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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Schulze, Otto: Vernachlässigung der Drechslerarbeit
DOI Artikel:
Waldau, Otto: Ein französisches Landhaus, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0084

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Seite 58.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

April-Heft.

Weshalb macht der doch immerhin „klug" sein wollende Aus-
schreiber der billigen Zimmereinrichtungs-Konkurrenzen nicht von
vornherein die Bestimmung geltend, daß nur die einfachste Rahmen-
und Drechslerarbeit in Anwendung gebracht werden darf! Wir
sollten den einfachen Handwerker nicht
zur Unehrlichkeit verführen, denn die
Einrichtungen, die bisher aus den
Konkurrenzen hervorgingen, konnten
unmöglich in gleicher Ausführung zum
zweiten Male für den vorgeschriebenen
Preis angefertigt werden, oder der
Meister hätte dabei Pleite machen
müssen. Wie es bei verschiedenen
Konkurrenzen dieser Art hergegangen
ist, mag die Thatsache beweisen, daß
die Betheiligten ihre Arbeiten sofort
nach Verkündung des Preisrichter-
spruches als „verkauft" bezeichneten
— in den meisten Fällen natürlich
war ein Käufer absichtlich nicht vor-
handen — weil sie sich bei der Her-
stellung verrechnet hatten, um so einer
Schädigung zu entgehen.

Daß man für sehr viele Wobei
gar keiner Rahmen, Füllungen und
Kehlstöße bedarf, beweist die zu hoher
Blüthe gelangte Bambusmöbel-In-
dustrie. Und da sollten wir nicht im
Stande sein, von der Drehbank aus,
die so ganz unserem Willen gehorcht,
einen Wobiliarstil zu zeitigen, der so
dauerhaft, zweckmäßig und schön sein
könnte, der genannten armseligen
Galanteriewaare die Spitze zu bieten I?

Daß das letztere möglich ist, beweisen die Bestrebungen Sauermann's
in Flensburg, der in seinen nordfriesischen Wöbeln, ich erinnere
mich noch lebhaft des herrlichen Zimmers im Drechselstil, welches
von ihm s888 auf der Ausstellung in München war, ein so

feines und gesundes Gefühl für die gedrehte Arbeit bekundet.
Auch Professor Luthmer hat in den fünf Bänden seiner früheren
„Illustrirten Schreiner-Zeitung" ganz besonders der „Rundarbeit",
dem gedrechselten Stollen-, Stab- und Traillenwerk für bürgerliche

Möbel einen bedeutenden Platz ein-
geräumt und ein überaus lebhaftes
Interesse gewidmet, und ich glaube,
er denkt auch heute noch so und stimmt
meiner Ausführung bei. Ebenso haben
die Professoren Th. Krauth und F.
S. Meyer in Karlsruhe stets mit be-
sonderer Vorliebe eine Förderung
und umfangreichere Verwendung der
Drechslerarbeit erstrebt.

Anstatt von der englischen Gothik
zu lernen, in ihrer Gefälligkeit nur
ein konstruktives Prinzip zu sehen,
haben wir uns darin gefallen, sie ein-
fach nachzuäffen, noch verwerflicher,
sie für eine bequeme deutsche Renais-
sance umzumodeln. — Sollte es nicht
möglich fein, an den Kunstgewerbe-
und Fachschulen an Stelle der blen-
denden zeichnerischen Darstellung grö-
ßere Vertiefung für Zweck, Bedürfniß
und Technik treten zu lassen, um
wieder mehr Sinn für das einfache
und doch formenschöne Geräth zu
wecken?! Die Drechslerarbeit würde
dann von selbst eines der wichtigsten
Hülfsmittel des modernen Mobiliar-
stiles werden. — Diese Zeilen kann
ich aber im Gegensatz zu dem etwas
harten Eingang meines Aufsatzes
wohl nicht versöhnlicher zum Abschluß bringen, als daß ich eines
Mannes gedenke, der auf dem Gebiet der Kunstdrechselei in unserer
Zeit das Schönste geleistet hat — ich meine den am 7. April s8siZ
zu München verstorbenen König!. Hof-Drechsler Joseph Endres.—

