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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Hofmann, Albert: Tafel-Silber, [2]
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Tafel-Schmuck und -Freuden, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0234

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Seite s?8.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

November-^eft.

seine Kunst ist, wie gesagt, fast ganz die des Japaners. Man weiß, daß
der Japaner in der Kunst des Netalles alle anderen Kulturvölker übertrifft
und mit praktischem Blick machte sich der Amerikaner seine Kunst zu eigen.
Daraus wird dann allerdings nicht die vielgerühmte «Originalität des Ameri-
kaners, sondern es wird eine um einen Grad weniger werthvolle japanische
Kunst. Bei näherem Hinsehen kommt üherhanpt die «Originalität des Ameri-
kaners bedenklich ins Wanken. Aber schon Goethe sagt im Gespräch mit Ecker-
mann: „Man spricht immer von «Originalität; allein was will das sagen!
Sowie wir geboren werden, fängt die Welt an auf uns zu wirken, und das geht
so fort bis an's Ende. Und überall! was können wir denn unser Eigenes

nennen, als die Energie, die Kraft, das Wollen!-- Wir bringen wohl

Fähigkeiten mit, aber unsere Entwickelung verdanken wir tausend Ein-
wirkungen einer großen Welt, aus der wir uns aneignen, was wir können
und was uns gemäß ist." Das bezieht sich in vollem Umfang auf den
Amerikaner.

Die Anordnung der amerikanischen Tafel pflegt gewöhnlich so zu sein,
daß ein Tischtuch aus dickerer Leinwand, das mit einer Spitze besetzt ist,
den Tisch bedeckt. Ueber dasselbe wird ein kleineres Tischtuch aus feiner
Leinwand gebreitet, das mit einem farbig ornamentirten gestickten Rand
umgeben ist. Die Farben dieser Stickerei können mit jenen des bemalten
Porzellans Zusammengehen. Die Ecken des Speisezimmers sind mit Palmen
und Azaleen, die Tischffächen des Kamins und des Büffets mit Blumen
dicht besetzt und die Mitte des Tisches ziert ein großer silberner Aufsatz, der
Rosen und Maiblumen trägt. An jeder Ecke umgeben farbige Blumen-
Arrangements silberne Leuchter, die wie auf Kissen von weißen Kamelien,
Rosen und Maiblumen zu ruhen scheinen. Zu dem Allem gesellt sich ein
feines Porzellan, das nicht selten von Ssvres und Limoges bezogen wird.
Der feine Ton des Glases, der Glanz des Silbers der Bestecke und Gefäße
und die Farbe der Kleider der Damen vollenden das farbige, reiche Bild.

Das Silber findet auch bei dem tivs o'aloaL tau ausgebreitete An-
wendung. Das Geräth ist hier meistens aus gehämmertem Silber mit
getriebeneu Blumen und Thieren, oder es zeigt in feiner Weise einen
Gegensatz zwischen matten und polirten Flächen, oft auch eine Zusammen-
stellung von Kupfer für den unteren Theil des Geräthes mit Silber für den
Deckel. Lin solcher Aufwand ist gerechtfertigt, denn in den meisten Fällen
ist der Thee nur ein Vorwand für gesellige Vereinigungen. Das Silber
spielt hier die Hauptrolle, man möchte es eben so wenig missen, wie die
Dame in den geselligen Zusammenkünften, welche ihnen eigentlich
erst den richtigen timdrs verleiht. „Pu rnuncjns ciss ksrnrnss" („Hier fehlen
Frauen"), sagt der Franzose von einem Roman, von einer Gesellschaft, wenn
er in beiden den eigentlichen Reiz vermißt. „Ou rnungns ä'uvKsnt" können
wir in analoger Weise rufen, wenn wir auf einer Tafel das vermissen, was
ihr neben dem Glase und dem Porzellan den eigenartigen Lüstre gibt.

