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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Schliepmann, Hans: Die Mitwirkung des Architekten bei der Innen-Dekoration
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Waldau, Otto: Die Geschichte der Innendekoration bezw. der Möbel, [2]: mit besonderer Berücksichtigung Frankreichs
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0024

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Seite sO.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Januar-Heft.

kauft den Bauriß, der höchstens eine künstlerische Fassade ent-
hält, wenn nämlich der guten Gegend wegen durch ein schönes
Aeußere die Miethsschraube sich fester anziehen läßt, von einer
Projekt - Fabrik. Dann werden die Grundrisse an die einzelnen
Handwerker ausgetheilt, und diese veranschlagen ihre Arbeiten
nach dem Muster irgend eines
fertigen Miethskastens: nach dem
Quadratmeter bebauter Fläche!

Ja, renommirte Architekten folgen
bei besseren Ausführungen keinem
anderen Prinzip! Sie lassen sich
höchstens erst Skizzen der Hand-
werker vorlegen, nach denen sie
auswählen.

Der Grund ist ja sehr klar:
es ist billiger. — Darum wird
auch schließlich alles „Schimpfen"
vergebens sein. Wer wider den
Geldbeutel kämpft, ist der eigent-
liche Antichrist! Bei der jetzigen
Erwerbshast, der auch Vicepräsi-
denten hoher Akademien unterlie-
gen, hat natürlich die Erwägung
keinen Werth, daß man sich auf
jene Weise als Baukünstler unter
die Handwerker stellt, daß man
aber vor Allem verabsäumt, die
Handwerker heranzubilden
und so um des Augenblicksgewin-
nes willen den dauernden Bor-
theil nicht erlangen kann.

Ich leugne gar nicht, daß es
einzelne Handwerksmeister gibt, die
thatsächlich ihre Sache besser als

der bauleitende Architekt verstehen, und ich bin der letzte, der
solchen Handwerker etwa aus Bildungsdünkel nicht thurmhoch
über den examenbewährten Baumeister stellen möchte. Aber diese
Handwerksmeister, besser Kleinkünstler, werden wiederum für den

Abbildung Nr. ss-z. Kamin

Mittelstand gar nicht in Bewegung gesetzt — wenn sie
nicht etwa beim Dutzendhaus durch Schablonenarbeit das ein-
bringen, was sie der Ehre halber bei einem künstlerisch ausge-
statteten Privathausbau zusetzten. —- So scheinen wir denn erbar-
mungslos verdammt — wenigstens so lange Geldverdienen der

einzige Regulator aller Thätigkeit
ist — die Barbarei unseres ver-
wahrlosten Handwerkes in unseren
Wohnungen erdulden zu müssen.
Daß ich nicht zu viel sage, lehrt
jeder Martergang, den ein armer
Wohnungssucher machen muß. Da
ist gleich vorn das Treppengeländer
mit der bekannten Eichenholzdocke
der Firma handfest und Knuffig,
da die künstliche Maserung der
Eingangsthüren und die Treppen-
hausmalerei der Firma pinselig
und Schmierfink; dann kommen
die Vefen von Nngethüm und
Klotzig, die Stückarbeiten von Teig-
würger und Rokokootz, die Decken-
pinseleien von Krautwälzer und
Farbenschreier, endlich gar die
Tapeten von hirnverbohrt und
Klumpenknüller ...., wahrhaftig,
wenn man's nicht mit ingrimmigem
Humor betrachtete, würde einem
der Ekel über all die Scheußlich-
keiten die Kehle zuschnüren! Die
modernen Tapeten mit ihren Fieber-
fantasien sind allein genügend, den
Stand unseres Geschmackes zu
kennzeichnen. Das Deck eines Aus-
wandererschiffes nach dem ersten hohen Seegang sieht erfreulicher
aus, als die Wände eines modernen Dutzendzimmers, ehe Möbel
und Bilder nach Möglichkeit das Gewürze und Gewöll von
Schnörkeln und Riesenblumen verdecken!