Min französisches Mantchaus.

t?on Otto tVatdau, s)aris. (Fortsetzung von s. 51.)

historische Treue ist auch insofern beeinträchtigt, als
i einer derartigen Einrichtung, zu den gekehlten Stühlen
>it den verschiebbaren, geblümten Seidenkiffen, zu dem
Kredenztisch mit seinen drei vorspringenden Etageren und zu dem
ihm gegenüberstehenden schrankartigen Büffet aus Nußbaumholz
eigentlich Wandflächen gehören, die mit alten Brokatstoffen be-
kleidet und von Schnitzwerk umgeben sind. Bei der hier beschrie-
benen Einrichtung hatte man sich da aber, wie oben gezeigt, eine
Aenderung erlaubt, die übrigens nichts von der schönen Wirkung,
den das Ganze machte, hinwegnahm.

Das Rauchzimmer ist in drei Farben gehalten: grünblau,
roth und schwarz. In ersterem Ton mit rother Verzierung darüber
waren die Wände; der Plafond dagegen zeigte ein sehr gedämpftes
Roth mit schwarzen Arabesken und sehr reicher Stückarbeit, die
sich als breite Borde am Rande hinzog, sich von den Ecken aus
in Form von Guirlanden bis zur mittleren Rosette erstreckte und
die elektrische Leitung geschickt verdeckte. Die von der Decke an
feinen Ketten niederhängende Krone war ganz aus gekräuseltem
Milchglas und roth gesäumt. Die Möbel, sämmtlich in orien-
talischem Genre, wenn auch unter einander sehr verschieden, wiesen
sehr kostbare eingelegte Arbeit auf. Ein ägyptisches Tischchen auf
sechs verstellbaren Füßen mit ziselirter, schalenartiger Kupferplatte
kam neben einen maurischen Lehnstuhl aus Nußbaumholz mit

bogenförmig ausgeschnittener Rücklehne zu stehen. Dazu passend
war ein größerer runder Mitteltisch, ebenfalls mit verschiedenen
Hölzern ausgelegt und mit reich geschnitztem unteren Gitter. Links
vom Fenster eine elsenbeinverzierte Etagere, wie eine Kathedrale
sich aufbauend und davor eine mit orientalischem Teppichstoff
bezogene Lauseuse, rechts auf einer Estrade das Hauptstück des
Raumes, der niedrige Divan unter zeltartigen Draperien, die über
Lanzen niederfallen. Diese Draperien werden von Schnüren gerafft,
die ein darüber befestigter Bronze-Adler mit ausgebreiteten Fängen
in seinen Krallen hält. Ein zur Seite im Bereich der Hand
stehendes Lesetischchen, in dessen Fächern die Bücher Platz finden,
trägt eine hohe Lampe, deren Fuß durch einen einzigen, bunt
bemalten Riesenzweig gebildet wird. Zahlreiche Kissen, Decken
und Teppiche sind über den ganzen Raum verstreut, ebenso wie
Stühle und Tischchen verschiedensten Genres sich in großer Anzahl
vorfinden. Einige der letzteren tragen auf ihrer Perlmutter- oder
elfenbeinverzierten Platte kleine Etageren mit Löchern zum Hinein-
schieben der Zigarren, ebenso wie sich auch abgepaßte Vertiefungen
zum Hineinstellen der Aschenbecher und des Feuerzeugs darauf
vorfinden, andere sind glatt mit Teppichstoff in drei verschiedenen
Nuancen sternartig bezogen und stehen bereit für das Kartenspiel,
die Sorbetschale oder gar die lange Pfeife. Die Draperie der
Eingangsthüre bildet eine oben in der Mitte zusammengefaßte
Riesenrosette, von der der Stoff an den Seiten jabotartig nieder-
fällt. Je mehr die Fantasie bei einer derartigen Einrichtung frei
waltet, desto ungezwungenere Effekte erzielt man jedenfalls. Die
 
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