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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Schulze, Otto: Stilistik der Beleuchtungs-Geräthe
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0248

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Dezember-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Seite f89-

-Mtilistik der^ ^eleuchtungs-Mjeräthh.

Von Dtto Schulze, Köln a. Rh.

^^D§Ä^Zon der sagenhaften Laterne des Menschen suchenden Diogenes
bis zu den Laternen und Drehfenern unserer Leuchtthürme und
den elektrischen Scheinwerfern der Kriegsschiffe ist eine lange
Rette von Wandlungen. Aber nur wenige Hauptglieder befinden
sich in dieser durch zwei Jahrtausende reichenden Rette. Gewissenhaft reiht
sich Glied an Glied; oft durch große Zeitspannen getrennt und doch —
ähnlich wie ein Ei de;n andern. Es gibt nur wenige Geräthe und Gegen-
stände, sogar die Waffen mitgerechnet, deren Entwickelungsgeschichte in wirklich
vorhandenen historischen Stücken so lückenlos vor uns liegt als die des
Beleuchtnngsgeräthes.— Göttliche Verehrung wurde
und wird noch heute der Sonne und dem Feuer
erwiesen, und eine zum Theil bedeutsam nachwir-
kende Rultur entsproß diesem, einem der furchtbarsten
und zugleich nützlichsten Elemente gewidmeten
Rultus. Und daß sogar der Rern der Sache ge-
blieben ist, beweist uns die übermäßige Heran-
ziehung des Lichtes und Feuers — nicht etwa ans
Helligkeitsgründcu — für Feierlichkeit, Würde, oder
auch Steigerung der Freude bei gottesdienstlichen
Handlungen der christlichen Rirche wie auch bei fast
allen übrigen Religionen, bei traurigen und freu-
digen Anlässen des gesummten menschlichen Daseins.

Ans diesen Gründen hätte auch das nackte Bedürsniß
nach „Licht" niemals so vollendetes in Form und
Inhalt schaffen können, wenn eben das innige ver-
langen nach Licht, dieser göttlichen Spende, sein
tiefes, übermächtiges Einwirken auf das Gemüth
nicht höhere Ziele gewiesen hätte. — Ich bin nicht
abgeneigt, aus Allein, was uns die gezählten und
nicht gezählten Jahrtausende menschlicher Rultur
an Geräthen Übermacht haben, das Beleuchtungs-
geräth in seiner praktischen wie künstlerischen Aus-
stattung als sprach- und bildreichstes Moment für
die geistige und sittliche Höhe eines Volkes auzu-
sprcchen. Darum zählen für mich die fein durch-
gebildeten, eleganten und formenreichen Lampen,

Ampeln, Raudelaber, Leuchter und sonstigen Be-
leuchtungsgeräthe in Thon, Stein, Bronze, Eisen,

Edelmetall und Holz von der griechischen und
römischen Antike an bis zu den Ausläufern des
Rokokos zu den ausdrucksvollsten, sinnigsten und
lehrreichsten Erzeugnissen der gewerblichen und
kunstgewerblichen Plastik. — Die Bronzen dieser
Art der römischen Antike, allein aus pompejanischen
Fundstätten, die romanischen und srühgothischeu Standlenchter und Lichter-
kroncn mit ihren wechselvollen Darstellungen eines einzigen Begriffes: Sieg
des Lichtes Uber die Finsterniß, des Guten Uber das Böse; dann die Staud-
leuchtcr und Raudelaber der italienischen Renaissance, nicht minder die Fülle
an Formen und Arten jedes erdenklichen Beleuchtnngsgeräthes, zu dessen
Herstellung meistens Bronze und Silber verwendet wurde, in der Zeit des
Barocks und Rokokos mögen hier angeführt sein, um cs begreiflich zu finden,
wenn unsere Zeit bis vor etwa zwanzig Jahren auf diesem Gebiet nichts
Neues zu schaffen vermochte.

Naturgemäß mußte der Leuchtstoff, also das mit Flammenerscheinung
verbrennende Material für die Ausbildung und Gestaltung der Leuchtstoff-
Träger und -Behälter maßgebend werden. Der Rieuspahn, die Fackel, die
Rerze als die einfachsten und wohl auch ursprünglichsten Lichtspender fordern
kaum ein besonderes Geräth für die Aufstellung; ein Mauerspalt, Ulammer,
Hülse oder Dorn genügen für die nothwendige Befestigung in einer der
Flamme zusagenden Richtung. Und doch ist der Mensch hier schon in künstle-

