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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Michael, H.: Bilderschmuck und Wohnung: Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0210

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Seite (58.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Vktober-k)eft.

^ilderschmurk und

Skizze von H. Michael.

Lin schönes Bild ist der edelste Zimmerschmuck. Dagegen läßt sich
nach keiner Richtung etwas sagen, nur muß das Bild selbstverständlich

künstlerischen Werth be-
sitzen. von den Gel-
druckbildern sei hier
völlig abgesehen; so gut
sie verhältnißmäßig auch
ausgeführt werden, und
so sehr die Höhe, auf
der das technische Rönnen
in dieser Hinsicht steht,
auch anzuerkeunen ist, so
sind diese Erzeugnisse
trotz alledem nicht —
„salonfähig". Das Gel-
bild wird jedenfalls stets
in der Konkurrenz der
Bilder-Gattungen die
Palme des Sieges davon
tragen, und das Aquarell
wird erst an zweiter
Stelle kommen, wenn-
gleich es oft genug zu
einem ganz gefährlichen
Rivalen werden kann.
Nach ihm gelangen die
Stiche (Rupfer- u. Stahl-
stiche) zur Geltung und
in letzter Linie die neuer-
dings so prächtigen foto-
grafischen, fotolithogra-
fischen u. heliografischen
Reproduktionen, die je-
denfalls, da ihre Aus-
führung meist vorzüglich,
empfehlenswerther sind, als die geringwerthigen Farbenklexereien jener Maler,
die wiederholt in verschiedenen Runst-Zeitschriften mit dem Worte „Auch-
Künstler" sehr kurz und treffend qualifizirt worden sind.

Wer es sich also zu leisten vermag, wird die Wände seines Heims mit
Delbildern schmücken, die von berufener Meisterhand zu dauerndem Werthe
geschaffen worden. Das Delgemälde präsentirt sich am besten und einzig
richtig in Gold-Umrahmung, die je nach der Größe und dem Werthe des
Bildes breit und reich sein darf; eher jedoch kann der Rahmen einfach sein,
als etwa überladen. Sonst kann der Lall eintreten, daß man vor der unge-
lösten Frage steht, ob das Bild wegen des Rahmens, oder der Rahmen wegen
des Bildes da ist. — Auf dunkelgehaltenen Wandflächen nimmt sich das
Gelbild am vortheilhastesten aus; es wird darum, was die Stilfrage anbetrifft,
am schönsten zu Renaissance passen. Auf Helle Tapeten, wie im Rokoko und
und Barock präsentirt sich hingegen der Stich und das leichte Aquarell sehr
gut, und wenn auch das Belbild auf den lichtabgetönten Wänden nicht gerade
stört, so kommt es doch mindestens nicht recht zur Geltung, und besonders
zum Barock erscheint es zu kompakt, zu schwerfällig. Für diesen Stil ist das
Passendste ein anmuthiges Aquarell oder auch eine heitere, leichten Stoff
behandelnde fotografische oder dergl. Reproduktion; eine Fotografie kleineren
Formates darf von einem mit der Farbe des Möblements harmonirenden
Plüschrahmen eingefaßt sein. Größere derartige Bilder erfordern jedoch den
einfachen braunen oder schwarzen Holzrahmen.

Auch im Rokokozimmer wirkt das Aquarell entschieden — wie man
zu sagen pflegt — „wie dazu gemacht"; in lichten, frischen Farben gehalten,
in leichtem Goldrahmen, wird es stets dem Zimmer einen freundlichen
Stempel aufdrücken. Die Stiche bedeuten in Bezug auf letzteres gewisser-
maßen das Gegentheil — schon durch ihre Farblosigkeit; sie verbreiten stets
einen Hauch des Ernstes und der Rälte; matt gehaltene Holzumrahmung ist
für sie am empfehlenswerthesten. Wenn die ganze übrige Zimmereinrichtung
reich mit freundlichen Farben gesättigt ist, so wirkt allerdings auch der Stich
sehr gut; aber abgesehen von dem höheren Runstwerth, den er vor fotografischen
und ähnlichen Reproduktionen voraus hat, ist eine letztere doch viel lebens-
warmer. Diese Wirkung folgert sich fast einzig aus technischen Ursachen der
Herstellung. Zur Einrahmung dieser Bilder eignen sich die jetzt so beliebten
„gold"plattirten, mustergepreßten Bilderrahmen am besten, und sind beispiels-
weise die fotografischen Reproduktionen von Raphaels Madonna, das Bild
der Königin Luise mit ihren beiden Söhnen, oder auch der „Schutzengel" ein
ganz reizender, einwandfreier Bilderschmuck. Ls hält eigentlich ziemlich
schwer, ein besonderes Gesetz für den Bilderschmuck betreffs seines Verhält-