Gegenüber den Ländern, die eben betrachtet wurden, ist die Entwickelung
des Silbergeräthes als Tafelgeräth in Deutschland zurückgeblieben. Die

Gründe hierfür habe ich schon angedeutet. Doch kommt das Silber mehr
und mehr in Gebrauch. Namentlich das Trinken bei festlichen Gelegenheiten
aus Silber wird immer häufiger, Glas und Krystall treten für diesen Zweck
ganz allmählig zurück. Ls geht hier mit letzterem wie es im Faust heißt:

Du glänztest bei der Väter Freudenfeste,

Erheitertest die ernsten Gäste,

wenn Einer dich dem Andern zugebracht."

Es ist eine große Seltenheit heute schon geworden, wenn der gläserne
oder kristallene glatte oder gerippte Pokal, ein altes Erbstück des Hauses,
hervorgeholt wird, beim Feste den Trunk anfzunehmen. Die Bedeutung
des deutschen Tafel-Silbers liegt zunächst in den großen Prunkstücken, von
welchen ich unter anderen nur das von Heiden entworfene Tafel-Silber
für den Prinzen Wilhelm, das Tafel-Silber für das Erbgroßherzogliche
Haus von Baden, das von Vollgold gezeichnete und gefertigte Tafel-
Silber für den Fürsten Bismarck, die reichen Entwürfe von Seitz, Halb-
reiter, Winterhalter, Lind, Wiedemann, Brochier und Anderer erwähne.
Es fehlt jedoch auch nicht an einer Reihe vortrefflicher Liseleure und Künstler,
denen immer häufiger die Aufträge auch für Gebrauchs-Silber zugehen.
Ich neune unter ihnen nnr die Namen Rud. Mayer in Karlsruhe, «Offter-
diuger in Hanau, Kloucek, früher in Frankfurt, jetzt in Prag, ein feinsinniger
Künstler, den wir, wenn er auch Tscheche ist, für Deutschland und die deutsche
Kunst reklamireu dürfen, denn er bildete sich vorwiegend an den deutschen
Kleinmeistern; ich nenne dann ferner Roloff und Raßmussen hier aus einer
Reihe von Anderen. Ls ist im Allgemeinen eine nicht zu große aber aus-
erlesene Schaar feinsinniger Künstler des Metalls. Unter ihrem Einfluß
dürfen wir hoffen, daß das deutsche Silber dem fremden bald gleichkommen
wird. Denn Deutschland hat vor den anderen Ländern gewisse Vorzüge
voraus, die nicht zuletzt in der großen Anzahl mannichfaltiger Kunstzentren
liegen. Ich sage mannichfaltig. Denn wir machen in München ein anderes
Silber wie in Berlin, in Karlsruhe ein anderes denn in Dresden, in Nürn-
borg und Augsburg ein anderes denn in Frankfurt, ein anderes ist es in
Hanau, ein anderes in Köln und Pforzheim. Ls ist ein reicheres Bild, als
es die anderen Länder bieten. Aber während München an Albrecht Dürer,
Hans Holbein und die deutschen Kleinmeister ankuüpft, Berlin sich vorwiegend
Louis XV. zum Vorbild nimmt und auch die anderen Stätten des Silbers
mehr au das historische anknüpfeu, eine Richtung, die gewiß auch ihre volle
Berechtigung hat, wäre es doch auch erwünscht, daß in Deutschland eine Kunst
des Silbers aufkäme und sich verbreitete, welche sich mehr an das natürliche
Vorbild, welches uns das Pflanzenreich in so übergroßem Reichthum bietet,
hält, eine Kunst des Silbers etwa im Sinne der Bestrebungen unseres vor-
trefflichen Meurer. Aber ich habe gute Hoffnung, es beginnt sich zu regen.