rischer Durchbildung des Bodürfnißbegriffes in frühester Zeit aus höchster
Stufe. Aber fast gleichzeitig entstehen auch die Lampen, einfache Schalen
und Näpfe mit vegetabilischen: Del, thierischem Fett gefüllt, das am Lude
des eingelegten, aufsaugendeu Wachholdermarkes, Faserbündels oder Gewebe-
streifens verbrennt. Weitere Lrkenntuiß der Fouergefährlichkeit der flüssigen
Leuchtstoffe läßt den Behälter bis auf eine kleine Geffnung schließen, durch
welche der „Docht" geht. Die Lampen bekommen Füße und Griffe, erhalten
besondere Anfstell- oder Aufhängevorrichtungen. Das Verlangen nach Licht,
nach Häufung der Flammen steigert sich; es werden Lampen mit z, 5, 7 und
mehr Dochtösfuungen geschaffen, ferner Gestelle und baumartig verzweigte
Ständer (I-nrupaänrisu) um eine ganze Anzahl von Lampen aufzustelleu
oder aufznhäugen. Dasselbe gilt auch für Rerzeu; es sei hier nur an den
siobenarmigen Leuchter des Tempels zu Jerusalems erinnert, der bei der
Zerstörung Jerusalems durch Titus im Jahre 70
n. Ehr. als gute Beute entführt sein soll und sich
abbildlich in einem Relief auf dem Triumphbogen
des Titus zu Rom befindet. Line Nachbildung
dieses siebenarmigen Leuchters im gothischen Stil
besitzt eine Rirche zu Essen. Diese Häufung von
Linzelflammen ist ein wichtiger Fortschritt in der
Beleuchtungstechnik; das Mittelalter schafft ganz
besonders umfangreiche Vorrichtungen zur Aufnahme
zahlreicher Rerzeu, der Rircheudieust fordert viel
Licht; da sind z. B. die mächtigen Lichterkronen aus
Eisen, Bronze und Rupfer zu Aachen, Hildeshein:
und Lomburg, h,;s, s,7 und s Meter im Durch-
messer fassend, mit architektonischen Laterueuvor-
bauten, bei aller Einfachheit monumental wirkend.

Ls sind also nur zwei Grundzüge bei der
Durchbildung des Beleuchtungsgeräthes wahrzu-
uehmeu und zwar: die Verwendung resp. Ausnutzung
des Leuchtstoffes, ganz gleich ob flüssig oder fest,
und die Art der Aufstellung, Aufhängung oder der
sonstigen Anbringung des aus Vorstehendem sich
ergebenden Behälters oder Ständers. And hieraus
haben sich die unzähligen Gattungen und Neben-
formen gebildet. Sie vertheilen sich auf den Hand-
gebrauch und auf Aufstellung oder Anbringen auf
dem Fußboden oder auch höheren Standflächen,
sowie an Wand und Decke. Der Formenreichthum
wird mit dem Lude des ^8. Jahrhunderts erschöpft,
und selbst die Verwendung des Leuchtgases vor
etwa so bis ?o Jahren hat kaum neue Formen
trotz der neuen Beleuchtungstheorieu im Wesen des
flüchtigen Gases schaffen können, die Rerzenständer
und Rerzenkroneu, Stand-, wand- und Hängeleuchter
sind nach alten Mustern bis heute vorbildlich für
das Gas geblieben. Wir besitzen das Armuths-
zengniß, für das Leuchtgas der Form nach kein neues Beleuchtungsgeräth
gefunden zu haben. Das soll kein Vorwurf sein für eine Zeit, die in tech-
nischer und chemischer Arbeitsleistung und Erfindung so Bedeutendes geleistet
hat; die künstlerische Ausdrucksweise vermochte nicht Schritt zu halten, zehn
Jahre des Jahrhunderts wiegen ;oo Jahre der Vorzeit auf!

Erst unserer Zeit gebührt das Verdienst, in die chemische Zusammen-
setzung der Leuchtstoffe und ihre verbrennuugserscheiuuugen eingcdrungeu zu
sein und die Vorgänge des Lenchtprozesses bis ins Kleinste erkannt zu haben.
Die praktische verwerthnug und Uebersetznng dieser Errungenschaften, ich
brauche nur an Werner von Siemens zu erinnern, hat eine ganze Reihe
technischer Vorrichtungen geschaffen, die so segensreich gewirkt haben und
noch wirken, daß wir dagegen den zweifelhaften Mangel an Formensinn
uns nicht allzuschwer zu Herzen zu nehmen brauchen! wir müssen die hohe,:
Vorzüge der heutigen Beleuchtungstechnik rückhaltlos anerkennen, mögen sie
sich in der modernsten Petroleumlampe, in: Gas-Glühlicht oder im elektrischen
Licht offenbaren!

"Abb. lOLH. Lelruchtinigs-Körpcr f. e. Hauskapelle.
 
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