Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

DOI Artikel:
Schulze, Otto: Die Keramik im Dienste der Innen-Dekoration, [1]
DOI Artikel:
Philippi, P.: Die Frau und die Wohnungs-Ausschmückung, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0174

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Seite j30.

Illustr. k un st ge werbt. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

September-Heft.

Ausdrucksweise nach dieser Richtung gefunden hat, befreit von
den Fesseln sklavischer Nachahmung. Ls war unausbleiblich im
Wandel der Dinge. Kein Jahrhundert hat so gebieterisch sein
Zeitrecht gefordert und seinen Schöpfungen den Zeitstempel auf-
gedrückt wie das Neunzehnte. Wir sind eben Rinder unserer Zeit;
was wir schaffen, empfängt den Tauf-
schein und die Weihe gegenwärtigen

Empfindens! Gewiß sind wir neuschaf-
fend und neubildend thätig, und nur
kleine Nlenschen, die mit beiden Füßen
in der Vergangenheit stehen, die eng-
herzig — den großen Schritt in die

Gegenwart nicht wagten, belügen sich
und uns mit der Phrase, daß unser
künstlerisches Schaffen nur eine retro-
spektive Reproduktion, eine Wiederholung
des bereits Dagewesenen sei.

Gewiß hat die Keramik, wie wir
bereits in vorstehenden Ausführungen

erkennen konnten, der Innen-Dekoration
in vielseitigster Weise gedient. Vom

einfachsten Gegenstand des Bedürfnisses,
wie den Herd, den rothen Fußbodenziegeln
und den ärmlichen schematischen Wand-
plättchen bis hoch zum architektonisch
wie malerisch gleich meisterhaft durch-
gebildeten Ofen, den reich gemusterten
Fußbodenfließen und künstlerisch durch-
geführten bemalten Wandplatten. Ich
erinnere nur an die Vefen des Germa-
nischen National-Museums zu Nürnberg,
des Königl. Kunstgewerbe-Museums zu
Berlin, der Fürstenzimmer des Rath-
hauses zu Augsburg, der hohen Veste zu Salzburg, des Schlosses
zu Brühl, dann an mehrere Zimmer desselben Schlosses, die zum
Theil, ein Zimmer sogar ganz mit Wandfliesen, letztere mit
großen Figuren- und dekorativen Kompositionen, bekleidet sind.
Das Treppenhaus des benachbarten kleinen Jagdschlosses Falken-

lust, ehemals zu Brühl gehörig und aus gleicher Zeit stammend,
ist ebenfalls ganz mit Fliesen ausgekleidet, die in reichstem Wechsel
unzählige Motive in Iagdszenen, Thieren und Landschaften zeigen.
Meistens stammen diese Fliesen aus Holland (Delft), von woher
sie in Unmengen exportirt wurden. Hier in Köln sind bei Ab-
brüchen große Massen gefunden worden,
und ich selbst habe noch manche alte
Rüche und Waschraum gekannt, die sich
solcher Fliesentäfelung zu erfreuen hatten.
Das hiesige Runstgewerbe-Museum be-
sitzt daher auch eine interessante Fliesen-
sammlung dieser Herkunft, die mit den
spanischen und orientalischen Fliesen ein
umfassendes Bild von der Fliesenbeklei-
dung von Fußboden und Wand gewähren.

Zn solcher Vertiefung und Anschau-
ung eines für uns historisch gewordenen
Materials schiebt sich mir das von dem
Herausgeber sorgfältigst zusammenge-
stellte Illustrationsmaterial des vorlie-
genden Heftes auf den Arbeitstisch und
— ich bin erstaunt und entzückt über
das Gebotene, über das Neue und Schöne,
das sich hier in so vornehmem und an-
sprechendem, in so durchaus zeitgemäßem
Gewände, in eben bisher noch nicht da-
gewesener Form äußert! Praktisch und
schön zugleich bietet sich uns hier das
herrliche vielseitige Zweck- und Schmuck-
Material einer in vielen Kämpfen, Ver-
suchen und Erfolgen groß und stark ge-
wordenen keramischen Industrie, des
mächtigen Bundesgenossen der Zukunft
von Eisen und Stein im inneren und äußeren Ausbau! Jede
der Illustrationen überzeugt uns von dem mächtigen Fortschritt
auf diesem Gebiet in Anwendung des Materials, das den Be-
dürfnissen unserer Zeit in ganz spezifischen Lösungen Rechnung
getragen hat. Schon im vorjährigen Oktober-Heft, das ganz

Abbildung Nr. wo;. Einzel-Ansicht zu Abbild. Nr. zooz.

