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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Kimbel, Martin: Ueber Möbel in gothischem Stil: eine fachliche Betrachtung
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Vergolden auf Elfenbein
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0051

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Februar-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Leite Zf.

Zeder ^dübel in gvthischem -Will.

Eine sachliche Betrachtung von Martin Niindel, Mödelfadrikant, Breslau.

lte, oft erörterte Fragen, wie die über den zu schnellen
Wechsel der Mode rc., könnten auch hier wieder hervor-
gerufen werden, und ich muß bekennen, die Ursache ist
der Uebel schlimmstes nicht; diese ganzen scharf aufeinander und
durcheinander kommenden Erscheinungen von bleuem, liegen in
erster Linie im Ehrgeiz des Zeichners: von der Heerstraße sich zu
entfernen und seine Fantasie etwas in persönlicher Eigenart
tummeln zu lassen.

Eine Aenderung des Stiles in einer Werkstätte ist eine ernste
Sache; wie überhaupt der innere Trieb der Schaffenslust nicht
wit einer Laune verglichen werden kann, denn ehe eine solche
Aenderung gereift ist und sich sehen lassen kann, ist viel Arbeit
und Denken vorausgegangen,
denn der Gegenstand will per-
sönlichen Wünschen angepaßt
sein, soll sich in gewissem
Preise bewegen, auch moder-
nen Wohnungsverhältnissen
Rechnung tragen und soll
schließlich den Eindruck des
Echten, Ungekünstelten ma-
chen. — Als mich vor vier
Zähren nun die Renaissance
mit ihren ewigen Dachsimsen
in den Stuben und der unsin-
nigen Platzvergeudung durch
holzmaffen, die an ein hos-
thor, aber nicht in ein Zim-
mer normaler Größenverhält-
nisse passen, anekelte, da trieb
mir mein Glücksstern ein altes
Holzgestell gothischer Bauern-
technik in meinen Hafen, und
da hatte ich, was ich brauchte,
glatt, ohne viel Projektion
von Gliedertheilen, angenehm
in der Flächenvertheilung und
praktisch im Bau; und nahm
ich nun noch meine Vorliebe
sür schmiedeeiserne Beschläge
hinzu, so war etwas gefun-
den, was malerisch wirkt und
praktisch ist, und nicht zu
theuer kommt. — Die Sachen
kamen herum, man fand sie
hübsch, aber — sie waren aus zu schlechtem Material? nämlich
Föhrenholz (Kiefer) gemacht; so sagte inan mir nämlich, und
doch ist dieses Material speziell den: gothischen Stil exakt angepaßt,
und hätten die biederen Tiroler alter Zeit wohl bald die Lust
verloren, diese Manier in härterem Holze aufrecht zu halten.

von anderer berufener Seite wurde mir zum Vorwurf ge-
macht, daß ich die „unheilvolle" Bauerngothik aus ihrer Rumpel-
kammer hervorgeholt habe, die nun seit einiger Zeit in der
Möbelbranche ihr Wesen treibe und zu den verdorbensten Aus-
wüchsen Anlaß gäbe. Den ersten Theil des Vorwurfes, daß ich
mit der Wiederbelebung dieses Stiles quasi eine Sünde begangen
habe, muß ich als einen unberechtigten zurückweisen, dem letzteren
Theil in gewisser, nachstehend näher begründeter Hinsicht beistimmen.

Die von mir eingeführte Art Gothik kann nämlich nur in
der absichtlich elementarsten Konstruktion ihre berechtigte Existenz
finden, und habe ich mit den vielen anderen, in der Geschäftswelt

Abbildung Nr. 87Z. Schrank mit Durchgang und Portieren-Abschluß

jetzt kursirenden sogenannten gothischen «Objekten, die aus dem
Wust von Stil-Konglomeraten der letzten Jahre hervorgegangen
sind und mit unserem deutschen Wesen, soweit es sich nach der
praktischen Seite hinneigt, gar nicht in Harmonie stehen, nur
das gemein, daß ich mich diesen Erzeugnissen gegenüber stets
gerne ablehnend verhielt, um dagegen das Einfache, Echte
an die Stelle zu setzen.

Daß der Unterschied der Gothik, in der Auffassung seitens
berufener Leute, eine mindestens ebenso große Verschiedenheit zeigen
kann, wie derjenige in der Renaissance, daß ersterer Stil, wie
Dieterlin s. Zt. zeigte, einen Uebergang in die fantasiereichste
Renaissance erträgt, ist nicht zu bestreiten, nur muß die Behandlung
des Stiles dann von einem sicheren, wohlinformirten Standpunkte
aus geschehen! —

Ich komme hierdurch auf einen Uebelstand, der leider durch
die zu rasch wechselnden Stile und Formen in manchen Werk-
stätten und bei Zeichnern ent-
steht; die, bei etwas Schwer-
fälligkeit den Anforderungen
gegenüber,sich nicht „originell"
geben können: Der Renais-
sancetisch muß einfach seine
Schnörkel wechseln; das dito
Büffet bekommt als Krönung
des Gebäudes Zinnen und
sonst noch Aenderungen, und
so geht es durch. Das ist als-
dann „modern gothisch",
weil es eben nicht gothisch
ist. Etwas mehr Ernst im
Wollen und Stehlen guter
Motive — letzteres will auch
gelernt sein — wäre öfter
am Platze im eigensten und
allgemeinem Interesse.

Ich wünschte, daß dein
gothischen Stile im Allge-
meinen mehr Gerechtigkeit
widerführe, und das kann nur
geschehen, wenn man volles
verständniß hierfür hat. Mö-
gen die im vorliegenden hefte
zur Wiedergabe gelangten
Blätter zur Nachahmung
ermuthigen und werde ich ab
und zu einige weitere Er-
zeugnisse dieser Art zur Kennt-
niß bringen. — Uni der
Ansicht vorzubeugen, daß
gothische Einrichtungen unerschwingliche Summen erfordern,
möchte ich nur noch bemerken, daß z. B. das in den Abbildungen
Nr. 866, 868—870 und der ersten Beilage zur Ansicht gebrachte
Wohn- und Speisezimmer rund ca. Z—6000 Mk. kostet, gewiß
eine, sich in erschwinglichen Grenzen bewegende Summe.

Ich habe die Preise hierzu gegeben, und wäre es sehr dienlich,
wenn von anderer Seite dies auch geschähe, damit das „Märchen-
hafte" nicht Eingang in der Schätzung findet. —

Vergolden auf Elfenbein. Die Verzierung wird auf den
Gegenstand ausgezeichnet und der zu vergoldende Theil wirdgnit
weichen Haarpinsel, welcher mit Nitro-Muriat von Gold befeuchtet
ist, überstrichen. Jetzt hält inan das Elfenbein über eine Flasche,
in welcher hydrogengas (durch Einwirkung verdünnter Schwefel-
säure aus Zinkabfälle) erzeugt wird. Das Hydrogen wird das
Lhlorgold an den überstrichenen Flächen zu metallischem Gold ver-
wandeln, und das Goldhäutchcn wird in kurzer Zeit Glanz erhalten.
 
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