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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Zimmermann, Ernst: Das Bild als Wandschmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0106

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Teile 76.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Mai-Heft.

Md als ^Wandschmuck.

von Ernst Zimmermann.

iie Litte, die Wände des bürgerlichen Zimmers zum Schmucke und
zur Belebung mit Bildern zu behängen, ist aufgekommen, als
die Kunst, ihren streng religiösen Karakter verlierend, zur Profan-
kunst wurde, und Holland und die Niederlande, wo dieses am
Ende des zs. Jahrhunderts zuerst mit aller Konsequenz geschah, sind daher
auch dafür die Ausgangspunkte geworden. Reich waren damals diese Länder
mit Künstlern aller Art besät. Bedeutende wirkten neben unbedeutenden.
Der eine schuf, indem er
erfand, der andere nur nach-
ahmend. Ls konnte bei
der Fülle des Angebots auch
der weniger Begüterte sein
Heim mit Griginalwerken
schmücken.

vor jener Zeit er-
schienen die Wände der
Stuben, in denen der ein-
fache Bürger sein Alltags-
leben verbrachte, wie wir
es noch aus zahlreichen
alten Bildern ersehen kön-
nen, nach unserem ver-
wöhnten modernen Ge-
schmacke kahl und leer. Der
Gfen in der Ecke otzer der
Kamin in der Witte der
wand, die Borte mit Krü-
gen und anderen Ge-
brauchsgegenständen über
der Thür oder, wo sonst
sich Platz bot, verschiedene
Haken zum Aufhängen der
Kleider, der hohe Aufbau
des allgemein üblichen
Himmelbettes, sowie die
wenigen Schränke und
Truhen belebten die Wände
der damals freilich meist
niedrigen Zimmer, so gut
sie es konnten, ohne sie
freilich nach unseren Be-
griffen zu füllen. Den wich-
tigsten Gebrauchsgegen-
ständen gesellte sich dann
im zs. Jahrhundert in den
Niederlanden, als erstes
Luxusgeräth für die Wand
und noch dazu als rechtes
Kind der spielenden Mode
der runde, konvex geschlif-
sene Spiegel zu, der seltsam
verzerrt sein Gegenüber
wiedergab, verwandt jenen
farbigen Glaskugeln, mit
denen wir vor nicht allzu
langer Zeit noch unsere
Gärten zu schmücken mein-
ten. In anderen Theilen
Deutschlands dagegen ward
es, wie Hans Sachs in

einem seiner vielen Gedichte berichtet, Brauch, den Holzschnitt, für den selbst
die größten Meister damals schufen, und dem man gerade deshalb wohl ein
möglichst großes Format zn geben suchte, an die Wand zu Heftern Es ist
dieser „Brief an die Wand", wie der damalige Sprachgebrauch ihn nannte,
gewiß der allererste rein künstlerische Wandschmuck des Bürgerhauses, freilich
eingeführt in den einfachen Hausrath desselben durch das religiöse Bedürfniß,
das Abbild von Heiligen, das diese Holzschnitte anfangs meist darstellten,
im eigenen Heime zu besitzen.

Heutzutage kommen wir in unserem Streben ohne den Schmuck von
Bildern überhaupt nicht mehr aus; ein Jeder verlangt ihn für seine Wohn-
stätte, sei es in Griginalen, sei es in irgend welchen Reproduktionen, und
man kann ja im Grunde genommen dagegen nicht viel sagen. Aber wie so
oft, sind wir auch hier in unserem Mangel an wirklich künstlerischem Empfinden
zu Uebertreibungen gelangt. Wir haben uns nicht immer überlegt, was die

Abbild. 929. Blick in die grosth Hallq in Nhinefteld, Hampshire, v. d. Arch. wolker u. Tauner.

eigentliche Aufgabe der Bilder in unseren Zimmern ist, wie wir die Bilder
auszuhängen haben und welche denn überhaupt. Ursprünglich war es die
Freude an den Bildern, Vem Kunstwerke selber oder blos seinem Inhalte,
die dazu führte, sie so anzubringen, daß man sie möglichst oft und leicht
genießen konnte, ohne daß man dabei gleich an ihr verhältniß zur übrigen
wand dachte. In Holland war es im z?. Jahrhundert sogar noch vielfach
Sitte, wie aus den Jnterieur-Darstellungen dieser Zeit hervorgeht, die auf-
gehängten Bilder für gewöhnlich zu ihrer Schonung mit Vorhängen zu
bedecken. In dieser reinen, naiven Freude am Kunstwerk ist man nun später
und namentlich in unserem Jahrhundert als die Fotografie die Möglichkeit
erleichterte, dahin gekommen, die Wände allzuvoll zu hängen, daß sie denen

eines Museums gleichen.
Hatte man doch z. B. eine
Zeit lang die Sitte, die
Wände des Wohnzimmers
mit einer solchen Masse
rundeingerahmter Fami-
lienporträts zu bedecken,
daß man sich fast in den
Tanzsalon eines Schützen-
Hauses versetzt glaubte, wo
alle Scheiben der Schützen-
könige zur ewigen Erinne-
rung für die Nachwelt an
die wände angenagelt
waren. — Man wird sich
heute, soll das Vorhanden-
sein von Bildern in unseren
Zimmern für das künstle-
rische Auge erträglich sein,
doch darauf beschränken
müssen, daß sie zunächst
nur einen rein dekorativen
Zweck zu verrichten haben,
daß sie für die Wände vor-
handen sind und nicht die
wände für sie, daß ihre
Bedeutung mithin nur
sekundär ist. Darum muß
schon bei ihrer Aufstellung
Alles vermieden werden,
was sie zu sehr in den
Vordergrund stellen, ihre
Gegenwartzu aufdringlich
machen würde. Sie dürfen
nicht zu schwer, nicht zu
massig, nicht zu auffallend
wirken, weder durch ihren
Gegenstand, noch durch die
Art seiner Wiedergabe,
noch durch ihre Umrah-
mung. Sie dürfen nicht
zn dicht gedrängt sein, daß
sie die Wände, die Um-
fassung des Zimmers fast
verdecken, und nicht mit
der Gesammtordnung der
Architektur und der Möbel
im Widerspruche stehen.
Die wahre Kunst, Bilder
aufzuhängen, besteht eben
darin, daß man die wirk-
lichen Lücken an einer
Wand erspäht, und daß
man diese richtig zu füllen weiß. Man lasse daher lieber, ist man sehr reichlich
mit Bildern gesegnet, einige von ihnen fort und suche den Rest mit Geschmack
kunstvoll anzuordnen, ols daß man in dem Glauben, Alles unterbringen zu
müssen, sein Heim zum Bildermagazine macht. Allzuviel dargebotener Schmuck
schmeckt nach Parvenuthum. Freilich haben wir uns ja seit der verhängniß-
vollen Renaissancexeriode unserer dekorativen Kunst leider nur zu sehr an
das „übervolle Zimmer" gewöhnt, und man dürfte daher bei einer Umkehr
zur Einfachheit nicht mit den Wandbildern gerade den Anfang machen.

Nichts ist wichtiger für die Frage der Bilderausschmückung unserer
Zimmer, als die Wahl derselben hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Er-
scheinung. In den Bildern der Wand verräth sich am offensten im Wohn-
raume die Individualität seines Bewohners; sie sind die offenen Glaubens-
bekenntnisse seiner inneren Seele, der Spiegel seines ästhetischen Empfindens.
Freilich ist man ja, wenn man den dekorativen Zweck dieser Bilder als
 
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