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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Schliepmann, Hans: Ein amerikanischer Palastwagen-Zug
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Waldau, Otto: Ein Pariser Palais, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0150

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Seite ssO.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Juli-Heft.

Gardinen schützen die Schlafenden vor den Blicken der Hindurchgehenden.
Aber man ist in Amerika in dieser Beziehung merkwürdig wenig prüde.
Die Lady ist als solche vor Unverschämtheiten sicher und sie ihrerseits findet
nichts dabei, daß ein Herr ohne Kragen und Rock an ihr vorüber nach dem
waschraume geht.

Die dekorative Ausstattung bedarf bei der Klarheit der Abbildungen
kaum weiterer Erläuterungen. Die Abtheile im Oornpartinsnt-ouv waren
in vornehm dunklen Tönen gehalten; die goldbraunen Ripstapeten mit
Seiden- und Goldstickerei standen ausgezeichnet zu dein röthlichen, prächtig
polirten Guineaholz und den stumpf schieferfarbenen Polster» der Sitze; das
Vrnament erscheint zwar hier und da etwas steifleinen; namentlich sind die
platt reliefirten Gitter der hübschen Lünettenfenster trotz der echten Bronze
etwas „billig" in der Erfindung, aber sie sind wenigstens ..echt" im Empirestil,
und das wird mehr Leuten zur Empfehlung genügen, als mir selbst lieb ist.

Die gleiche Stilrichtung zeigen die beiden außerordentlich pikanten
Kojen am Ende des offenen Schlafwagens (Abbildungen Nr. 9S8 und ISA),
deren Farbenstimmung ganz prächtig zu den feinen Formen des goldenen
Grnamentes paßte. Die Wände und die reizvolle voute zeigten hellstes
Resedagrün; die Stoffe mattes Goldgelb; die dunkleren Theile ein etwas
milchig getöntes
violettroth; die
Butzen < Scheiben
der Lünetten-
fenster in der sehr
originellen Fas-
sung aus echter
Bronze waren
von feurigstem
Tockayergelb. Be-
merkt sei noch,
daß das über Eck
gestellte Schränk-
chen im Hinter-
grunderechts(Ab-
bildung Nr. ZS8)
einWaschtischchen
ist. ähnlich wie
es aufgeklappt
(etwas undeutlich
leider) im Vorder-
gründe der Ab-
bildung Nr. qsq
wahrnehmbar ist.

Bei dem offenen
Schlafwagen(Ab-
bildung Nr. Zr-H
bildet das blitz-
blank polirte
rothe Holz den
Grundton der
Farbenstimmung;
die ungemein har-
monisch geglie-
derte Decke zeigte
helleregelbeHolz-
töne; zu dengelb-

seidenen Vorhängen paßten die hell schieferblauen Bezüge aus gepreßtem
Plüsch ausgezeichnet. Aus die ungemein anmuthigen Beleuchtungskörper
und den „Schnur-Vorhang" am Ausgang, sowie auf die Bleiverglasung der
geschliffenen Lünettenfenster sei noch besonders aufmerksam gemacht.

Den Schluß des Zuges bildet der Obsövvntiou-onr oder Aussicht-
Wagen (Abbildung Nr. 970). dessen Hintere Plattform rundum verglast ist.
um auch von hier aus die Gegend zu betrachten, die z. B. längs des Hudson
ganz wundervoll ist. Im Inneren des Wagens findet man sich zum Plaudern
und zum gemeinsamen Genuß der Aussicht zusammen, weshalb mannigfach
gestaltete, ungemein bequeme Sitze die freieste Gruppirung gestatten. Die
Farbenstimmung ist ganz der des offenen Schlafwagens entsprechend. Ich
kann mich daher auf die Andeutungen beschränken, daß die Lünettenfenster
hier aus Spiegelglas mit davor angebrachtem Bronzegitterwerk bestehen —
jedenfalls ein ganz fruchtbarer Gedanke —. daß die Fenster unten nach Art
ganz flacher dreiseitiger Erker ausgebaut sind und daß die vortretenden Sockel
längs der Wände die Rohre der Dampfheizung bergen.