Die Mrau und dleWohnungs-HusschnlUljrnng. j

von p. Philippi, Trier.

Frau, welche die Ueberschrist liest, wird jeden-
falls lediglich der Gedanke an verschiedene Sorten von
Handarbeiten, Makartsträuße und künstliche Blumen
auftauchen, die sie zur Ausschmückung der Wohnung für sehr
geeignet hält; außerdem liegen ihr vielleicht gewisse G^ps- oder
Porzellanfiguren, sowie kleinere und größere Möbel im Sinne.

Bevor man jedoch mit solchen und ähnlichen Mitteln arbeitet,
ist es an erster Stelle nothwendig, dem Wohnraum in seinen
Grundbestandtheilen einen stilvollen**) Anstrich zu geben, und auch
die diesbezüglichen Anordnungen sind in der Praxis gewöhnlich
hauptsächlich Aufgabe der Frau. Obwohl vorhandene Einrich-
tungen in manchen Punkten das gedachte Verfahren erschweren
werden, so muß man doch suchen, Schritt für Schritt unserer
Wohnungs-Einrichtung gewisse Stilwidrigkeiten abzugewöhnen,
die unsere Zeit gedankenlos und gefühllos von unseren Vorfahren
übernommen hat.

Wenn also unsere Frauen sich bemühen wollen, zur Aus-

") Aus dem Merkchen: „Mie können unsere Frauen zur Aus-
schmückung der Mohnräume beitragen?" (y Preis-Arbeiten.) Verlag
von Alexander Aoch, Darmstadt. Preis eleg. gebd. >Nk. 2.—.

Menu hier von Stil die Rede ist. so ist darunter nicht ein bestimmter
historischer Stil zu verstehen, sondern eine nach den Grundregeln des guten
Geschmackes behandelte Form der Gegenstände.

schmückuug der wohnräume das Ihrige zu thun, so muß in
Rücksicht der bestehenden Einrichtungen diese Thätigkeit an erster
Stelle dahin zielen, vorhandene Rnschönheiten abzuschaffen, dann
erst kann eine positive Ausschmückung mit Erfolg in Angriff
genommen werden; denn was hilft der eine oder andere Zierrath
im Zimmer, wenn die ganze Anlage an Geschmacklosigkeit leidet.

Betrachten wir zunächst die vier Wände nebst Decke und
Fußboden, so sind vor allen Dingen größere weiße Flächen zu
vermeiden, die den Eindruck kalter Unbehaglichkeit Hervorrufen;
die Hauptflächen sollen einen mittleren, warmen Farbenton haben,
nur aus dieser Grundlage wird sich ohne Schwierigkeit die nöthige
Harmonie der Gesammtheit erreichen lassen.

Ein guter Farbensinn kann leider nicht mit Worten beige-
bracht werden. Viele, die keinen Farbensinn haben, halten die
Sache für sehr einfach, da sie ja die Verhältnisse der Lomple-
mentärsarben kennen, und oft hört man die Bemerkung: „hier
paßt die und die Farbe". Damit ist jedoch sehr wenig gesagt,
denn abgesehen von den reinen Farben des Spektrums bezeichnen
Roth, Grün usw. je eine Gattung von Tausenden verschiedener
Farbennuancen (die vatikanische Mosaikfabrik fertigt z. B. 36000
verschiedene Farben), für welche wir keine einfachen, unterschei-
denden Bezeichnungen haben. Die reinen Farben aber sollen im
Allgemeinen nicht angewendet werden, am wenigsten bei größeren
Gegenständen; man wähle vielmehr stets gedämpfte, matte Farben,
solche, die einen Stich haben d. h. eines anderen, dämpfenden
Tones, und man wird ungleich weniger Gefahr laufen, die Woh-
 
Annotationen