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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Levin, Arthur: Das Elfenbein und die Technik der Elfenbeinschnitzerei
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Seite s26.

August-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

8as Elfenbein und die Mechnik der Mlfenbeinfchnitzerei.

von Arthur Levin.

Ai^er jemals im National-Museum in München, im grünen Ge-
Iv-Wl wölbe in Dresden oder auch im Berliner Kunstgewerbe-Museum
^ie herrlichen Schätze künstlerischer Elfenbeinschnitzereien gesehen
hat, welche daselbst aufgestellt sind, wird häufig erstaunt gewesen
sein, daß die Kleinkunst unserer Zeit die Technik der Elfenbeinschnitzerei so
wenig pflegt. Bei dem Anblick dieser, besonders aus dem ;r. Jahrhundert
stammenden Ehren-Humpen und Pokale, deren in Gold gefaßter Körper
aus Elfenbein und mit wunderbar geschnittenen Reliefs geziert ist, wird sich
Mancher vergebens gefragt haben, warum heutzutage die Ehrenpokale und
Ehrengeschenke immer aus Gold oder Silber sein müssen, warum man wohl
von dieser so wunderbar schön wirkenden Zusammenstellung des Goldes mit
dem Elfenbein nicht auch heute noch den ausgiebigsten Gebrauch macht. Der
Leser entsinnt sich sicher auch noch der Zeit, in der die Damen Broschen und
Ketten aus Elfenbein trugen. Wie schnell ist die Mode auch darüber hinweg
gegangen. — Nicht zum kleinsten Theil ist diese Vernachlässigung des Elfen-
beins dem Umstande zuzuschreiben, daß das Publikum und selbst die näher
in Betracht kommenden Kunstgewerbetreibenden das Elfenbein selbst und
vor Allem die Tech-
nik der Elfenbein-
schnitzerei viel zu
wenig oder gar nicht
kennen. Pasfirt es
doch so Manchem, daß
er sogenannte Elfen-
beinmasse, also Gips,
für Elfenbein hält,
gar nicht davon zu
reden, daß nur we-
nige im Stande sind,

Elfenbein vonAnochen
zu unterscheiden. Um
aber den Werth dieses
edlenMaterialsrichtig
zu würdigen, muß
man es vor allen
Dingen erst erkennen
lernen. Ich will des-
halb in den folgenden
Zeilen das Elfenbein
selbst und im Anschluß
daran die Technik
derElfenbeinschnitzerei
schildern.

wie ja wohl in
weiteren Kreisen be-
kannt ist, bezeichnet
man mit dem Namen
Elfenbein die Stoß-
zähne des Elefanten.

Dieselben erreichen
eine Länge bis zu

2P2 Meter und einen Durchmesser bis etwa 2S Lentimeter. Diese Zähne
besitzen keine eigentliche Zahnwurzel, sondern die Zahnpulpe wächst in den
Zahn hinein, weshalb jeder Zahn mehr oder weniger hohl ist, je nach dem
Alter des Thieres. Bei jungen Elefanten findet man den Zahn fast bis
zur Spitze hohl. Solche Höhlung findet im massiven Theil des Zahns ihre
Fortsetzung in dem Zahnnerv, der wie ein schwarzer Faden mehr oder weniger
stark bis zur Spitze hindurchdringt. Die Schale des Elfenbeins, also die
Außenfläche des Zahnes ist braun und zeigt häufig durch Witterungseinflüsse
entstandene Risse. Nach Entfernung dieser sich in Tiefe bis zu s Millimeter
verlierenden braunen Schale, zeigt das Elfenbein eine weiße Farbe, welche
jedoch je nach dem Ursprung des Thieres nach gelb, roth oder auch grün
spielt. Der wuchs des Elfenbeins ist dem der Bäume zu vergleichen, wie
bei diesen kann man auch am Elfenbein Jahrringe bemerken, wie durch
das Mikroskop betrachtet das Holz aus lauter Zellen zu bestehen scheint, so
auch beim Elfenbein. Es ist ein Zellensystem, bei dem die einzelne Zelle
mit einer leimartigen Substanz gefüllt ist. Dieser Umstand erklärt die eigen-
artige Elastizität des Elfenbeins, eine Eigenschaft, die ganz besonders von
jedem Billardspieler hoch geschätzt wird. In Folge dieser zellenartigen Zu-
sammensetzung des Elfenbeins zeigt dasselbe im (Querschnitt kleine zusammen-
hängende Karrees, welche auch mit unbewaffnetem Auge leicht zu bemerken
sind und das beste Erkennungszeichen für Elfenbein bilden, eine Legitimation,
welche dem Knochen oder irgend welchen Surrogaten stets fehlen wird.

