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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Manefeld, Johannes Franz: Der schwarze Spiegel
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Schulze, Otto: Die Keramik im Dienste der Innen-Dekoration, [2]
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Mattiacus: Ausstellung in Wiesbaden
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0192

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Seite sHH.

September-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

schwarz Spiegel.

von I. Manefeld.

ftcht so allgemein verbreitet als man annehmen sollte, ist die Be-
nutzung des schon im vorigen Jahrhundert aufgekommenen
schwarzen verkleinerungs- oder Sammelspiegels. Ls erscheint
daher wohl nicht ungerechtfertigt, wenn wir durch eine Erörte-
rung der vortheile und Annehmlichkeiten des kleinen Geräths auch in
unserem Leserkreise dafür Freunde zu erwerben versuchen.

Konvex geschliffen, hat das Glas des Spiegels doch nur eine so sanfte,
kaum merkliche Wölbung, daß das Bild keinerlei störende Verzerrungen auch
bei unmittelbar nahen Gegenständen erfährt, nicht wie bei den Glaskugeln,
die man bisweilen in Gärten als Spielerei angebracht findet, wo allerdings
die landschaftliche Umgebung verkleinert, richtig und interessant erscheint,
der oder die Beschauer aber ihr liebes Ich als drollige Karrikaturen erblicken,
mit fürchterlicher Nase und jämmerlich kleinen Beinen, Kindern allerdings
und sehr harmlosen Gemüthern eine (Duelle der Belustigung.

Das Glas des Sammelspiegels ist aus der Rückseite mit Asphaltlack
bestrichen. Die Bilder, die auf dem sammtartig glänzenden schwarzen Grunde
zur Erscheinung kommen, haben etwas Mildes, dem Auge ungemein Wohl-
thuendes. So können wir selbst in die Sonne sehen und die leuchtendsten
Erscheinungen am Himmel verfolgen nnd genießen, die wechselnden Gebilde
der Wolken, das Spiel der Meereswellen, die in Glanz gebadete Ferne, die
Reflexe auf dem unruhigen Spiegel des „silbernen" Baches.

Der schwarze Spiegel vertieft aber auch die Farbe und verkleinert,
sammelt das Bild; er vereinigt in seinem kleinen Rund das große Ganze,
welches das durch Einzelheiten zerstreute Auge in der Wirklichkeit nicht auf
einmal bewältigen kann. Fürwahr eine unerschöpfliche (Duelle des Genusses
für den Freund der Natur, der auf einsamen Spaziergängen an dem schwarzen
Spiegel den unterhaltendsten Begleiter hat, auf dem Dampfschiff oder selbst
im Eisenbahnkouxch bequem hingelehnt, die flüchtige Welt der Erscheinungen
in verkleinertem Bilde vor sich vorüberziehcn läßt. Und wem wird es nicht
Freude machen, auch seine Umgebung, Kinder namentlich, an seinem eigenen
Vergnügen theilnehmen zu lassen und dafür als Lohn den lebendigen Aus-
druck der Ueberraschung und Befriedigung zu ernten?

Nun aber zu unserer speziellen Aufgabe, welchen vortheil gewährt
der schwarze Spiegel bei dem Studium nach der Natur?

Er fördert zunächst den malerischen Blick, das Talent, das malerisch
Brauchbare zu entdecken; er spielt gewissermaßen die Rolle des Mentors,
des Führers und Meisters, der auf die Frage: „Wie sieht das, was ich vor
mir erblicke, als Bild aus?" die treue und zuverlässige Antwort hat: „So".

Da wird es nun tausendfach Vorkommen, daß man sich täuscht und daß
man im schwarzen Spiegel das gar nicht findet, was einem in Wirklichkeit
so reizvoll vorgekommen war. Daun spielten eben für uns in der Wirklichkeit
Einzelheiten eine bedeutendere Rolle, als ihnen auf dein zugemessenen Raum
des Skizzenbuches oder des Studienblattes eingeräumt werden könnte.

