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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Ausschmückung der Tafel in England: von unserem Spezial-Korrespondenten
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November-Heft. Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration. Seite s6si.

Musschmnrkung dev °Mafel irr Mnglaud.

von unserem Londoner Spezial-Korrespondenten.

verwöhnten Bevorzugten des Glückes mundet ja das
Mahl nur, wenn mit dem Gaumen zugleich auch das
Auge genießen kann. So war es schon von Alters
her und die Beschreibungen der schwelgerischen Gastmahle der
alten Römer, die uns die Geschichte überliefert, erregen noch heut-
zutage oft unser Erstaunen. Und dennoch, wir Rinder des neun-
zehnten Jahrhunderts vermöchten mit unserem Luxus und unserer
Pracht wohl selbst den alten
Togaträgern zu imponiren,
wenn wir sie durch die Ver-
mittelung Tumberlands oder
irgend eines anderen Geister-
beschwörers einmal zu einem
unserer prunkhaften Festgelage
einladen könnten. Freilich der
Schmuck unserer Tafeln, ver-
glichen mit demjenigen, den
die Nachkommen des Romulus
liebten, mag sich ungefähr wie
die Schönheit eines Sternes an
unserem modernen Gesell-
schaftshimmel zu derjenigen
einer Venus von Milo ver-
halten. Aber freilich, andere
Zeiten, andere Sitten. Die
Engländer haben zwar als
Feinschmecker keinen besonderen
Ruf, doch nichtsdestoweniger
spielen Essen und Trinken bei
ihnen eine gewichtige Rolle,
und Gastmahle krönen ihre
höchsten Festlichkeiten. Dieje-
nigen, welche der Lord Mayor
von London und die reichen
Eitygilden veranstalten, sind
eigentlich nur prunkhafte Schau-
stellungen, bei denen die Tafeln
unter der Last des kostbaren Gold- und Silbergeschirres fast zw
sammenbrechen, und bei denen man einen gewissen Stolz darein
setzt, dem ganzen Gelage, und Allem, was mit demselben zu-
sammenhängt, einen Nimbus längst entschwundener Zeiten, den
Rarakter früherer Jahrhunderte zu verleihen. Wie anders aber
ist das Bild, welches sich uns bietet, wenn wir uns den Heim-
stätten der Reichen, den Feenpalästen der Rünstler und Rünstlerinnen
zuwenden. „Ben Akiba, Deine Weisheit hat Lücken", könnte
man da manchmal ausrufen, denn dort öffnet man der kurz-
weiligen Dame Mode willig Thür und Thor, und sucht auch
auf dem Gebiete der Tafel-Dekoration unermüdlich nach immer
Neuem. Wir leben im Zeitalter der Elektrizität, und was Wunder
also, daß man sich ihrer Zauberwirkungen auch zur Ausschmückung
der Speisetafel bedient. Doch ich will hier nicht vorgreifen, und

erst einige Worte über die englische „äinin^ tabls^ im Allge-
meinen einschalten. Der Engländer liebt seine Bequemlichkeit
über Alles, und davon legt auch sein Tisch Zeugniß ab, der stets
äußerst geräumig, die Entfaltung der reichsten Dekorirung gestattet,
ohne die an ihm Sitzenden auch nur im geringsten zu beengen.
Gern spricht man dem Briten persönliche Grazie ab, und das
im Allgemeinen wohl auch mit Recht, nur nicht an der „äinivA
tadls". Wie ein Engländer zu essen, gehört ja wohl in der
ganzen Welt zum guten Ton, und wie er die Tafeln zu schmücken,
würde man sich gewiß beeifern, wäre nur etwas mehr darüber

bekannt. Blumen, deren Gegen-
wart auf dem Speisetisch von
dem Feinschmecker zwar nicht
gebilligt wird, spielen auf der
englischen Tafel eine hervor-
ragende Rolle und zwar in
Gemeinschaft mit den Herrlich-
keiten des Desserts. Mit diesem
zusammen räumt man ihnen
jetzt mit Vorliebe einen — ich
möchte fast sagen, durch Bar-
rieren abgegrenzten Theil in
der Mitte des Tisches ein. Zu
diesem Zwecke hat man eine
Art kleiner Einzäunungen,
welche ein längliches Rechteck
in der Mitte der Tafel in
solchen Abständen von den
Rändern bilden, daß den Spei-
senden reichlicher Raum für
ihre Gläser, Teller usw. ge-
lassen wird. Sind jene Ein-
zäunungen aus Porzellan, so
nimmt man sich für sie oft-
mals die Umfassungsmauern
der zierlichen Terrassengärten
der Rokokozeit mit ihren nie-
derigen Ecksäulen zum Vorbild.
Zn angemessenen Zwischen-
räumen führen angedeutete
kleine Freitreppen auf die äußere Tafel, und das Muster dieser
Verzierungen ist meist dasselbe als das der Teller, Schüsseln und
Tafelaufsätze, welche letztere innerhalb der Miniaturgartenmauern
thronen. Mstmals dient der mittlere derselben zur Ausnahme
prächtiger Blumensträuße, von denen aus seine Guirlanden nach
den Ecksäulen der kleinen Einzäunung in graziösen Bögen gezogen
sind. Zn einem Falle bestand der Blumenbehälter in der Mitte

aus einem mit Rosen gefüllten Muschelwagen Floras von

Schmetterlingen gezogen. Vor diesem tanzten Blüthen schwingende
Nymphen und ringsum waren im Viereck Ainoretten gruppirt,
die von dem Gefährte der Göttin ausgehende Blumenranken zu
halten schienen. Dieser Taselschmuck erschien wie eine Vision aus
den Tagen der kässäumss äs Larrey und äs Dompaäour, und
man hätte sich an die zierlich ausgelegte Tafel von einst im

Abbildung Nr. m-tS. Etaqrrc mit Tafel-Geschirr.
 
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