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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Dankwardt, L.: Innen-Dekoration auf der großen Berliner Kunst-Ausstellung 1894: Original-Bericht
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Lederplastik als häusliche Kunstarbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0169

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August-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

5eite s25.

einer allgemeinen Werthschätzung der Stickerei wesentlich beitragen werden.
Die ausgestellten Kissen in Gold- und Silberstickerei von Frau Dernburg und
Fräulein Seliger beweisen, daß diese Damen auch die mühsamsten Techniken
zur Vollendung beherrschen und sie da anwenden, wo sie am Platze sind,
nämlich, wo es sich um intime, dem Auge nahe gerückte Wirkungen handelt.
Unsere Berliner Kunststickereischule geht aber von der Annahme aus, daß
dem Kunstgewerbe mit der Pflege eines großen Stils besser gedient ist, als
mit mühsamen Techniken. Deshalb kommt hauptsächlich Applikation und
Kensington - Stich
zur Anwendung
und der Begriff
Nadelmalerei
tritt mehr in den
Hintergrund. —

Nadel Malerei
im modernsten
Sinne, d. h. in
Verbindung mit
Pinselmalerei
(nach ArtderFrau
von Mankiewicz)
pflegt Fräulein
Kherschner. Sie
hat einen riesigen
Wandteppich und
eine Stellwand
(Wandschirm)
ausgestellt. Die
Wirkung der
leuchtenden The-

nille, die für Blüthen zur Verwendung kommt, ist sehr bestechend. Die
Malerei dagegen, gegen welche sich die Blüthen abheben, wurde reichlich dunkel
gehalten, daher fallen die Hellen Partien zu sehr aus dem Ganzen heraus.
Der Wandschirm erscheint sehr bunt nnd unruhig; dies ist indessen viel-
leicht auf Rechnung einer ungünstigen Beleuchtung zu setzen, jedenfalls ist
aber gerade in dieser Arbeit kein lebendiges Bewußtsein für die Aufgaben
der Dekorationskunst
entwickelt. Trotz aller
Anerkennung, die das
vorhandene starke Ta-
lent verdient, trotz aller
Freude, die man an
dem munteren Farben-
spiel empfindet, muß
zugegeben werden, daß
der jnhalt der Arbeit
nicht für die Verletzung
der Kunstgesetze ent-
schädigt. Eben aus
dieser Thatsache läßt
sich wieder folgern,
daß die Beziehun-
gen zwischen Kunst
und Kunstgewerbe
weit engere sind,
als man gewöhn-
lich annimmt. Ta-
lent allein genügt
weder für das
eine, noch das an-
dere, es muß jene
erbarmungslose Schu-
lung der Geisteskräfte
in jeder Richtung hin-
zukommen, die von
Alters her unter dem
Worte verstanden
wurde: „Die Götter
haben vor das Talent
den Fleiß gesetzt" und „Genie ist Fleiß". Fräulein Kierschner ist unbestritten
eine fleißige Künstlerin, aber sie vernachlässigt das theoretische Studium ihrer
Kunst. Die ungünstige Beleuchtung ihrer Arbeiten findet ein feines Gegen-
stück in einem Thürbehang, der von Frau Dernburg und ihrer Schwester für
das Reichsgebäude in Lhicago geliefert wurde. Die Wahl des Grundstoffes
blieb den Damen nicht frei; man lieferte ihnen eine Seide, die sie nur
ungern verarbeiteten. Dennoch ist der Entwurf fo groß angelegt und die
Ausführung so harmonisch, daß, wie ich wiederholt zu beobachten Gelegenheit
hatte, die Arbeit einen nachhaltigen Eindruck auf „Laien" in der Stickerei-

kunst nicht verfehlte. So geringfügig die Thatsache an sich sein mag, so
gibt sie doch Anlaß zum Nachdenken. Line unserer tüchtigsten hiesigen
Malerinnen bedauerte lebhaft, daß Frau Dernburg nicht Malerin geworden
sei — sie würde so Großes geleistet haben. Wenn schon echte Künstlerinnen
nicht einsehen, daß eine Stickerin in ihrem Gebiet ebenso viel leisten kann,
wie eine Malerin auf dem ihrigen, so ist es Zeit, das Publikum eines
Besseren zu belehren. Möchten die vorstehenden Zeilen als Anregungen zum
Fortschritt in dieser Richtung angesehen werden und das Erkenntnis' bringen,

daß es auf jedem
Gebiet kunstge-
werblichen Schaf-
fens eine Vollen-
dung gibt, welche
der eigentlichen
„Kunst" in jeder
Beziehung eben-
bürtig zu be-
trachten ist! —

Fkdrrplastilr
als häusliche
Kunstarlirit.

jn neuester
Zeit ist es die
Lederxlastik—d. i.
Ledorverzierung,
die nicht durch
mechanische Pres-
sung, sondern durch freie Thätigkeit der Hand entsteht — ein Kunstzweig,
der in früheren Jahrhunderten entstanden, dann vernachlässigt und vergessen,
seit einigen Jahrzehnten wieder in kunstgewerblichen Werkstätten mit großem
Erfolg gepflegt und nun als „häusliche Kunstarbeit" so beliebt geworden
ist, daß sie in immer weiteren Kreisen, namentlich auch von zarter Frauen-
hand hingebungsvolle Pflege findet. Der 'weiche, aber widerstandsfähige

Stoff fügt sich willig
der zartesten Hand,
verträgt aber auch
manchen Mißgriff der
noch ungeübten Finger,
während anderseits die
betreffende Technik
leicht erlernt wird. —
Lin hcrzhaftesLrfassen
dieser Thätigkeit bringt
Erfolge, ehe man es
ahnt; jede neue Arbeit
steigert dieselben und
das freudige Bewußt-
sein glücklichen Ge-
lingens erhöht die Lust
zu neuem Schaffen.
Dazu kommt, daß mit
geringen Mitteln die
niedlichsten Sachen her-
gestellt werden können.
Kleine Stücke von dem
eigens dafür zuberei-
teten Leder genügen
für allerliebste Täsch-
chen und Behälter aller
Art, für Album-,
Bücherdeckel usw., und
die Dauerhaftigkeit des
Stoffes, wie der hinein-
gearbeiteten Formen,
macht solche Geschenke
von lieber Hand um
so werthvoller. Auch ist die Beschäftigung eine durchaus reinliche und
gefahrlose, weshalb sie mit großer Vorliebe und mit Erfolg von Damen
betrieben wird. Auch mit verhältnißmäßig wenig Geräth ist die Arbeit
gethan. Hammer, Messer, Modellireisen, einige Punzen und Lederringe —
und das Werkzeug ist da, um die aufs Leder gezeichneten Formen plastisch
hervortreten zn lassen. Johannes Petersen in München hat nnn, dem prak-
tischen Bedürfniß entsprechend, einen Werkzeugkasten angefertigt und demselben
eine Gebrauchsanweisung beigegeben, welche die genannte Technik in leicht ver-
ständlicher Weise erläutert und weitere Vorlagen überflüssig macht, (wu-cks G.-Z.)

Abbildung Nr. 995. Gitteriverk - (Kestecht mit Stoff. Draperie.

Abbildung Nr. 996. Gitteriuerk fürs Zimmer- oder; Erker-Abschluss mit Stoff-Dekoration.
 
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