Das meiste Elfenbein liefert Afrika, dasselbe ist härter und durchsichtiger

Abbildung Nr. II7. Blick in einq Hallq mit Gitteriverk. Siehe erläut. Text.

als das asiatische, welches weicher und dichter ist. — Es dürste von Interesse
sein, zu erfahren, daß jährlich etwa sz ooo Elefanten erlegt werden müssen,
um den Bedarf an Elfenbein zu decken.

Gleich dem menschlichen Gebiß haben auch die Zähne des Elefanten
ihre Fehler und Krankheiten. (Hoffentlich sind die eventuellen Zahnschmerzen
nicht der Größe dieser Zähne entsprechend, wer könnte sonst wohl ohne
Mitleid bleiben?) Diese im Elfenbein vorhandenen Fehler spielen natürlich
im Handel und in der Verarbeitung desselben eine große Rolle. Lin äußerlich
vollständig gesunder Zahn zeigt häufig im (Querschnitt einen Nerv, der
z—H Millimeter breit ist und wohl gar noch zur Schale hin ausstrahlt. Sehr
oft sitzen auch in der Nähe des Nervs, oder auch direkt an diesem sogenannte
Pocken. Diese liegen gleich Fremdkörpern, die man in Größe, Farbe und
Festigkeit einer getrockneten Erbse vergleichen kann, inmitten ganz gesunden
Beines (Elfenbeines). Derartige Entdeckungen bedeuten natürlich immer
einen großen Schaden, da solches fehlerhafte Elfenbein naturgeinäß nur
untergeordnete Verwendung finden kann. Unsere schwarzen Brüder in Afrika
tragen gleichfalls dazu bei, den Handel mit Elfenbein zu erschweren. Sie

sind in der Kultur
schon so weit vorge-
schritten, daß sie durch
allerhand Betrugs-
manöver den Kauf-
mann häufig, trotz
dessen größter Vorsicht
schädigen. Beispiels-
weise füllen sie die
sehr hohlen Zähne oft
mit Steinen, Lehm u.a.
Der Zahn erscheint
dadurch massiver und
schwerer; zwei sehr
vertheuernde Um-
stände. Da man wegen
der Krümmung des
Zahns nicht in den-
selben hineinsehen
kann, merkt man die
Täuschung nicht, falls
es nicht gelingt, mit-
telst eines Drahtes
etwas heraus zu be-
fördern. Aus all dem
sieht man, welche Um-
stände den Einkauf
des Elfenbeins stets zu
einem Risiko machen.

Das meiste Elfen-
bein wird zu Billard-
bällen und Klavia-
turenverwandt, ferner
Büchsenschalen, Stock-
griffen, Fourniren rc. Nur der kleinste Theil wird für Schnitzereien verarbeitet.

Die moderne Elfenbeinschnitzerei ist eine Industrie, die nur an wenig
Orten Deutschlands noch getrieben wird. Zu nennen wäre München, wo
noch wirklich gute, auch stilreine Arbeiten geliefert werden. Dann Dresden,
wo hauptsächlich figürliche Arbeiten produzirt werden, die zum großen Theil
ins Ausland gehen. In Dresden ist auch der größte Theil der gefälschten
antiken Elfenbeinschnitzereien hergestellt worden. Einige Jahre lang existirten
dort Werkstätten mit und mehr Leuten, welche nur Antiken fabrizirten.
Ferner Berlin; was hier, außer den verschiedensten Gebrauchs- und Luxus-
gegenständen, in figürlichen Darstellungen geleistet wird, beweist die bis zum
;5. Februar d. I. im Königl. Kunstgewerbe-Museum stattgefundene Ausstel-
lung von Elfenbeinschnitzereien. Nicht nur technisch vorzügliche, sondern
zuin Theil auch künstlerisch werthvolle Arbeiten bewiesen einen entschiedenen
Fortschritt, der sich hoffentlich auch bald an anderen Orten bemerkbar machen
wird. — Außerdem existiren noch Schnitzerkolonien im Odenwald und in Geiß-
lingen, wo jedoch hauptsächlich nur Galanterieschnitzereien gefertigt werden.

Um dem Liebhaber und Sammler von Elfenbeinschnitzereien eine Hand-
habe für die Beurtheilung derselben zu geben, will ich jetzt in großen Zügen
die Technik dieser Schnitzerei zu schildern versuchen. Diese Technik ist eine
sehr schwierige, die in ihren verschiedenen Theilen eine äußerst geschickte
Hand erfordert. Ich will gleich hier vorausschicken, daß mir in der Elfen-
beinschnitzerei niemals die Anwendung des Punktirverfahrens, wie dies in
der Stein- und Holztechnik üblich, vorgekommen ist. Dieses Punktiren würde
 
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