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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Dankwardt, L.: Innen-Dekoration auf der großen Berliner Kunst-Ausstellung 1894: Original-Bericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0166

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August-Heft.

Illustr. kun st gewerkt. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

-Dnnen-^Mekoration auf der grotzen MAerliner -Munst-Musstellung 1694.

Original - Bericht von L. Dankwardt.

tie Bedeutung der diesjährigen Berliner Kunst-Ausstellung wird
allgemein ziemlich gering geschätzt; jedenfalls hat diese Aus-
stellnng dessenungeachtet das Verdienst, Gelegenheit zu interes-
santen Beobachtungen über die Beziehungen von Aunst
und Kunstgewerbe zu einander zu geben. — Den Verächtern des Kunst-
gewerbes könnte man zunächst, von dem Begriff Jnnen-Dekoration ausgehend,
Vorhalten, daß alle ausgestellten Bilder doch auch den Anspruch erheben,
ein Wandschmuck zu sein und somit in das Bereich des Kunstgewerbes über-
gehen. Hält man sich dagegen
an das vorzüglichste, was gerade
auf dem Gebiete des Wand-
schmuckes geleistet wird, so muß
eingeräumt werden, daß es zu
einer Vergewaltigung des geistigen
Fortschrittes der Aunst führen
müßte, wollte man von der Ma-
lerei eine strenge Anpassung an
die Gesetze der Flächen-Dekoration
verlangen, wie sie unter Anderen
I. von Falke aufstellt. Nimmt
man z.B. Ludwig Dettmann's
großes Gemälde „Die Arbeit",
so bezeugt schon die leicht gewölbte
Rahmenform und die Flügelthei-
lung des Bildes, daß der Meister
auf eine Einfügung seines Werkes
in architektonische Verhältnisse
Rücksicht genommen hat. Die Be-
leuchtungseffekte sind dagegen der-
art, daß sie den Begriff der Wand-
stäche innerlich ganz und gar
aufheben. Welcher Aunstfreund
und Liebhaber des Aunstgewerbes
wollte aber deswegen dem Dett-
mann'schen Bilde die Berechtigung
absprechen? Wer würde es nicht
bedauern, wenn uns dieser neue,
kerngesunde Beitrag zur Frage
über die Stellung des Menschen
zu seiner Arbeit verloren ginge?

Hier sind Männer, die des ganzen
Tages Last und Hitze mit vollem
Bewußtsein tragen, alles Weh und
alle Mühe durchkosten und dennoch
ungebrochen dastehen in der ganzen
Araft und Würde des Menschen.

Die Entwickelung dieses Gedan-
kens hat einen höheren Aultur-
werth als Aunstgesetze, daher wird
es Niemandem einfallen, mit dem
Maler zu rechten, der diese Gesetze
um höherer geistiger Güter willen
außer Acht läßt. Um so interes-
santer erscheinen jedoch unter
diesem Gesichtspunkte die Arbeiten
des Engländers Walter Trane.

Er gibt sich selbst für einen Schüler
Dürers aus und wir Deutschen
dürfen stolz sein, ihn als solchen
anzuerkennen. Bei ihm ist jedes

Bild nur als Theil einer verzierten, in Felder zerlegten Wand denkbar. Die
Art seiner Zeichnung und Formengebung vernachlässigt bei aller Araft der
Aarakteristik niemals die Anpassung an die Fläche. Ls ist Perspektive vor-
Händen, aber nicht so viel, daß dem Blick das Bewußtsein verloren ginge,
aus einer Fläche zu ruhen. Die Harmonie der Zeichnung ist stark betont
und überall wird jenes englische Prinzip befolgt, „xoiuts ok intsrsst" über
die ganze Arbeit zu vertheilen, von den deutschen Malern scheint Josef
Fellermeyer den Bestrebungen Walter Tranes am nächsten zu stehen.
Seine „Astarte" ist nur verständlich als Theil einer Jnnen-Dekoration größten
Stiles, ohne darum ein Haar breit an innerer Vertiefung und Selbständigkeit
einzubüßen. Wie wenig verständniß bei uns noch für diese Fragen vor-
handen ist, beweist der Umstand, daß man gerade die erwähnten Bilder nicht
stach an die Wand gehängt hat, sondern sie leicht vornüber neigen läßt.

