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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Schulze, Otto: Stilistik der Beleuchtungs-Geräthe
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Preiskonkurrenz in Paris für Entwürfe zu Möbelstoffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0249

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Teile ^90.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Dezember-kfeft.

Bis zur Einführung des elektrischen Lichtes ist es derselbe Vorgang,
wenn auch in hundertfacher Verschiedenheit, der die Bildung der Beleuchtungs-
geräthe bedingt; daher die Vererbung der Grundformen, die Aehnlichkeit der
jüngsten Sprossen mit den fast prähistorischen Litern. Die Flamme, das
Feuer, die Erscheinungsform brennender Stoffe, welche um des Lichtes willen
geopfert werden — dem alten Volksglauben nach fand ein ähnlicher Vorgang
auch auf oder in der Sonne statt — war bis dahin der Schöxfnngsgedanke,
die Seele sämmtlichen Beleuchtungsgeräthes. — Nun ist es gelungen, die
Erscheinungsform des Blitzes nicht nur zu koxiren, sondern das momentartige
Aufleuchten zu einem Dauerlicht zu gestalten, d. h. den elektrischen Strom zu
bannen, zu sammeln und nach Belieben für kleine oder große, für schwache
und starke Lichtquellen verfügbar zu machen! Hier stehen wir an der bedeut-
samsten Wende in der Um-
gestaltung, ja sogar in der
Neugestaltung unseres Be-
leuchtungsgeräthes!

Und was ist wohl für
diese Um- und Neugestaltung
am einschneidendsten ge-
wesen?! Nicht das Fehlen
eines Behälters, eines
Sammelgefäßes für den
Brennstoff, solcher bedurften
wir schon bei der Kerze und
dem Leuchtgase nicht mehr,
sondern das Fehlen der
Flamme, die Richtungslostg-
keit des Lichtkernes, seine
Abschließung von der atmo-
sphärischen Luft, also die
Beseitigung des Verbren-
nungsprozesses für Leucht-
zwecke, geradezu das „Ent-
gegengesetzte des Bisheri-
gen" hat die Urtypen für
ein neues Beleuchtungs-
geräth und seine Abarten
entstehen lassen! Mit einem
Schlage konnten wir daran
denken, richtiger: mußten
wir dies thun, uns der alten
Formen zn entfremden; die
neue Lichtquelle forderte
ganz energisch: Leichtigkeit,

Einschränken der Masse und
der Körperfülle der Geräthe,
welche für das nackte Be-
dürfniß kaum nothwendig
sind. Die Schwerfälligkeit
hat der Beweglichkeit, das
struktive Gerüst der Ueber-
lieferung hat den biegsamen,
wachsenden und kletternden
Drähte» der neuzeitlichen
Zweckforderung des elektri-
schen Funkens weichen
müssen. — Innig verbunden
ist damit die Beseitigung
des Schlagschattens durch
Beleuchtungskörper bis auf
ein Minimum, das Fort-
spiunen der Lichtpunkte in
jeder nur denkbaren Lage
und Gruppirung, also weit-
reichendste Lichtvertheilung über Raum und Fläche. Wohlthuende Reinheit
und Intensivität, sowie Schwingungsvermögen des Lichtes, wie auch geringste
Feuergefährlichkeit find weitere hervorragende Vorzüge, welche für die eigen-
artige Gestaltung des Zweckmotivs in künstlerischer Hinsicht eine schranken-
lose Freiheit gewähren.

