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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Mertzlufft, Ch.: Grundprinzipien für farbige Wirkung bei Dekorationen
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Waldau, Otto: Ein Pariser Palais, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0134

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Seite 98.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Zuli-Heft.

bringung eines blauen Grüns ein sanft rothes Ansehen — die
Ergänzung des Grüns ist Roth —, während umgekehrt ein
blühend rothes Gesicht z. B. durch ein satt rothes Tuch oder
solchen Hut blaß, sogar kränklich erscheint, weil zum Roth ein
bläuliches Grün die Ergänzungsfarbe bildet. Zn beiden Fällen
ist Selbstergänzung nach Harmonie vorhanden, welche Eigenschaft
aller farbigen Dekoration weitgehend zu Hülfe kommen kann.
Zm Allgemeinen be-
einflussen benachbarte
Farben sich wie folgt:

Schwarz bleicht,lichtet
auf; Weiß verdunkelt;

Blau macht gelber,

Grün rother als die
umgebenden Farben
in Wirklichkeit sind.

Ferner ist es eine fest-
stehende Thatsache,
daß gleichgroße Ge-
genstände von gleicher
Farbe auf dunkleni
Grund Heller und
demnach größer, auf
Hellem Grund da-
gegen dunkler und
demgemäß kleiner er-
scheinen. Hieraus re-
sultirt die überwie-
gend weiße Beklei-
dung der Füße und
Beine derBalleteus en;
würden diese Theile schwarz bekleidet sein, man würde nur
bauschige Röcke auf dünnen Stöcken sehen. Zch glaube, daß dies
wiederum ein Wink ist, der vollste Beachtung verdient.

Hellere und warme Farben scheinen sich uns zu nähern,
also Weiß, Gelb und Roth, sie nehmen scheinbar größere Flächen
ein — wie wir schon oben sahen —, dunkle Farben: Schwarz,
Braun, Blau, Grün, Violett scheinen sich zu entfernen, verringern

demgemäß scheinbar ihre Flächen. Hierdurch kann gewissermaßen
etwas Rörperhaftes in die Flächen — Tapeten, Teppiche usw. —
gerathen, es können aber auch, wie man sich sachlich ausdrückt,
„Löcher" entstehen, in beiden Fällen muß also die Wirkung der
Fläche vernichtet werden. — Die neutralsten und vermittelnden
Farben sind: Schwarz und Weiß, Grau und Braun, ferner die
Metalle Silber und Gold^und ihre Surrogate an farbigen Bronzen.

Auch die schärfsten
Rontraste werden
durch diese Neutral-
farben fast ganz auf-
gehoben, wenigstens
aber doch gemildert.

Der Fußboden
bedingt eine schwerere
Farbenwirkung, weil
er unserem Auge
näher ist als der Pla-
fond, welcher lichter
und farbenfreudiger
sein muß als jener.
Der Fußboden trägt,
der Plafond wird
getragen, es muß also
eine Steigerung vom
Schweren zum Leich-
ten stattfinden. Die
Wände als Mittel-,
als Bindeglied schie-
ben sich auch in ihrer
Farbwirkung zwischen
beide. Heute wie früher bevorzugte man ganz bestimmte Farben,
und Aufgabe des Dekoratörs ist es, selbst der sonderlichsten Laune
hierin nachzukommen, sich in die einzelnen wünsche ganz zu ver-
tiefen, um die Farbenharmonie im Raum in ihren Schwankungen
durch überwiegende kalte oder warme Töne zu retten.

Der Raum, in dem wir leben, bildet gleichsam den Hinter-
grund, die Folie, von der wir uns abheben sollen. Es liegt

Abbildung Nr. 959. Wohn-Zimmep mit Kamin-Erker-Nische in englischem Geschmack.

Calais.

Von Mtto Waldau, Paris.

enn man den Behauptungen Derer glauben soll, die
immer die fliehende Zeit zum Freunde wählen und
nur die Vergangenheit als schön, die Gegenwart aber
als den Feind hinstellen, dann ist Paris nicht mehr die Stadt,
die es einst gewesen, als noch ein Herrscher hier Hof hielt. An
Stelle der heiteren Lutetia, die Glanz- und Prachtentfaltung für
ihre Hauptaufgabe betrachtete, fände man jetzt die fast düstere
Rapitale der strengen Republik. Demjenigen aber, welcher Paris
nie als die Hauptstadt eines Raiserreichs gekannt, will es nicht
nur auch jetzt bedünken, daß dasselbe die Lebenslust auf seine
Fahne geschrieben, sondern daß auch der Wohlstand, ja der große
Reichthum hier immer noch ihr Heim ausgeschlagen und äußerlich
sogar weit mehr zur Geltung kommen als in dem mit Glücks-
gütern allerdings noch im höheren Maße gesegneten London.

Zn Bezug auf äußerlich verstehe ich nicht nur die Schönheit
und Rostbarkeit der Toiletten, sondern auch die der Umgebung,
des Heims. Heim kann man allerdings vielleicht kaum sagen,
ein solches sich behaglich und gemächlich zu gestalten, versteht
nicht nur der Engländer, sondern auch der Deutsche, dem im
Allgemeinen dazu weniger Mittel zu Gebote stehen, besser, aber
einen Palast sich einzurichten, das ist Sache des Franzosen oder
vielmehr der Französin. — Ein Palast ist es denn auch, von
dem ich Zhren Lesern heut erzählen will, oder doch wenigstens

von den Prachtgemächern in demselben. Ls ist das Haus der
Herzogin von Somar, die nicht nur ihres großen Reichthums
wegen, sondern auch durch ihre Schriften bekannt ist, welche sich
allerdings mit einem Gegenstand beschäftigen, der in Deutschland
glücklicherweise noch wenig Znteresse erregt, dem Spiritismus.
Zm Vorbeigehen sei daher nur erwähnt, daß die Herzogin, deren
erster Gemahl ein Lord Taithneß aus dem Hause Stuart gewesen,
in Folge dessen mit der unglücklichen Schottenkönigin Maria Stuart
in persönlicher Verbindung zu stehen glaubt und bei ihr nicht
nur über alle Räume verstreut Bilder und Statuen derselben zu
finden, sondern auch einzelne Gemächer und Rapellen vollständig
dem Andenken der schottischen Rönigin gewidmet sind. Die Wände
bedecken Stiche und Gemälde, die diese schöne Herrscherin in den
verschiedensten Phasen ihres Lebens darstellen, ein lebensgroßes
Bild von ihr ist so in eine Nische plazirt, daß unter der Ein-
wirkung einer magischen Beleuchtung der Eindruck hervorgerufen
wird, als ob Maria Stuart in lebendiger Gestalt die Treppe
hinabschreite, unter Glaskästen sehen wir Reliquien; die Hand-
schuhe, welche einst ihr Rind getragen, eine Rette, die sie geschmückt,
sowie in einem Rämmerchen für sich das Facsimile ihres Todes-
urtheils mit dem Rosenkranz darüber.

Aber nicht Alles in diesem Palais ist dem Andenken der
Todten gewidmet, auch die Lebenden kommen zu ihrem Recht,
und vor Allem läßt die Herzogin, wenn sie in Paris weilt, jede
Woche zur Belehrung derselben Ronferenzen veranstalten, in denen
nicht nur über ihr Lieblingsthema, den Spiritismus, sondern auch
 
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