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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Woseczek, Ludwig: Die Glas-Malerei auf der Weltausstellung in Chicago
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0063

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'die auf der ^Weltausstellung tu Mlneagu.

von Ludwig Woseczek in New-Hork").

I.

er iinmer über die Glas-Nalereien auf der Ausstellung in Chicago
zu berichten hat, wird die Bemerkung vorausschicken müssen,
daß eine Vollständigkeit hierbei unmöglich ist, denn die er-
drückende Fülle des vorhandenen Materiales, sowie der Umstand, daß die
Gbjekte zum Theil sehr weit von einander, in den verschiedensten Gebäuden
untergebracht worden waren, machte ein
eingehendes Studium — ausgenommen bei
längerer Anwesenheit — undurchführbar.

Ich will mich bemühen, in Bezug auf das Ge-
schehene möglichste Genauigkeit zu erreichen.

Mit Rücksicht auf die Menge der aus-
gestellten Gegenstände sind die amerika-
nischen Anstalten in erster Linie zu nennen,
allen voran die Wells Glaß-Lo. (Schu-
mann L Keller in Chicago). Sie zeichnet
sich hauptsächlich aus durch die geschmack-
volle Verwendung von geschlissenen Steinen
und Gläsern, die in Vrnamentform verbleit
werden. Ls eignet sich diese Art der ver-
glasung besonders für Profanbauten, wo sie
ungemein brillant wirkt und daher auch sehr
beliebt ist. Damit erklärt sich auch, warum
der Amerikaner den Kabinetsstücken keinen
Geschmack abgewinnt, ebensowenig wie den
Rautenverglasungen im alten Stil. Das
Fenster seines „Parlors" muß klar sein und
Licht genug hereinlassen, damit das Sammt-
Möblement, die Teppiche und das ganze
Lria-a-vraa dieses Raumes genügend ge-
sehen und bewundert werden kann. Bunte,
farbensatte Fenster werden nur bei den
Glaspannels der Hausthüren und eventuell
bei Rundfenstern oben im Bogen angebracht.

Geschliffenes Glas dagegen in Form
großer Brillanten, entweder allein in irgend
einem Flachornament verbleit oder in ver-
bindung mit spätestem Glasgrund oder mit
Blättern und Blumen, macht einen sehr
effektvollen, glitzernden Lindruck, und das
ist es, was der Amerikaner — ich meine
den Durchschnittsmenschen wohlhabender
Masse — will. Ls soll Alles funkeln, Sie
und Lr und die Wohnung, wenn nicht von
echten, so von unechten Brillanten. Wells
Glaß-Lo. stellt nun einige sehr hübsche
Proben von solchen Fenstern aus, so z. B. ein oblonges (vbjekt, fünfmal drei
amerikanische Fuß groß. Lin Rokokorahmen umschließt ein von unten nach
oben braun bis gelb verlaufendes Feld. Das Grnament ist in opaleskem
Glas gehalten, weiß mit gelb, der Grund grün. Letzterer besteht aus drei-
eckig geschnittenen Stücken mit kleinen, rothen Steincheu an den Verbindungs-
stellen. Nach japanischen Vorbildern hängt im Fond ein Blüthenzweig von
oben herab, die Blumen in verschiedenem Roth, die Blätter gelbgrün bis
dunkelblaugrün.

Lin zweites Pannel hat lichten Rahmen und besteht durchwegs aus
geschliffenen Stücke», lichtes Brnament mit dunkelviolettem, opaleskem Glas-
grund. Die (vrnamentform ist dem Rarakter des geschliffenen Glases gemäß

l in ganz willkürlicher weise gehalten. Ueberhaupt wäre es vergebliche Mühe,
bei ornamentalen Fenstern, die in Amerika hergestellt worden sind, Stil-
reinheit oder Stileinheit zu suchen.

Lin anderes großes, ornamentales Fenster ist ganz weiß gehalten und
nur die Bleilinien darinnen geben die Zeichnung an. — Lin großes Figuren-
feilster — Johannes von Nepomuk tröstet die Armen — ist, was den figuralen

Vorwurf betrifft, nicht im Garten von Wells
Glaß-Lo. gewachsen; bezüglich der übrigen
Zuthaten — eine große Gebirgslandschaft
in opaleskem Glas, das halbe Fenster aus-
füllend, will ich dies nicht behaupten, dafür
sind sie aber auch nicht viel werth. Ferner
sind noch ausgestellt: Lin großes vier-
theiliges Fenster: Christus erscheint nach
der Auferstehung seinen Aposteln — verzf
„ciowäeck"; vier Fenster mit den Linzel-
fignren der vier Evangelisten, im Unterflügel
je das zugehörende Symbol enthaltend, und
ein Rundbogenfenster, der gute Hirt; nur
die Fleischtheile, Uöpfe und Hände, sind
gemalt, alles Andere, auch die Draperien,
lediglich in opaleszirenden Gläsern. Sehr
hübsch nimmt sich ein Brnamentfenster aus,
das gelbe Umrahmung, ganz dunkelblauen
Grund mit Steinchen als Sternen, und in
der Mitte als Hauptdarstellung ein mit einer
Urone verziertes Kreuz zeigt, letzteres ganz
aus geschliffenen Steinen gebildet, von der
Kreuzung geht ein Strahlenkranz aus ge-
schliffenen zugespitzten gelben Glasstücken
aus. Der Effekt ist ein gewaltiger.

Besser durchgeführt und theilweise
künstlerisch vollendet sind kleinere Arbeiten:
Königin Louise von Preußen nach dem be-
kannten Bilde von Richter, ein Jäger, eine
Landschaft usw., Alles ans weißem Glase
direkt gemalt ohne Verbleiung. Ls ist über-
Haupt bei allen amerikanischen Fenstern nicht
ein Kops, der nicht genau so behandelt wäre
wie eine Delmalerei. Mangen und Lippen
rosa, Augen blau, Haare braun oder gold-
gelb, ganz nach der Art wie z. B. im Dom
zu Regensburg oder in der Münchener Au-
kirche, deren Fenster bekanntlich aus der
ehemaligen Münchener königlichen Glas-
Malerei stammen.

w. Raith in Philadelphia ist der Einzige, der das opaleske Glas
in bescheidenerem Maße verwendet. Seine Ausstellungsobjekte sind hübsch
in Technik und Farbenwahl, bei profanen und religiösen Motiven.

Die Continental Stained Glaß-Works, Boston, Mass., stellen
ein Fenster aus: Christus im Tempel, nach Professor Hofmann, die Gewänder
in opaleskem Glas, Köpfe und Hände gemalt; der Gesammteindruck dieses
Fensters ist stau.

Androvette L Co. in Chicago hat eine Rosette: kreisförmig ange-
brachte Engelsköpfe mit rothen Flügeln auf gelbem Grunde, durchlaufend
ein breites, blaugrünes Band, im kleineren Mittelkreis ein Bund Lilien.
Die Wirkung dieses Fensters ist nicht besonders günstig. Besser ist ein klei-
neres oblonges Spitzbogenfenster mit zwei Gruppen und Engel im Sockel.
Das Ganze im echten Lxiscopalstil. — von weiteren Arbeiten konnte eine
Krenzigungsgrupxe meine Sympathie nicht gewinnen, eher der Vorwurf eines

Abb. 8Iv. Treppenhaus-Fensteii im Palast-Hotel zu Berlin.
 
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