuren

ganges s8y2 dieser Zeitschrift einigen besonders liebenswürdigen
und gedächtnißbegabten Lesern vielleicht noch erinnerlich ist. In-
zwischen habe ich beim Abschluß meiner Ehicagoberichte noch
besonders auf die unabwendbaren organischen Gebrechen jeder
Weltausstellung verwiesen und fühle nach meinen in Amerika
gewonnenen Erfahrungen trotz alles Ruhmes, den dort die deutsche
Industrie geerntet, mehr als je, daß für uns eine große „inter-
nationale" Schau geradezu ein Unglück wäre.

Ganz anders aber liegt die Frage einer „deutschnatio-
nalen" Ausstellung! Hier sind alle Grundübel einer Welt-
ausstellung vermeidbar; alle Vortheile aber können von unserer
Industrie ausgenutzt werden — und diese Vortheile thun ihr in
dieser Zeit geschäftlichen Niederganges noth genug. Und deshalb
erscheint es hohe Zeit, ernstlich der Aufgabe der Veranstaltung
einer großen deutschnationalen Ausstellung näherzutreten. In
Berlin hat bekanntlich der Magistrat eine übereilte Ablehnung
eines solchen Unternehmens für später noch einmal in Erwägung
 
Annotationen