Der schwarze Spiegel disponirt Alles nach verhältniß, und was viel-
leicht in der Wirklichkeit durch Anknüpfungen aller Art merkwürdig erschien,
wird hier zu etwas Nichtigem, verschwindendem, Unfaßbarem. Umgekehrt
zeigt der schwarze Spiegel die großen Züge der Anordnung einer Landschaft,
die Komposition, das Arrangement eines Bildes unverkennbar deutlich, in
den Lichtwerthen vereinfacht, in verstärkten Gegensätzen, sodaß ein Irrthum
nicht möglich ist und man bei sich selber ausruft: „Ja, dies ist das Bild
und kein anderes!"

Wer mit Anfängern im Studium nach der Natur zu thun gehabt hat,
weiß, wie allmählich erst die Sicherheit in der Wahl des Motivs erworben
wird, wie oft der Anfänger aus das Unmögliche verfällt, die Raumeintheilung
verfehlt, Entferntes mit Einzelheiten in abenteuerlich großen Verhältnissen
anlegt. Darum gibt der erfahrene Zeichner auch erst seine Emplazements
an, weist allem Hauptsächlichen seine Stelle zu, wo es hinkommt; und mit
unerbittlicher Notwendigkeit ergibt sich dann für das Nebensächliche das
Vb und Wie der Ausführung.

Der schwarze Spiegel besorgt das Alles von selbst; und wer will, kann
direkt darnach zeichnen, wenigstens wird die so entstehende Arbeit richtiger
in den Raum komponirt erscheinen und der Perspektive wird keine Gewalt
angethan.

wer gut anfangeu erlernen, aber doch eine Arbeit nicht ganz und gar
aus dem Spiegel, also umgekehrt, zeichnen will, für den sei ein einfaches
Mittel angegeben: Man zeichne mit weichem Bleistift aus Pauspapier die
ersten Emplazements aus dem Spiegel, befestige das Blatt, mit der Zeich-
nung nach unten auf dein Skizzenbuch und fahre den richtig dastehenden
Umriß mit einem harten Bleistift nach.

Die kleine Umständlichkeit wird für den Zeichner — wir denken ja
immer an einen Anfänger — reichlich eingebracht, durch das gewonnene
klare Bild und seine richtigen Verhältnisse, ohne die leidigen ausradirten
Fehler und Unsauberkeiten.

In dem kleinen schwarzen Spiegel erscheint alles Perspektivische wegen
der Uebersichtlichkeit des zusammengedrängten Bildes, das die verschiedenen
Fluchtlinien vergleichen und übersehen läßt, vollkommen deutlich, wie forcirt,
übertrieben, falsch ist dagegen die Perspektive meistens auf den Zeichnungen
gewisser — sagen wir Theoretiker, die ihre Häuser ausstellen, wie ein Kind
Bauklötzchen auf einer ebenen Tischplatte.

So nicht zeigt der schwarze Spiegel die Verkürzungen; geheimnißvolle
Dämmerung umfließt da Alles, unergründlich tief, Räthsel lösend und fort-
während neue zur Ahnung bringend.

Lin gewisser wohlthätiger Einfluß wird sich daraus auch für die zeich-
nerische Technik, die Manier der Ausführung ergeben.

Das Bild im schwarzen Spiegel zeigt nur Lichtwerthe, nur Flächen;
der Zeichner, der das in Strichen wiedergeben soll und will, wird nun mit
der Unzulänglichkeit seines Ausdrucksmittels kämpfen lernen, bis er sie endlich
überwunden hat und Schraffirungen und Umrisse aufgegangen sind in der
Körperlichkeit der Erscheinung.

Lin nimmer zu erschöpfendes Thema, das „Wie" der Darstellung.

Der schwarze Spiegel lehrt da auch nichts Positives, sagt nicht: „Mach*
es doch so!" Aber dafür wirkt er gegenüber den Härten und Willkürlich-
keiten wie eine stumme Frage: „Seh' ich denn so aus? Siehst Du das
und das auch bei mir?"

Mehr noch als dem Zeichner wird aber der schwarze Spiegel dem
Maler dienlich sein.