nisses zum Stil zu geben, da bei Allein in erster Linie der behandelte Stoff
berücksichtigt werden muß. Das Einzige, was man bestimmt zu sagen vermag,
ist, daß sich für den Renaissancestil am besten das Gelbild, und dann
allenfalls der Stich eignet; ersteres verleiht dem Zimmer einen warmen
Ton, indeß letzterer eine kühlere Stimmung hervorruft. Aquarell und foto-
grafische (und ähnliche) Reproduktionen sind bei Rokoko und dem Schwesterstil
Barock heimathsberechtigt, und für stillose Zimmer ist der Grundsatz maß-
geblich, daß man durch Gegensätze wirkt, daß also auf dunkle Tapeten bunte,
und auf Helle Wände dunkle Bilder, also Stiche, Fotografien u. dgl. gehören.
Der zweite Moment ist dann der : zu dunklen Farben gehören schwere Formen,
zu Hellen Tönen leichte, anmuthige. Demnach muß das Aquarell, das seiner
Farbigkeit halber ganz gut für Renaissance geeignet, wegen des ihm inne-
wohnenden Rarakters der leichten Auffassung, der Zierlichkeit und Anmuth
doch schließlich den beiden anderen Stilen zugesprochen werden, wie schon
vorher erwähnt, liegt jedoch der Kernpunkt bei der zu fällenden Entscheidung
im dargestellten Motiv. Lin ernst und düster gehaltenes, schwer durchgeführtes
Aquarell paßt natürlich eher für Renaissance, und umgekehrt ein flottes,
leichtgemaltes Gelbild gehört dann wieder zu Rokoko und Barock.

Eine Hauptfrage ist noch die, ob und wie weit in einem Raum Bilder
verschiedener Gattung aufgehangen werden dürfen. Will man streng
Vorgehen, so darf entschieden nur eine Gattung „Sitz und Stimme" haben;
in Prunkräumen zum Beispiel darf ein Gemisch nie zu finden sein. Zn
Zimmern familiären Rarakters darf die Fotografie eine Ausnahme machen,
aber Beibilder, Aquarelle, Stiche und Anderes mehr durcheinander zu hängen,
ist sicherlich eine Uebertretung des Kunstgesetzes und des rechten Geschmacks,
die selbst in stillosen Zimmern nicht gestattet werden darf. Das Aquarell
darf allenfalls mit einer Handzeichnung, einer Radirnng Zusammengehen
aber auch dies ist nur in Einzelfällen durchführbar.

Die Zeichnungen sind bisher nicht mit erwähnt worden, einfach, weil
sie einerseits für die Mappe und nicht für die Wand gearbeitet, bezw. be-
rechnet sind, und anderntheils, weil allen Zeichnungen etwas Skizzenmäßiges
anhaftet. Bei aller Genialität des Motivs und der Ausführung, wird man
in ihr doch in den weitaus meisten Fällen stets nur etwas „Werdendes", die
Anlage zu etwas Großem, oder aber auch eine flüchtige Mußestunden-Spielerei
eines schaffenden Meisters sehen. Derartige Zeichnungen als „Bilderschmuck"
zu bezeichnen, habe ich nicht gewagt; höchstens für ein sogenanntes „originelles"
Gemach dürften sie als solcher einen Werth erlangen.

Ein Zimmer in rechter Weise mit Bilderschmuck zu versehen, ist schwer,
und setzt viel Kunst - Instinkt, viel ästhetisches Empfinden voraus, denn ein
festes, vorbildliches Gesetz läßt sich eben nach Lage der Verhältnisse nicht

Abbildung Nr. l.035. Vorplaß-Mlibel INIt Malerei. Non m. Kinibel. Breslau.

geben. Das Einfachste und Sicherste ist noch der Grundsatz: Keine Mischung!
Dies ist ein rettungverheißender Leuchtthurm, wenn auf dem Meere der
Ungewißheit und des Zweifels das Schifflein des „Geschmackes" scheitert,,
und der echte Kunstsinn zwischen Klippen gerathen ist. —

Abbildg. I ori. IR ii itz e r - S it; ra 11 l!. Non !N. Ri IN bei. Breslau.
 
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