An Stelle des Aussicht-Wagens tritt häufig auch der Gesellschafts-
Wagen. Dnrlov-ouv (Abbildung Nr. 97z), der auch meist bei gemischten
Zügen mitgeführt wird und dort häufig auf die Bequemlichkeiten eines
Schlafwagens verzichten läßt, denn aus den kostbaren, um eine Axe leicht
drehbaren Lehnstühlen ruht es sich wirklich, zumal den Beinen vom dienenden
Schwarzen sogleich noch ein praktisches Fußkissen, dem Kopse auf leisesten

Wunsch ein Federkissen untergeschoben wird, wie in Abrahams Schooß —
soviel ich mir den wenigstens vorstellen kann. Daß auf Wunsch auch Tische
vor uns aufgestellt werden und daß auf ihnen für unser gutes Geld auch
Eiscreme, Kaffee, in den nicht an der Feuerwasserscheu leidenden Staaten
auch geistige Getränke aufgepfianzt werden, braucht eigentlich kaum noch
erwähnt zu werden. Auch das Dekorative des Wagens erklärt sich von
selbst; Bezüge und Decke zeigten ein prächtig sattes Braungelb, das mit
dem rothen Holzton einen sehr vollen Accord gab. Damit ich nicht nur
bewundere, sei bemerkt, daß die doppelten Konsolreihen an der Decke, des
Guten entschieden zu viel thun und an dieser Stelle wenig organisch wirken.

Zur Veranschaulichung der Größenmaße führe ich an. daß der sichtbare
Theil des Gesellschafts-Wagens die respektable Länge von ru hat, und
als Schlußbemerkung füge ich hinzu, daß trotz der geschilderten Bequemlich-
keiten und dekorativen Ausstattung, bei der noch besonders zu loben, daß
sie erst dem praktischen Zweck, dann der Mode Rechnung trägt, das Reisen
in Amerika, den allgemeinen Unterschied des Geldwerthes in Rücksicht ge-
zogen, keineswegs nennenswerth theurer ist als bei uns. Daß wir also
auf diesem Gebiete von Amerika noch Mancherlei lernen können, ist klar;
nur hüte man sich auch hier wieder vor blinder Nachahmung; die wäre an

sich ganz uname-
rikanisch. Das
ist eine der weni-
gen, aber großen
Tugenden des
Hankee. Möge sie
endlich auch die
unsere werden!

Ein

pariser Palais.

(Schluß von S. j.07.)

Der Eßtisch
aus dunklem Ro-
senholznimmtna-
türlich die Mitte
einundaufdiesem
erhebt sich ein
silberner Frucht-
aufsatz . rings
heruin von klei-
nen silbernen
Schalen umgeben.
KostbarstesSilbev
auch auf dem
Büffet; Aufsätze.
Tablettes rc. Das
Büffet ist gleich
dem Tisch aus
Rosenholz und in
derselben Farbe
das Leder, mit
welchem die
Stühle bezogen
sind. Letztere wei-
sen in Golddruck
das Monogramm

mit der Krone auf. während diese auf dem Büffet aus Metall, Silber und
Kupfer hergestellt sind. Ein Spiegel bildet die Hinterwand des Büffets
und über diesen bis zur Decke reichend ein Velgemälde: mit Früchten spie-
lende Amoretten. Die Decke selbst ist wunderhübsch. Durch ein seines Gitter
aus mit Gold verziertem Rosenholz schimmert eine blaue und rosa Malerei.
In gleicher Weise sind die Plafonds der beiden Loggien gehalten, die an
der einen Wand zu beiden Seiten des Büffets sichtbar werden und ebenfalls
durch Holzgitter begrenzt sind. Die gegenüber liegende Wand füllt fast der
Kamin aus mit einer Shakespeare-Büste in der Mitte und Karyatiden an
den Seiten. Aus Rosenholz sind auch die Thüren dieses Saals, deren Ein-
fassung mit Guirlanden aus silbernen und kupfernen Früchten verziert ist.
Aeberall Velgemälde, dort weidende Kühe von Rosa Bonheur, hier Still-
leben. Fruchtstücke und in der Mitte der einen Wand ein großes Bild:
„Lhristoph Kolumbus über seine Reise berichtend". Auch das Fenster wird
durch eine Glasmalerei gebildet, aber dieselbe ist in den leuchtendsten Farben
gehalten und Sonne und Licht dringen genügend durch. um den Saal in
eine angenehme Helle zu tauchen.

Ich wollte Ihren Lesern diesmal nur von den Prachträumen berichten,
welche dieses Palais enthält, ein anderes Mal ist es mir vielleicht vergönnt,
ihnen auch eine Beschreibung der intimeren zu liefern, die sich zwar an
Glanz mit diesen nicht messen können, an Schönheit und Einrichtung abev
kaum hinter denselben zurückstehen. —
 
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