Eine andere hochinteressante Probe von malerischer Dekoratiouskunst

Abbildung Nr. 99z. Portieren-Abschluss mit Gitterwerk.

liefert Joses Rösl aus München. Wenn je ein Raum geeignet war, eine
heitere Stimmung festzuhalten und auf den Beschauer zu übertragen, so ist
es dieser. Hier waltet ein feiner germanischer Humor, dem jeder Beigeschmack
von Aarrikatur fern liegt; jeder kränkliche Sinnenkitzel ist verbannt; es
herrscht disziplinirte Hoffuungsfreudigkeit, nicht oberflächliche Sorglosigkeit;
der Aünstler ist zu aufrichtig, zu wahrheitsliebend, um den Ernst des Lebens
vertuschen zu wollen — er gibt nur den Grundton an, auf den das Gemüths-
leben gestimmt sein muß, um sich mit ernsten und. freudigen Ereignissen

abzufinden. Das ganze Zimmer
zeigt Holztäfelungen von hellgrau-
grünem Grundton mit Bemalung
in Gold und einer dunkleren Farbe.
Es ist mehr eine Komposition in
Licht- als in Farbeneffekten. Man
erhält zunächst den Gesammt-
eindruck einer sehr harmonischen
ornamentalen Dekoration, erst bei
eingehender Besichtigung verbin-
den sich die heiteren, spielenden
Linien und lassen den führenden
Gedanken erkennen. Der Aampf
ums Dasein ist auf dem Fries an
den Fährlichkeiten illustrirt, welche
einem Frosch auf der Wanderschaft
begegnen. Die Ursprünglichkeit der
Auffassung des Grundgedankens
fesselt in demselben Grade wie die
kräftige Behandlung der Natur-
formen und die Anmuth der Linien-
führung behält bei aller Lebens-
freudigkeit eine gewinnende Weich-
heit, die ebenso erquickend wie
überraschend wirkt. Ls ist ein
Anrichteschrank vorhanden und
einige andere Möbel in Zimmer-
mannstechnik mit passender Ver-
zierung in der Art der Längsfelder
des Wandgetäfels gehalten. Letz-
tere bieten in Abwechslung mit
stilisirten Blumenstücken, die Sym-
bole der Musik, der Wissenschaft,
Schifffahrt usw. usw. in durchaus
moderner und hoch origineller Auf-
fassung. Besondere Beachtung
verdienen einige Porzellan-Teller
und -Schüsseln, deren Bemalung
ebenfalls von Josef Rösl stammt
und einen Beweis davon liefert,
daß die Keramik nicht nöthig hat,
sich stetig im Bannkreise überlie-
ferter Formen zu bewegen, welche
nicht vom Lebenshauch der Gegen-
wart berührt werden. — In alten
unverstandenen Formen bewegen
sich auch die vorhandenen Go-
belins. Ls sind Nachahmungen
alter Stücke, denen es an Lebendig-
keit fehlt, trotzdem sie es an Treue
gegen die Vorbilder nicht fehlen
lassen. — Erfreulich ist das, was
an Stickereien geboten wird. Mathilde Jörres- München ist mit zwei
großen Decken in Seidenstickerei und einem Wandteppich in Hauts-Iisss-
Arbeit vertreten. Die Sachen sind groß und kühn entworfen und in der
Farbenstimmung glücklich, wenn auch nicht so vollendet in der Harmonie
und etwas kälter als die Arbeiten von Frau Dernburg und Fräulein
Seliger. Letztere haben ihre aus Lhicago bereits bekannten Sachen aus-
gestellt und noch manches werthvolle Neue hinzugefügt. Als ein Triumphstück
weiblichen Aunststeißes müssen zwei Portisren mit breiten Applikations-
bordüren gelten. Ls sind Fruchtstücke in hervorragend glücklicher Komposition,
warm und erhaben in der Farbengebung, von feinem Humor ist ein kleinerer
Wandteppich belebt, der freilich erst in einem Eßzimmer mit dunkelen Lichen-
möbeln zur rechten Geltung kommt. Hinsichtlich der Technik verdienen diese
Berliner Arbeiten insofern den Vorzug vor den Münchenern, als sie mit ein-
facheren Mitteln zu Werke gehen und so niedrigere Preise erzielen, die zu
 
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