Also erst das elektrische Licht hat uns in die Nothwendigkeit versetzt,
neue Beleuchtungsgeräthe zu schaffen. Mit einem Behelfen mit alten
Formen und Geräthen ging es eben nicht länger; wir stehen vor ganz neuen
Aufgaben und besitzen zum Theil schon sehr glückliche Lösungen, aus denen
sich eine vollständig neue Formenwelt für Beleuchtnngsgeräthe wird ent-
wickeln lassen. — Aber wir sind auch schon zu ganz neuen Beleuchtungs-
theorien gelangt, bei denen das Licht in erster Absicht dekorative Auf-
gaben zu erfüllen hat — und hieraus wird eine ganz selbständige Gruppe
entstehen, die mit dem Zweckgeräth nichts zu thun hat. — Wir können nicht

plötzlich alle uns überlieferten Formen an Lichtträgern, besonders figürlichen,
Kronen, Armen und dergl. über Bord werfen, weil wir des Petroleums und
Leuchtgases noch immer neben dem elektrischen Licht bedürfen, die nächste
Generation wird erkennen, daß die zweite Hälfte des Jahrhunderts Kraft
und Mittel besaß, nicht nur einen Maschinen- und Eisenstil zu zeitigen,
sondern auch über geistvolle, künstlerische Ausdruckmittel verfügte, dem
elektrischen Licht ein seiner hohen Aufgabe würdiges Geräth zu schaffen. —

mskoilkurrell; in Paris für Entwürfe ?n Möbelstoffen.

Im Museum des Calais äs vluäusbris findet augenblicklich eine
interessante Ausstellung statt, welche die „Zentralvereinigung der dekorativen

Künste" veranstaltet und die
sich aus den Entwürfen zu-
sammensetzt, welche anläß-
lich eines Konkurrenzaus-
schreibens dieser Gesellschaft
an dieselbe gelangt sind.
Die Union äss ^.rts äsoo-
ratüis hat diesen Oonoonrs
in zwei Theile geschieden,
indem sie sich einerseits an
die Künstler, andererseits
an die Schüler der Jeichen-
schulen und solcher für
dekorative Kunst in Paris
und in der Provinz wandte.
Die Unterscheidung bezieht
sich besonders auf die Höhe
der zu gewährenden Preise.
Für die Künstler sind solche
von je >;500, tvoo,soo Frcs.,
3 zu je 200 und q zu je
too Frcs.; für die Schüler
einer von 500, einer von
300 und 7 von je ;oc> Frcs.
ausgesetzt.

Was die Vorwürfe be-
trifft, so sind sie, abgesehen
von einigen Einzelheiten,
für alle dieselben, es handelt
sich nämlich darum, das
Muster (in Zeichnung oder
Wasserfarben) für einen
Möbelstoff herzustellen, der
aus Seide bestehen und zur
Dekoration eines Salons
von H Meter Höhe dienen
soll. — „Das zu benutzende
Material" — so sagt das
Programm — „sollen Blu-
men, Pflanzen und Laub-
werk jeder Art bilden, welche
die Konkurrirenden nach
eigener Wahl interpretiren
können, sei es, indem sie sie
im natürlichen Zustande
geben oder indem sie sie
stilisiren, doch ist in letzterem
Falle die Wiederholung von
bereits bekannten Stilisi-
rungen zu vermeiden." —
^6^ Vorwürfe sind ein-
gegangen, wenn ich jedoch
oben die Ausstellung eine interessante nannte, so ist sie es nur insofern, als
es immerhin Interesse bietet, zu sehen, auf welchem Standpunkte eine Kunst-
branche sich augenblicklich befindet, denn die zur Ansicht gelangenden Arbeiten
entsprechen nur mit wenigen Ausnahmen den Ansprüchen, die man hier zu
stellen berechtigt ist. Und man kann durchaus nicht behaupten, daß die Ent-
würfe der Künstler sich von denen der Schüler vortheilhaft auszeichnen, eher
entdeckt man noch bei den Schülern einige Vriginalität.

Als vor nun mehr als HO Jahren die erste große Weltausstellung in
London stattfand, suchte einer der damaligen französischen Berichterstatter die
Aufmerksamkeit seiner Landsleute darauf zu lenken, welche außerordentlichen
Fortschritte die Engländer in Bezug auf die dekorative Kunst gemacht und
daß sie in einigen Branchen für die Franzosen gar gefährliche Konkurrenten
werden könnten. Damals hielt man dies für übertrieben, heute muß man
jedoch gestehen, daß, wenigstens nach dieser Ausstellung zu schließen, in Bezug
 
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