Der schwarze Grund vertieft die Farbe: die Verkleinerung unterdrückt
das Unwesentliche; das bunte Bild der Wirklichkeit wird zu einem koloristischen
Wohlklang vereinfacht. Das Vorbild erscheint leichter zu treffen, materieller.
Das verwirrende Leuchten und Blitzen, die alle Farbe wie mit weißen
Schleiern umwebende Helligkeit der Natur wird wie zu düsterem melancho-
lischem Ernst herabgestimmt und erscheint nun ausgesprochen deutlich. Geübte
Maler prüfen ihre Arbeit nach dem Bilde im schwarzen Spiegel. Dem muß,
was sie geschaffen, gleich sein. Mit der Natur zu wetteifern, ist ja doch
unmöglich.

Und nun kommen wir zum Schlüsse auf die eminente Bedeutung, die
der schwarze Spiegel für den mitten in den Aufgaben des praktischen Lebens
stehenden Künstler haben kann.

Ihm wird derselbe den zuverlässigen kritischen Freund ersetzen, der
dem Ermüdeten und Lntmuthigten die Sache von einer neuen Seite zeigt,
das eigene Werk gewissermaßen als ein fremdes vorführt, dem gegenüber
er die Unbefangenheit des Urtheils gewinnt.

Die Eitelkeit blickt durch ein Vergrößerungsglas, kann nicht los vom
Detail, wie eine Mücke. Wenn wir aber unsere Arbeit im schwarzen Spiegel
betrachten, ist es, als träten wir weit, weit zurück. Das Kleinliche, Neben-
sächliche verschwindet, der Gesammt - Eindruck bleibt; aber das Falsche,
Störende, Mißlungene fällt um so auffallender heraus, als das Gelungene,
Natürliche sich mit einem ruhigen, wohlthuenden Eindruck zu begnügen
scheint. Im schwarzen Spiegel besitzt der Künstler nicht den auch die
Schwächen bewundernden Anhänger, sondern den Freund, der den Uebereisrigen
zurückhält und ihm sagt: „Hier halte ein, sonst verlierst Du Dich in nutz-
loses Mühen, dort aber ändere die falsche Bewegung, die konventionelle
Farbe. Ich zeige Dir Deine Fehler, indem ich Dir Deine Unbefangenheit
zurückgebe." (Aus der „Maler-Zeitung".)

im Dienste der

(Schluß von Seite ^36.)

modernes Ich bedurfte eines modernen Gewandes, und so mögen

auch Architektur und Innen - Dekoration mehr vor- als rückwärts
blicken, dann werden auch die nächsten Generationen von dem Zeitstil des
neunzehnten Jahrhunderts karakteristische Denkmäler besitzen.

Tauchte zuerst wieder die Fliese in englischen Möbeln als Ziermittel
auf, so beherrscht sie jetzt ein großes Feld der gesainmten inneren und
äußeren Ausstattung und Architektur. Aus kleinen Wirkungen entstanden
große Ursachen mit großen Wirkungen. Eisen, Stein und die schmelzbaren
Erden sind die Bau- und Schmuckmittel der Architektur und des inneren
Ausbaues geworden und werden es auch vorläufig für — weitere Jahr-
zehnte bleiben. —

Uusllkrlluntz Wiesbaden 1Bt)5. Zur Feier des so jährigen Jubel-
festes des Nassauischen Gewerbevereins und des Lokalgewerbe-
vereins Wiesbaden war eine Nassauische Landesausstellung geplant.
Die Idee mußte aber aus Mangel an einem geeigneten Platz ausgegeben
werden. Dagegen scheint das Zustandekommen einer Lokalausstellung für
Kunst und Gewerbe der Stadt Wiesbaden nunmehr gesichert zu sein, was
um so erfreulicher ist, als das neuerdings sehr regsame Kunstgewerbe der
Stadt bisher noch keine Gelegenheit hatte, seine Leistungen gemeinsam der
Veffentlichkeit vorzuführen. Nutbiuoris.
 
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