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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Schulze, Otto: Die Bedeutung der dekorativen Malerei der Fläche im Heim: mit besonderer Würdigung der vorliegenden Abbildungen
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Ries, B.: Ein Künstler-Fest, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0054

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Leite 3H.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

März-Heft.

Aus der dekorativen Kunst heraus, also aus der Kunst des
Bedürfnisses, der dienenden Kunst, hat sich die hohe Kunst, die
freie Kunst selbstherrlich entwickelt. Und noch heute ist die wahre
dekorative Malerei die hohe Schule, der Prüfstein für ein wirk-
liches künstlerisches Können! — Gb wir in den Wandmalereien
der altägyptischen Königs-
gräber lesen und verwundert
die Buntheit ihres Todten-
kultes schauen, oder in die
Katakomben des alten Roms
hinabsteigen, um die Reste
frühchristlicher Malerei zu
studiren, oder auch in den
Bilderhandschriften, Bibeln,

Psalterien und Evangelia-
rien der großen Staats-
bibliotheken die Miniaturen
und Initialmalereien durch-
forschen — überall ist es
das dekorative Element, der
Schmuck, welcher uns als
Vorläufer der sich entwickeln-
den und ablösenden hohen
Kunst entgegentritt. Und
diese Phasen reichen bis weit
in das s5. Jahrhundert
hinein bis zur Scheidung der
Kunst von der Kunst im
Handwerk. Beiden zu großem
Vortheil für ihre freiere Ent-
wickelung auf nunmehr ge-
trennten Gebieten. Die de-
korative Malerei in ihrer

-Abbildung Nr. 882. Dekorativ^ Wandmalerei, von A. Glaser.

Michelangelo, Romano, Tiepolo, Boucher, Watteau, Lornelius,
Schwind, Kaulbach, Makart, Franz von Seitz, Schalter u. A. und
unsere neueren Meister, die sich mit besonderer Hingabe der
Innen-Dekoration zuwendeten und Großes darin geleistet haben.
Wie in der eigentlichen dekorativen Malerei das rein bild-
mäßige sich unterzuordnen
hat zu Gunsten der orna-
mentalen Komposition der
eigenen Fläche, eines archi-
tektonischen Prinzips oder
einer geschlossenen Gesammt-
wirkung, hat sich wiederum
die technische Ausführung,
Farbenauftrag und Farben-
stimmung in den hierdurch
gezogenen Grenzen zu halten.
And in diesem Abwägen und
Abstimmen, in dem maß-
vollen Gegengewicht halten,
ich will sagen in der Km-
komposition des Bildmäßigen
aus der Natur zu eigenen
geistig geschauten, für den
jeweiligen Zweck und die
gestellte Aufgabe erfundenen
Schöpfungen liegt der Kern,
das Geheimniß der wahren
dekorativen Malerei. Nur
so darf die Bedeutung, die
Aufgabe derselben ersaßt
werden! Handelnde Per-
sonen gibt es einfach in der
dekorativen Malerei nicht,

heutigen Bethätigung ist und bleibt die vornehmste, einflußreichste,
bildendste und führende Kunst im Handwerk. Sie erstreckt sich
über jede Fläche, die eine aktive Dienstleistung zu erfüllen hat,
gleich, ob fest oder beweglich. Und die größten Künstler widmeten
sich ihr zu allen Zeiten, ich nenne nur Dürer, Holbein, Rafael,

es dürfen nur Statisten, in ihrer Art nur Silhouetten sein; das-
selbe gilt für die Verwendung der Landschaft, Darstellung von
Thieren, Früchten, Gegenständen und jedweden Stilllebens.

Viele werden meine Ausführungen neu finden, manche viel-
leicht anerkennen und beherzigen, Viele werden sie aber verwerfen,

ünMep-

est.

nter dieser Spitzmarke sendet uns ein Freund unserer
Zeitschrift die Schilderung des 5. Stiftungsfestes des
kunstgewerblichen Vereins „Schnörkel" in Pforzheim,
welche einen prächtigen Beweis gibt, welch' reizende Unterhaltung
ein Fest bieten kann, in dem künstlerisches Empfinden und unge-
künstelte Geselligkeit ohne finstere Standesunterschiede zur Geltung
kommen darf.

Unser beschränkter Raum erlaubt uns leider nicht, ausführlich
auf den interessanten Bericht einzugehen, jedoch auf den Haupt-
theil des Festes übergehend, entnehmen wir den zum Theil aus dem
„pforzheimer Beobachter" stammenden Mittheilungen Folgendes:

„Nach einem schwungvollen, auf die Feier Bezug nehmenden
Prolog folgten in überraschender Weise Ausführungen, deren
Glanznummer in den Händen liebenswürdiger, junger Damen lag.
Wir müssen gestehen, daß unsere kühnsten Erwartungen übertroffen
wurden. In der Vorsteherin der Frauen-Arbeitsschule, Fräulein
Ries, hatten sie eine Führerin gesunden, die mit hingebender
Liebe und mitreißender Begeisterung ihr weises Können in den
Dienst des „Schnörkel" gestellt hatte. Sie ist die Verfasserin der
von Herzen kommenden und zum Herzen gehenden Dichtung und
ließ es sich nicht nehmen, auch die Einstudirung und Inszenirung
zu leiten. — Sie hat den ihr im Laufe des Abends gespendeten
öffentlichen Dank in reichstem Maße verdient, den sie bescheidener

Weise nur für ihre Schülerinnen gelten lassen wollte. Am solche
Lehrmeisterin hätte man die jungen Damen beneiden können." —
Veranschaulicht wurden die verschiedenen Kunstepochen, und
die Vertreterin jeder einzelnen Stilart suchte in beredten Worten
die anwesenden Kunstjünger zu ihrer Fahne zu bekehren. Voran
die griechische Antike, ihr folgend die Gothik, dann die Renaissance,
hieraus Rokoko usw. Doch lassen wir das Festspiel selber sprechen,
das uns in liebenswürdigster Weise von der inzwischen — wie
wir bereits meldeten — nach Stuttgart berufenen Künstlerin
Fräulein B. Ries im Manuskript überlassen wurde und welches
in sinnigster Weise den Gedanken zum Ausdruck bringt, daß auch
heute noch jede Stilart neben der anderen bestehen und zur Geltung
kommen kann, wenn dieselbe mit wirklich künstlerischem Ver-
ständniß zur Anwendung gebracht wird:

Antikv.

Aus ferner Zeit und fernem Lande

Führt mich geheimnißvolle Macht zu Euch! —

Seit ffella's blühend Reich des Schönen
In Trümmer sank.

Ruft mich zu stets erneutem Auferstehen
Der Menschheit Sehnen nach dem Ideal. —

Wo zwei, wo drei sich in der Schönheit Namen
Zu höh'rem Streben einen, edler That,

Erschein' ich stets in ihrer Mitte:

— Der Griechen Geist und ihres vorbild's Mahnung. —
Auch Ihr habt dieses Geistes weh'n empfunden,

So zeuget dieses Saales festlich.frohe Zier;
 
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