Ich möchte mir nun noch ein paar Worte über die Zusammenwirkung
des Tafel-Silbers mit den Speisen und mit der Kleidung erlauben:

afel-bZWchmnck und -

(Schluß von Seite ^7^..)

ahnstocher auf den Tisch zu stellen, ist ein entschiedener verstoß
gegen feine Sitten, und von dem unseren sind sie natürlich
verbannt. Rechtsseitig von dem goldenen Besteck sind die
Gläser aufgestellt, fünf an der Zahl, den verschiedenen Weinen,
welche die Sxeisenkarte nennt, entsprechend, wir haben sie aus dem
Magazin von F. W. Hengstmanu (Leixzigerstr. ZI) erhalten. Ls standen
uns hier Gläser verschiedener Gestalt und Dekoration zur Verfügung: eine
Garnitur mit geschliffenem Stiel, über welchem das Glas ein Relief
zeigt, das den Deckblättern einer Blume gleicht, aus welchen sich der obere
Theil rein und schmucklos entwickelt; oder Gläser mit feinein geätztem
Blumenornament, das vom Stiel aus, der leicht gegliedert ist, in einzelnen
Zweigen am Glase hinaufraukt, und noch viele andere Arten. Wir

haben jedoch Vorliebe für den klaren Krystall mit echtem Goldrand über
einem Stiel, aus dessen Innern ein feines (Ornament durchschimmert, weil in
diesen klaren Gläsern das Farbenspiel des Weins besser zur Geltung kommt.
Einige derselben haben eine mehr schlanke Form, während das für Rothwein
bestimmte voll ausschweift, denn Kenner lieben es, französische Weine aus
dieser Form zu trinken, da sich die Blume desselben besser darin entwickeln
soll, während das Champagnerglas eine schlanke Tulpe bildet und auch nie
größer gewählt werden sollte, als daß man den Inhalt in einem Zuge aus-
trinken kann. Unter diesen fünf Gläsern hat nur der sogenannte „Römer"
eine grüne Farbe. Die Gewohnheit, die Rheinweingläser farbig herzustellen,
ist eine tief eingewurzelte, obwohl die Farbe des Weins darin völlig verloren
geht. Ihre Gestaltung wie Dekoration ist eine ungemein wechselvolle und
sehr oft widerspricht auch die Malerei, wie z. B. in den Rheinlandschaften,
die auf einer Seite angebracht werden, völlig dem Karakter des Glases. —
Der Wein, in schön geschliffenen Krystallkaraffen gefüllt, ist, abwechselnd
roth und weiß, linksseitig neben jedem Herrn in silbernen Flaschentellern

Freuden.

aufgestellt, während der Champagner sich im Weinkühler auf dem Nebentisch
befindet; inan stellt den letzteren niemals auf die Tafel.

Und nun wird „angetreten" auf den Wink der Frau vom Hause. Jeder
Gast findet zur rechten Hand eines Tellers auf einer mit Silberzweigen
geschmückten Doppelkarte, welcher umseitig die Speisenfolge wie das Programm
der Tafelmusik aufgedruckt ist, seinen Namen, und weiß also, wo er Platz
nehmen darf. Die Gerichte, außerhalb des Hauses von einem Koch zubereitet,
führen deutsche Namen, und wir speisen z. B.:

Skeinbuike mit holländischer Saure.
Sahkurkofsel.

Rindslende — Hammrlriicken
mit jungem Gemüse.

Hummer mit Tartarsaure.
Rebhühner.

Brüsseler Poularden.

Salat und Aomxok.

St. Lstephe.

88 er Braue Lantenac
SchloHabzug.

8s er Liebfrauenmilch.

Perrier gouet.

Skangenspargel mit polnischer Butter.
Verschiedenes Li«.

Butter und Rase.

Nachtisch.

Und während wir uns derartig delektiren, spielt das «Orchester, das
auf einer kleinen Bühne, hinter schweren Vorhängen von dunkelrothem Rips
verborgen, im Rücken des Jubelpaares plazirt worden ist, in gedämpften
Klängen heitere weisen. Ist es zu verwundern, wenn die Täfelung lange
währt? Und doch hätte manch ein Freund vom Wein und humorvollen
Reden sie gern noch länger ausgedehnt, wenn nicht die Jugend ihr Recht
geltend gemacht hätte, tanzen zu dürfen. Während die Diener sich daran
machen, die Tafel abzutragen, ziehen wir uns in die anderen Wohnräume
zurück, wo ein Täßchen Mokka servirt wird.

Das Tafelservice war durchgängig im selben Stil gehalten, unter den
Tassen aber bemerken wir ein buntes Allerlei von Formen, denn cs ist üblich,
 
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