> Partflitz in flandr. Renaissance.

Hof-Möbelfabrik A. Bembs, Mainz.

kur dev Innendekoration

dezw. derf Möbel

mit besonderer Berücksichtigung Irnnkreichs. — t.

Non Btto lValdan, s)aris. (Fortsetzung von Seite z.)

n der nämlichen Epoche gaben die Kölner Künstler,
Jacob ^uekasin (?) und Wendolin Dütterlin, sowie
der Nürnberger Sebald Beck die Veranlassung zu einem
mächtigen Aufschwung der Zimmer-Dekorationskunst in Deutsch-
land. Die Anwendung ausländischer Hölzer führte bald die Mode
des Holzmosaik herbei; die Möbel wurden von Eichenholz her-
gestellt und mit niedlichen Stückchen kostbaren Holzes belegt, die
zu verschiedenen, graziösen Dessins winkelrecht zusammengefügt
waren. Später ersetzte man diese kleinen Holztäfelchen durch ein
einziges, größeres Brettchen von Rosenholz oder Mahagoni.

Unter der Regierung Ludwig XIII. treffen wir auf eine etwas
schwerfällige Kunfttischlerei, jedoch mit strengem und geschmack-
vollem Stil, die ihren Höhepunkt erst unter Ludwig XIV. erreichen
sollte. Im f7. Jahrhundert wird das Ebenholz gang und gäbe.
Die Thürflügel der Schränke, die Aufsätze, die Schnitzereien werden
mit^allegorischen Figuren verziert, die der Fabel und den Ritter-
Romanen entnommen waren. In ^großer Aufnahme sind die
gedrehten Säulen. 'Dies ist die Epoche von Jean Masse und
seinen Söhnen. Unter der Regierung des „Großen Königs" schuf
Lolbert in dem Hotel ctes Lsodeliiis die Königliche Manufaktur

der französischen Möbel. Bald mußten die geraden Linien, die
sich bis dahin so großer Achtung erfreuten, und die den Möbeln
jenes Aussehen voll Kraft und Adel verliehen hatten, weichen,
bis sie sSflO gänzlich verschwanden. Die Konturen der Tische
zeigen nunmehr wellige Linien von launenhafter Unregelmäßigkeit.
Ihre Füße, sowie jene der Sessel sind Z-förmig gedreht. Wir
sind hiermit bei Eharles Andre Boule angelangt. Dieser Künstler,
am p. November s6H2 zu Paris geboren, war königlicher Kunst-
tischler, wohnte im Louvre und brachte die französische Kunst-
tischlerei auf die höhe ihrer Zeit. Boule erfand die nach ihm
benannte „Boule-Arbeit", die Verzierung aus feinem Holz mit
Einlagen von Metall und Schildkrot. Die Dessins für seine Ar-
beiten waren angeblich von Lebrun geschaffen, und die vollkommene
Gleichartigkeit der Möbel und der Wohnungen, für welche diese
gemacht waren, scheint dies zu beweisen. Das größere Talent
der Komposition jedoch und die Verzierung seiner Meisterwerke
lassen ihn unter den französischen Kunsttischlern allein schon den
ersten Platz einnehmen.

Später verweichlicht und versüßlicht die Möbel-Kunst. Man
führt sie weniger massiv aus und man macht allerhand Verkehrt-
heiten und Fehler. Das Bett wird mit posamentierarbeit und
Malereien verziert. Der Schreibtisch nimmt die kokettesten Gestalten
an. Einige wieder, unter anderen ein Schrank mit Doppelthüren,
von Antoine Vasse ausgeführt, sind Wunder von Grazie und Zier-
lichkeit. Indessen läßt der Stil dieser Epoche viel zu wünschen
übrig und verdient mit Recht den Spottnamen Rokokostil.
 
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